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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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funktionelle Minderwertigkeit, die sich in Anomalien der Sekretion geltend
machen dürfte. Doch ist sicherlich zuweilen eine morphologische Minder-
wertigkeit (des Parenchyms, der Langerhansschen Inseln, abnorme Klein-
heit) nachweisbar. Drittens kann die Minderwertigkeit in dem der
Bauchspeicheldrüse zugehörigen Nervengebiet gelegen sein.

Fall Dr. G.: Vater litt an Morbus Basedowii. Der Sohn leidet seit
Kindheit an schwerem Diabetes. Schilddrüse intakt. Hier findet sich gleich-
zeitige Minderwertigkeit zweier Organe, ohne daß über deren gegen-
seitige Beeinflussung etwas ausgesagt werden könnte. Dieser Fall ver-
anlaßt uns aber, bei den nicht gar seltenen Glykosurien in Fällen von
Basedow die Zuckerausscheidung nicht ausschließlich mit der Thyreoidea
in Verbindung zu bringen, sondern lieber eine gleichzeitige Minder-
wertigkeit des Pankreas anzunehmen.

Bezüglich der Fettleibigkeit ist an diesem Orte hervorzuheben,
daß sie sich in hervorragendem Maße als hereditär erweist. Dies sowie
ihr Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, d. h. mit gleichzeitigen
Minderwertigkeiten anderer Organe ist hinlänglich bekannt.

Erkrankungen der Lymphdrüsen werden, soweit mir bekannt ist,
nicht geradewegs als hereditär angesehen. Der Grund liegt in folgen-
dem: Sowie in einem Organe Tuberkulose festgestellt wird, scheint
derzeit vielfach jedes weitere Interesse der Forscher erloschen oder
richtet sich auf Infektionsmodus und Wege der Weiterverbreitung. Uns
interessiert hier vor allem aber die Tatsache, daß Tuberkulose viel-
leicht jedes minderwertige Organ unter gewissen Bedingungen befallen
kann. Die Minderwertigkeit der Lymphdrüsen, die ja sicherlich bei der
Weiterverbreitung der Tuberkulose eine große Bedeutung gewinnt, ist
angeboren und hereditär. 2 Fälle sollen zur Stütze dieser Ansicht
dienen.

I. Alfred B. erkrankte im 16. Lebensjahre an zahlreichen Lymph-
drüsenschwellungen des Halses, die alle erweichten, eitrigen Zerfall auf-
wiesen und mit den bekannten skrofulösen Narben ausheilten. Weder
Patient noch sonst wer aus der Familie wies Spuren von
Tuberkulose auf.
Aber die Mutter hatte im 15. Lebensjahre gleich-
falls an Lymphdrüsenschwellungen des Halses gelitten und zeigte einige
skrofulöse Narben.

II. Frieda H., 15 Jahre alt, war bis zum Winter des Jahres
1905 stets gesund. Damals erkrankte sie an zahlreichen Lymphdrüsen-
tumoren, die besonders die Supraklavikulargruben ausfüllten und empor-
wölbten. Dazu gesellte sich eine linksseitige Pleuritis, späterhin Lymph-
drüsenschwellungen unter der linken Axilla. Eltern und Geschwister

funktionelle Minderwertigkeit, die sich in Anomalien der Sekretion geltend
machen dürfte. Doch ist sicherlich zuweilen eine morphologische Minder-
wertigkeit (des Parenchyms, der Langerhansschen Inseln, abnorme Klein-
heit) nachweisbar. Drittens kann die Minderwertigkeit in dem der
Bauchspeicheldrüse zugehörigen Nervengebiet gelegen sein.

Fall Dr. G.: Vater litt an Morbus Basedowii. Der Sohn leidet seit
Kindheit an schwerem Diabetes. Schilddrüse intakt. Hier findet sich gleich-
zeitige Minderwertigkeit zweier Organe, ohne daß über deren gegen-
seitige Beeinflussung etwas ausgesagt werden könnte. Dieser Fall ver-
anlaßt uns aber, bei den nicht gar seltenen Glykosurien in Fällen von
Basedow die Zuckerausscheidung nicht ausschließlich mit der Thyreoidea
in Verbindung zu bringen, sondern lieber eine gleichzeitige Minder-
wertigkeit des Pankreas anzunehmen.

Bezüglich der Fettleibigkeit ist an diesem Orte hervorzuheben,
daß sie sich in hervorragendem Maße als hereditär erweist. Dies sowie
ihr Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, d. h. mit gleichzeitigen
Minderwertigkeiten anderer Organe ist hinlänglich bekannt.

Erkrankungen der Lymphdrüsen werden, soweit mir bekannt ist,
nicht geradewegs als hereditär angesehen. Der Grund liegt in folgen-
dem: Sowie in einem Organe Tuberkulose festgestellt wird, scheint
derzeit vielfach jedes weitere Interesse der Forscher erloschen oder
richtet sich auf Infektionsmodus und Wege der Weiterverbreitung. Uns
interessiert hier vor allem aber die Tatsache, daß Tuberkulose viel-
leicht jedes minderwertige Organ unter gewissen Bedingungen befallen
kann. Die Minderwertigkeit der Lymphdrüsen, die ja sicherlich bei der
Weiterverbreitung der Tuberkulose eine große Bedeutung gewinnt, ist
angeboren und hereditär. 2 Fälle sollen zur Stütze dieser Ansicht
dienen.

I. Alfred B. erkrankte im 16. Lebensjahre an zahlreichen Lymph-
drüsenschwellungen des Halses, die alle erweichten, eitrigen Zerfall auf-
wiesen und mit den bekannten skrofulösen Narben ausheilten. Weder
Patient noch sonst wer aus der Familie wies Spuren von
Tuberkulose auf.
Aber die Mutter hatte im 15. Lebensjahre gleich-
falls an Lymphdrüsenschwellungen des Halses gelitten und zeigte einige
skrofulöse Narben.

II. Frieda H., 15 Jahre alt, war bis zum Winter des Jahres
1905 stets gesund. Damals erkrankte sie an zahlreichen Lymphdrüsen-
tumoren, die besonders die Supraklavikulargruben ausfüllten und empor-
wölbten. Dazu gesellte sich eine linksseitige Pleuritis, späterhin Lymph-
drüsenschwellungen unter der linken Axilla. Eltern und Geschwister

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[22/0034] funktionelle Minderwertigkeit, die sich in Anomalien der Sekretion geltend machen dürfte. Doch ist sicherlich zuweilen eine morphologische Minder- wertigkeit (des Parenchyms, der Langerhansschen Inseln, abnorme Klein- heit) nachweisbar. Drittens kann die Minderwertigkeit in dem der Bauchspeicheldrüse zugehörigen Nervengebiet gelegen sein. Fall Dr. G.: Vater litt an Morbus Basedowii. Der Sohn leidet seit Kindheit an schwerem Diabetes. Schilddrüse intakt. Hier findet sich gleich- zeitige Minderwertigkeit zweier Organe, ohne daß über deren gegen- seitige Beeinflussung etwas ausgesagt werden könnte. Dieser Fall ver- anlaßt uns aber, bei den nicht gar seltenen Glykosurien in Fällen von Basedow die Zuckerausscheidung nicht ausschließlich mit der Thyreoidea in Verbindung zu bringen, sondern lieber eine gleichzeitige Minder- wertigkeit des Pankreas anzunehmen. Bezüglich der Fettleibigkeit ist an diesem Orte hervorzuheben, daß sie sich in hervorragendem Maße als hereditär erweist. Dies sowie ihr Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, d. h. mit gleichzeitigen Minderwertigkeiten anderer Organe ist hinlänglich bekannt. Erkrankungen der Lymphdrüsen werden, soweit mir bekannt ist, nicht geradewegs als hereditär angesehen. Der Grund liegt in folgen- dem: Sowie in einem Organe Tuberkulose festgestellt wird, scheint derzeit vielfach jedes weitere Interesse der Forscher erloschen oder richtet sich auf Infektionsmodus und Wege der Weiterverbreitung. Uns interessiert hier vor allem aber die Tatsache, daß Tuberkulose viel- leicht jedes minderwertige Organ unter gewissen Bedingungen befallen kann. Die Minderwertigkeit der Lymphdrüsen, die ja sicherlich bei der Weiterverbreitung der Tuberkulose eine große Bedeutung gewinnt, ist angeboren und hereditär. 2 Fälle sollen zur Stütze dieser Ansicht dienen. I. Alfred B. erkrankte im 16. Lebensjahre an zahlreichen Lymph- drüsenschwellungen des Halses, die alle erweichten, eitrigen Zerfall auf- wiesen und mit den bekannten skrofulösen Narben ausheilten. Weder Patient noch sonst wer aus der Familie wies Spuren von Tuberkulose auf. Aber die Mutter hatte im 15. Lebensjahre gleich- falls an Lymphdrüsenschwellungen des Halses gelitten und zeigte einige skrofulöse Narben. II. Frieda H., 15 Jahre alt, war bis zum Winter des Jahres 1905 stets gesund. Damals erkrankte sie an zahlreichen Lymphdrüsen- tumoren, die besonders die Supraklavikulargruben ausfüllten und empor- wölbten. Dazu gesellte sich eine linksseitige Pleuritis, späterhin Lymph- drüsenschwellungen unter der linken Axilla. Eltern und Geschwister

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/34>, abgerufen am 27.11.2024.