Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

Juwelier, der nur schöne Dinge berührte, ein altes, gutgegründetes Haus hatte, der eine glänzende Zukunft vor sich sah, ihr nicht genügte und nicht gefiel!

Von ihrer frühesten Kindheit von den reinsten Moralgrundsätzen erfüllt, mit den grossen Beispielen des Altertums vertraut, sollte sie nur deshalb mit den Helden Plutarchs gelebt haben, um sich mit einem Kaufmann zu verbinden, der nicht wie sie urteilen oder fühlen würde?

Frau Phlipon, die vernünftige Mutter, wollte, dass Manon sich ebenso in der Küche wie im Salon, auf dem Markte wie auf der Promenade, auskenne und nahm sie mit, oder liess sie die Sachen selbst besorgen. Dabei kamen recht komische Zufälle vor. Der Fleischer hatte seine Frau verloren. Er hatte ein Vermögen von 50.000 Thaler und hoffte überdies, es noch zu vergrössern. Manon wusste nichts von all dem. Sie bemerkte nur, dass sie sehr gut bedient wurde und verwunderte sich sehr, dass er ihr am Sonntag immer auf der Promenade, in feiner Toilette, in den Weg kam und sich mit Bücklingen nicht genug tun konnte. Das dauerte den ganzen Sommer. Als Manon einmal unwohl war, schickte der Fleischer jeden Morgen hin, um sich nach dem Befinden und den etwaigen Wünschen der Kranken zu erkundigen, die in sein Fach einschlugen. Diese Teilnahme fiel dem Vater auf, er lächelte darüber und unterhielt sich ausgezeichnet; er versicherte seine Tochter wiederholt, dass er das Prinzip habe, ihren Gefühlen keinen Zwang anzutun. Er erzählte nun von dem Heiratsantrag des Fleischers und fragte sie nach ihrer Entscheidung. Sie ging auf den Ton ein und versicherte ihm in aller Form, dass sie sich in ihrer gegenwärtigen Lage sehr wohl befinde und nicht daran denke, sie vor Ablauf einiger Jahre zu ändern, ihm aber die weiteren Schritte in dieser Angelegenheit überlasse.

Der Vater stellte ihr dann ganz ernst vor, dass sie zu wählerisch sei, und was sie denn eigentlich für einen Mann erwarte, welchen sie fordere? Darauf machte ihm Manon Vorwürfe, dass er schuld sei, dass er sie gelehrt

Juwelier, der nur schöne Dinge berührte, ein altes, gutgegründetes Haus hatte, der eine glänzende Zukunft vor sich sah, ihr nicht genügte und nicht gefiel!

Von ihrer frühesten Kindheit von den reinsten Moralgrundsätzen erfüllt, mit den grossen Beispielen des Altertums vertraut, sollte sie nur deshalb mit den Helden Plutarchs gelebt haben, um sich mit einem Kaufmann zu verbinden, der nicht wie sie urteilen oder fühlen würde?

Frau Phlipon, die vernünftige Mutter, wollte, dass Manon sich ebenso in der Küche wie im Salon, auf dem Markte wie auf der Promenade, auskenne und nahm sie mit, oder liess sie die Sachen selbst besorgen. Dabei kamen recht komische Zufälle vor. Der Fleischer hatte seine Frau verloren. Er hatte ein Vermögen von 50.000 Thaler und hoffte überdies, es noch zu vergrössern. Manon wusste nichts von all dem. Sie bemerkte nur, dass sie sehr gut bedient wurde und verwunderte sich sehr, dass er ihr am Sonntag immer auf der Promenade, in feiner Toilette, in den Weg kam und sich mit Bücklingen nicht genug tun konnte. Das dauerte den ganzen Sommer. Als Manon einmal unwohl war, schickte der Fleischer jeden Morgen hin, um sich nach dem Befinden und den etwaigen Wünschen der Kranken zu erkundigen, die in sein Fach einschlugen. Diese Teilnahme fiel dem Vater auf, er lächelte darüber und unterhielt sich ausgezeichnet; er versicherte seine Tochter wiederholt, dass er das Prinzip habe, ihren Gefühlen keinen Zwang anzutun. Er erzählte nun von dem Heiratsantrag des Fleischers und fragte sie nach ihrer Entscheidung. Sie ging auf den Ton ein und versicherte ihm in aller Form, dass sie sich in ihrer gegenwärtigen Lage sehr wohl befinde und nicht daran denke, sie vor Ablauf einiger Jahre zu ändern, ihm aber die weiteren Schritte in dieser Angelegenheit überlasse.

Der Vater stellte ihr dann ganz ernst vor, dass sie zu wählerisch sei, und was sie denn eigentlich für einen Mann erwarte, welchen sie fordere? Darauf machte ihm Manon Vorwürfe, dass er schuld sei, dass er sie gelehrt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="76"/>
Juwelier, der nur schöne Dinge berührte, ein altes, gutgegründetes Haus hatte, der eine glänzende Zukunft vor sich sah, ihr nicht genügte und nicht gefiel!</p>
        <p>Von ihrer frühesten Kindheit von den reinsten Moralgrundsätzen erfüllt, mit den grossen Beispielen des Altertums vertraut, sollte sie nur deshalb mit den Helden Plutarchs gelebt haben, um sich mit einem Kaufmann zu verbinden, der nicht wie sie urteilen oder fühlen würde?</p>
        <p>Frau Phlipon, die vernünftige Mutter, wollte, dass Manon sich ebenso in der Küche wie im Salon, auf dem Markte wie auf der Promenade, auskenne und nahm sie mit, oder liess sie die Sachen selbst besorgen. Dabei kamen recht komische Zufälle vor. Der Fleischer hatte seine Frau verloren. Er hatte ein Vermögen von 50.000 Thaler und hoffte überdies, es noch zu vergrössern. Manon wusste nichts von all dem. Sie bemerkte nur, dass sie sehr gut bedient wurde und verwunderte sich sehr, dass er ihr am Sonntag immer auf der Promenade, in feiner Toilette, in den Weg kam und sich mit Bücklingen nicht genug tun konnte. Das dauerte den ganzen Sommer. Als Manon einmal unwohl war, schickte der Fleischer jeden Morgen hin, um sich nach dem Befinden und den etwaigen Wünschen der Kranken zu erkundigen, die in sein Fach einschlugen. Diese Teilnahme fiel dem Vater auf, er lächelte darüber und unterhielt sich ausgezeichnet; er versicherte seine Tochter wiederholt, dass er das Prinzip habe, ihren Gefühlen keinen Zwang anzutun. Er erzählte nun von dem Heiratsantrag des Fleischers und fragte sie nach ihrer Entscheidung. Sie ging auf den Ton ein und versicherte ihm in aller Form, dass sie sich in ihrer gegenwärtigen Lage sehr wohl befinde und nicht daran denke, sie vor Ablauf einiger Jahre zu ändern, ihm aber die weiteren Schritte in dieser Angelegenheit überlasse.</p>
        <p>Der Vater stellte ihr dann ganz ernst vor, dass sie zu wählerisch sei, und was sie denn eigentlich für einen Mann erwarte, welchen sie fordere? Darauf machte ihm Manon Vorwürfe, dass er schuld sei, dass er sie gelehrt
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0095] Juwelier, der nur schöne Dinge berührte, ein altes, gutgegründetes Haus hatte, der eine glänzende Zukunft vor sich sah, ihr nicht genügte und nicht gefiel! Von ihrer frühesten Kindheit von den reinsten Moralgrundsätzen erfüllt, mit den grossen Beispielen des Altertums vertraut, sollte sie nur deshalb mit den Helden Plutarchs gelebt haben, um sich mit einem Kaufmann zu verbinden, der nicht wie sie urteilen oder fühlen würde? Frau Phlipon, die vernünftige Mutter, wollte, dass Manon sich ebenso in der Küche wie im Salon, auf dem Markte wie auf der Promenade, auskenne und nahm sie mit, oder liess sie die Sachen selbst besorgen. Dabei kamen recht komische Zufälle vor. Der Fleischer hatte seine Frau verloren. Er hatte ein Vermögen von 50.000 Thaler und hoffte überdies, es noch zu vergrössern. Manon wusste nichts von all dem. Sie bemerkte nur, dass sie sehr gut bedient wurde und verwunderte sich sehr, dass er ihr am Sonntag immer auf der Promenade, in feiner Toilette, in den Weg kam und sich mit Bücklingen nicht genug tun konnte. Das dauerte den ganzen Sommer. Als Manon einmal unwohl war, schickte der Fleischer jeden Morgen hin, um sich nach dem Befinden und den etwaigen Wünschen der Kranken zu erkundigen, die in sein Fach einschlugen. Diese Teilnahme fiel dem Vater auf, er lächelte darüber und unterhielt sich ausgezeichnet; er versicherte seine Tochter wiederholt, dass er das Prinzip habe, ihren Gefühlen keinen Zwang anzutun. Er erzählte nun von dem Heiratsantrag des Fleischers und fragte sie nach ihrer Entscheidung. Sie ging auf den Ton ein und versicherte ihm in aller Form, dass sie sich in ihrer gegenwärtigen Lage sehr wohl befinde und nicht daran denke, sie vor Ablauf einiger Jahre zu ändern, ihm aber die weiteren Schritte in dieser Angelegenheit überlasse. Der Vater stellte ihr dann ganz ernst vor, dass sie zu wählerisch sei, und was sie denn eigentlich für einen Mann erwarte, welchen sie fordere? Darauf machte ihm Manon Vorwürfe, dass er schuld sei, dass er sie gelehrt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/95
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/95>, abgerufen am 24.11.2024.