Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.lich nur geringere Grade vor. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das Fräulein Fanny H., 23 Jahre alt, stammt aus einer tuberkulös Sicherlich gibt es zahlreiche reine Fälle von Minderwertigkeit, lich nur geringere Grade vor. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das Fräulein Fanny H., 23 Jahre alt, stammt aus einer tuberkulös Sicherlich gibt es zahlreiche reine Fälle von Minderwertigkeit, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="12"/> lich nur geringere Grade vor. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das<lb/> primär minderwertige Organ, das überaus häufig in seiner Größen-<lb/> entwicklung Mangel leidet und funktionell nicht auf der Höhe des<lb/> normal entwickelten Organes steht, wenn es nicht zum Vikariieren ge-<lb/> zwungen ist, eine geringere Arbeitsleistung zu bewältigen hat. Wahr-<lb/> scheinlich ist dies der Grund, warum es zuweilen gesund befunden<lb/> wird, während das vikariierende Organ erkrankt. Dieses Verhältnis<lb/> findet sich in folgendem Falle:</p><lb/> <p>Fräulein Fanny H., 23 Jahre alt, stammt aus einer tuberkulös<lb/> belasteten Familie. Die Mutter starb in jungen Jahren an Lungen-<lb/> schwindsucht, eine Schwester leidet gleichfalls an einer Lungenaffektion.<lb/> Patientin hat außer Kinderkrankheiten keinerlei nennenswerte Affek-<lb/> tionen durchgemacht. Seit längerer Zeit besteht starke Neigung zu<lb/><hi rendition="#g">Obstipation</hi>; Blässe der Haut und der Schleimhäute; <hi rendition="#g">Gaumenreflex<lb/> und Rachenreflex</hi> fehlen. Im Frühling des Jahres 1905 erkrankte<lb/> Patientin an Hämoptoe. Längerer Aufenthalt im Süden brachte geringe<lb/> Besserung. Im Mai des Jahres 1906 ließ sich in der Gegend der rechten<lb/> Lungenspitze Schallverkürzung und kleinblasiges Rasseln im Exspirium<lb/> vernehmen. Die Distanz vom Dornfortsatz des 7. Halswirbels bis zum<lb/> Processus coracoideus betrug rechts 18 <hi rendition="#i">cm</hi>, links 16 <hi rendition="#i">cm</hi>. Patientin gab<lb/> an, daß seit ihrer Kindheit die rechte Thoraxhälfte auffallend stärker<lb/> entwickelt war als die linke. Auch die Atemexkursionen der rechten<lb/> Seite übertrafen die der linken. Wir finden in diesem Falle den Er-<lb/> krankungsherd an einer Stelle, wo die ursprüngliche Minderwertigkeit<lb/> des Respirationsapparates, die sich deutlich genug in der Heredität<lb/> ausprägt, funktionell und morphologisch wettgemacht ist. Es erscheint<lb/> aber in diesen und ähnlichen Fällen die Annahme gerechtfertigt, daß<lb/> die Steigerung der Funktion und des Wachstums in einem minder-<lb/> wertigen Organ gleichfalls zu erhöhter Krankheitsdisposition Anlaß<lb/> geben kann, wenn dabei bestimmte Relationen gestört werden. <hi rendition="#i">Sorgo</hi><lb/> und <hi rendition="#i">Schiek</hi> haben vor kurzer Zeit gezeigt, daß man bei Tuberkulösen<lb/> öfters auf der Seite des Herdes eine kleinere Mamma oder einen klei-<lb/> neren Warzenhof findet, zuweilen aber auch auf der entgegengesetzten<lb/> Seite. Den Zusammenhang und die Erklärung glauben wir im Obigen<lb/> nachgewiesen zu haben.</p><lb/> <p>Sicherlich gibt es zahlreiche reine Fälle von Minderwertigkeit,<lb/> bei denen es nicht zum Vikariieren kommt, ebenso wie ein asymme-<lb/> trisches Organ ohne Kompensation bleiben kann. Dem Eindruck nach<lb/> dürften auch bei den asymmetrischen Organen, die sich als minder-<lb/> wertig nachweisen lassen, partielle Kompensationserscheinungen in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0024]
lich nur geringere Grade vor. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das
primär minderwertige Organ, das überaus häufig in seiner Größen-
entwicklung Mangel leidet und funktionell nicht auf der Höhe des
normal entwickelten Organes steht, wenn es nicht zum Vikariieren ge-
zwungen ist, eine geringere Arbeitsleistung zu bewältigen hat. Wahr-
scheinlich ist dies der Grund, warum es zuweilen gesund befunden
wird, während das vikariierende Organ erkrankt. Dieses Verhältnis
findet sich in folgendem Falle:
Fräulein Fanny H., 23 Jahre alt, stammt aus einer tuberkulös
belasteten Familie. Die Mutter starb in jungen Jahren an Lungen-
schwindsucht, eine Schwester leidet gleichfalls an einer Lungenaffektion.
Patientin hat außer Kinderkrankheiten keinerlei nennenswerte Affek-
tionen durchgemacht. Seit längerer Zeit besteht starke Neigung zu
Obstipation; Blässe der Haut und der Schleimhäute; Gaumenreflex
und Rachenreflex fehlen. Im Frühling des Jahres 1905 erkrankte
Patientin an Hämoptoe. Längerer Aufenthalt im Süden brachte geringe
Besserung. Im Mai des Jahres 1906 ließ sich in der Gegend der rechten
Lungenspitze Schallverkürzung und kleinblasiges Rasseln im Exspirium
vernehmen. Die Distanz vom Dornfortsatz des 7. Halswirbels bis zum
Processus coracoideus betrug rechts 18 cm, links 16 cm. Patientin gab
an, daß seit ihrer Kindheit die rechte Thoraxhälfte auffallend stärker
entwickelt war als die linke. Auch die Atemexkursionen der rechten
Seite übertrafen die der linken. Wir finden in diesem Falle den Er-
krankungsherd an einer Stelle, wo die ursprüngliche Minderwertigkeit
des Respirationsapparates, die sich deutlich genug in der Heredität
ausprägt, funktionell und morphologisch wettgemacht ist. Es erscheint
aber in diesen und ähnlichen Fällen die Annahme gerechtfertigt, daß
die Steigerung der Funktion und des Wachstums in einem minder-
wertigen Organ gleichfalls zu erhöhter Krankheitsdisposition Anlaß
geben kann, wenn dabei bestimmte Relationen gestört werden. Sorgo
und Schiek haben vor kurzer Zeit gezeigt, daß man bei Tuberkulösen
öfters auf der Seite des Herdes eine kleinere Mamma oder einen klei-
neren Warzenhof findet, zuweilen aber auch auf der entgegengesetzten
Seite. Den Zusammenhang und die Erklärung glauben wir im Obigen
nachgewiesen zu haben.
Sicherlich gibt es zahlreiche reine Fälle von Minderwertigkeit,
bei denen es nicht zum Vikariieren kommt, ebenso wie ein asymme-
trisches Organ ohne Kompensation bleiben kann. Dem Eindruck nach
dürften auch bei den asymmetrischen Organen, die sich als minder-
wertig nachweisen lassen, partielle Kompensationserscheinungen in der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-07T09:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-07T09:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-07T09:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |