Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.der sichtbare Ausdruck einer Minderwertigkeit des Respirationstraktes, Fräulein L. weist an der Oberlippe, entsprechend der Stelle der Marie B., 12 Jahre alt. kommt wegen Stotterns und Lispelns zur Josef S., 50 Jahre alt, leidet an Angina follicularis, die häufig der sichtbare Ausdruck einer Minderwertigkeit des Respirationstraktes, Fräulein L. weist an der Oberlippe, entsprechend der Stelle der Marie B., 12 Jahre alt. kommt wegen Stotterns und Lispelns zur Josef S., 50 Jahre alt, leidet an Angina follicularis, die häufig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="34"/> der sichtbare Ausdruck einer Minderwertigkeit des Respirationstraktes,<lb/> die sich freilich nicht immer als spezielle Erkrankungsform darstellt.<lb/> Heredität aber und Kinderfehler sind oft dabei wahrzunehmen, von<lb/> letzteren insbesondere Stottern, Daumenlutschen, Saugen an den Lippen<lb/> und allerlei Sprachfehler. Ebenso werden uns bei solchen Kindern sehr<lb/> häufig Katarrhe der Luftwege, Pseudokrupp und Anginen begegnen,<lb/> was bereits <hi rendition="#i">Gutzmann</hi> und andere hervorgehoben haben. Eine Häufung<lb/> dieser peripheren Stigmen ist nicht selten. Vorgreifend muß ich noch<lb/> erwähnen, daß auch der Gaumenreflex recht oft dabei Veränderungen<lb/> unterliegt, indem er sich als fehlend, schwach oder gesteigert erweist,<lb/> während der Rachenreflex nach meinen Untersuchungen diesen Zu-<lb/> sammenhang seltener erkennen läßt. Ebenso findet man diese Stigmen<lb/> auffallend oft bei Neurosen, Sängern, Rednern und im Zusammenhang<lb/> mit schwereren Erkrankungen des Respirationstraktes, sei es des Unter-<lb/> suchten oder seiner Verwandtschaft, von denen ich besonders die Lungen-<lb/> tuberkulose hervorheben möchte.</p><lb/> <p>Fräulein L. weist an der Oberlippe, entsprechend der Stelle der<lb/> embryonalen linken Gaumenspalte eine kleine, wulstförmige Verdickung<lb/> auf, die durch erweiterte Blutgefäße bläulich gefärbt erscheint. Der<lb/> Wulst ist angeboren. Aus der Anamnese geht hervor, daß das Fräulein<lb/> häufig an Kehlkopfkatarrhen und Bronchitiden leidet, sowie daß Vater,<lb/> Mutter und ein Bruder an Lungentuberkulose gestorben sind. Gaumen-<lb/> reflex fehlt. Patientin weist leichte neuropathische Züge auf, die sich<lb/> auf den Verdauungstrakt beziehen, leidet oft an Herzklopfen, Schlaf-<lb/> und Appetitlosigkeit. Sie ist eine vortreffliche Sängerin (Sopran). Eine<lb/> Schwester leidet an Angstanfällen und zeigt noch im Alter von 42 Jahren<lb/> einen Sprachfehler in Form von Lispeln. Anknüpfend an diesen Fall<lb/> möchte ich nur hervorheben, daß bei mir der Eindruck eines Zusammen-<lb/> hanges von schöner Singstimme und der von mir skizzierten Organ-<lb/> minderwertigkeit feststeht und daß ich dafür einiges Material zur Ver-<lb/> fügung habe.</p><lb/> <p>Marie B., 12 Jahre alt. kommt wegen Stotterns und Lispelns zur<lb/> Ordination. Vater an Lungentuberkulose gestorben. Bruder hat als Kind<lb/> gleichfalls gestottert und steht derzeit wegen Halswirbelkaries in Be-<lb/> handlung. Mutter anscheinend gesund. Patientin zeigt ein auffällig<lb/> schlechtes Gebiß, Schleimhautwucherungen der Nase und adenoide<lb/> Vegetationen. Fortgang in der Schule schlecht. Gaumenreflex bei<lb/> Patientin und ihrem Bruder mangelhaft.</p><lb/> <p>Josef S., 50 Jahre alt, leidet an Angina follicularis, die häufig<lb/> rezidiviert. Patient hat seit dem 5. Lebensjahre zahlreiche Anfälle von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0046]
der sichtbare Ausdruck einer Minderwertigkeit des Respirationstraktes,
die sich freilich nicht immer als spezielle Erkrankungsform darstellt.
Heredität aber und Kinderfehler sind oft dabei wahrzunehmen, von
letzteren insbesondere Stottern, Daumenlutschen, Saugen an den Lippen
und allerlei Sprachfehler. Ebenso werden uns bei solchen Kindern sehr
häufig Katarrhe der Luftwege, Pseudokrupp und Anginen begegnen,
was bereits Gutzmann und andere hervorgehoben haben. Eine Häufung
dieser peripheren Stigmen ist nicht selten. Vorgreifend muß ich noch
erwähnen, daß auch der Gaumenreflex recht oft dabei Veränderungen
unterliegt, indem er sich als fehlend, schwach oder gesteigert erweist,
während der Rachenreflex nach meinen Untersuchungen diesen Zu-
sammenhang seltener erkennen läßt. Ebenso findet man diese Stigmen
auffallend oft bei Neurosen, Sängern, Rednern und im Zusammenhang
mit schwereren Erkrankungen des Respirationstraktes, sei es des Unter-
suchten oder seiner Verwandtschaft, von denen ich besonders die Lungen-
tuberkulose hervorheben möchte.
Fräulein L. weist an der Oberlippe, entsprechend der Stelle der
embryonalen linken Gaumenspalte eine kleine, wulstförmige Verdickung
auf, die durch erweiterte Blutgefäße bläulich gefärbt erscheint. Der
Wulst ist angeboren. Aus der Anamnese geht hervor, daß das Fräulein
häufig an Kehlkopfkatarrhen und Bronchitiden leidet, sowie daß Vater,
Mutter und ein Bruder an Lungentuberkulose gestorben sind. Gaumen-
reflex fehlt. Patientin weist leichte neuropathische Züge auf, die sich
auf den Verdauungstrakt beziehen, leidet oft an Herzklopfen, Schlaf-
und Appetitlosigkeit. Sie ist eine vortreffliche Sängerin (Sopran). Eine
Schwester leidet an Angstanfällen und zeigt noch im Alter von 42 Jahren
einen Sprachfehler in Form von Lispeln. Anknüpfend an diesen Fall
möchte ich nur hervorheben, daß bei mir der Eindruck eines Zusammen-
hanges von schöner Singstimme und der von mir skizzierten Organ-
minderwertigkeit feststeht und daß ich dafür einiges Material zur Ver-
fügung habe.
Marie B., 12 Jahre alt. kommt wegen Stotterns und Lispelns zur
Ordination. Vater an Lungentuberkulose gestorben. Bruder hat als Kind
gleichfalls gestottert und steht derzeit wegen Halswirbelkaries in Be-
handlung. Mutter anscheinend gesund. Patientin zeigt ein auffällig
schlechtes Gebiß, Schleimhautwucherungen der Nase und adenoide
Vegetationen. Fortgang in der Schule schlecht. Gaumenreflex bei
Patientin und ihrem Bruder mangelhaft.
Josef S., 50 Jahre alt, leidet an Angina follicularis, die häufig
rezidiviert. Patient hat seit dem 5. Lebensjahre zahlreiche Anfälle von
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