Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.war es bei schweren Strafen untersagt, mit den Häftlingen zu reden. Aber der arme Teufel von Diener konnte diese Existenz nicht aushalten, er wurde ganz niedergeschlagen, er kränkelte von Tag zu Tag mehr, man entliess ihn nicht, trotzdem er und Latude darum ansuchten und die Vorgesetzten darum beschworen, man liess ihn hinsterben; es schien Latude, als ob man ihn auch mit diesem unglückseligen Anblick peinigen wolle. Man entfernte den Diener erst aus Latudes Zelle als er seinen letzten Seufzer aushauchte. Dieser junge Mensch war nicht imstande, dort drei Monate auszuhalten, wo Latude 35 Jahre verbringen musste und diese drei Monate sollen nach Latudes Behauptung noch verhältnismässig die besten gewesen sein, die er dort verlebt hatte. Latude sagt an einer Stelle seiner Memoiren: "Ich müsste eigentlich jedesmal, wenn ich von meinen unmenschlichen, ungerechten Richtern spreche, Madame Legros Namen nennen, zur Ehre der Menschheit und um den Glauben an sie wiederzugewinnen." Von den vielen guten Menschen, die sich um Latudes Befreiung bemühten, ist es hauptsächlich Madame Necker, deren Eifer es gelang, das schier Unmögliche möglich zu machen. Endlich hatte der Minister den Enthaftungsbefehl unterzeichnet, Madame Necker selbst davon in Kenntnis gesetzt und sie ermächtigt, Latude davon Mitteilung zu machen. Sonst war es Vorschrift, den Enthaftungsbefehl an das Polizeibureau zu schicken, welches es dann an den Häftling weiter beförderte. Der Polizeikommissär Le Noir, der Latude mit seinem Hass immer verfolgt hatte, entblödete sich nicht, dieses Schriftstück sechs Wochen lang zurückzuhalten, und ohne die energischen, mutigen Betreibungen Madame Neckers wäre der Befehl überhaupt unterschlagen worden, Latude hätte im Kerker verbleiben müssen und wäre in Ketten gestorben, trotz des Befehles, der alles aufhob. Aber kaum wird die Freilassung zur Tat, als ein neues Unglück Latude bedroht: eine Bedingung seiner Begnadigung war es, dass er in seinen Heimatsort zurückkehren müsse, dort unter strenger war es bei schweren Strafen untersagt, mit den Häftlingen zu reden. Aber der arme Teufel von Diener konnte diese Existenz nicht aushalten, er wurde ganz niedergeschlagen, er kränkelte von Tag zu Tag mehr, man entliess ihn nicht, trotzdem er und Latude darum ansuchten und die Vorgesetzten darum beschworen, man liess ihn hinsterben; es schien Latude, als ob man ihn auch mit diesem unglückseligen Anblick peinigen wolle. Man entfernte den Diener erst aus Latudes Zelle als er seinen letzten Seufzer aushauchte. Dieser junge Mensch war nicht imstande, dort drei Monate auszuhalten, wo Latude 35 Jahre verbringen musste und diese drei Monate sollen nach Latudes Behauptung noch verhältnismässig die besten gewesen sein, die er dort verlebt hatte. Latude sagt an einer Stelle seiner Memoiren: „Ich müsste eigentlich jedesmal, wenn ich von meinen unmenschlichen, ungerechten Richtern spreche, Madame Legros Namen nennen, zur Ehre der Menschheit und um den Glauben an sie wiederzugewinnen.“ Von den vielen guten Menschen, die sich um Latudes Befreiung bemühten, ist es hauptsächlich Madame Necker, deren Eifer es gelang, das schier Unmögliche möglich zu machen. Endlich hatte der Minister den Enthaftungsbefehl unterzeichnet, Madame Necker selbst davon in Kenntnis gesetzt und sie ermächtigt, Latude davon Mitteilung zu machen. Sonst war es Vorschrift, den Enthaftungsbefehl an das Polizeibureau zu schicken, welches es dann an den Häftling weiter beförderte. Der Polizeikommissär Le Noir, der Latude mit seinem Hass immer verfolgt hatte, entblödete sich nicht, dieses Schriftstück sechs Wochen lang zurückzuhalten, und ohne die energischen, mutigen Betreibungen Madame Neckers wäre der Befehl überhaupt unterschlagen worden, Latude hätte im Kerker verbleiben müssen und wäre in Ketten gestorben, trotz des Befehles, der alles aufhob. Aber kaum wird die Freilassung zur Tat, als ein neues Unglück Latude bedroht: eine Bedingung seiner Begnadigung war es, dass er in seinen Heimatsort zurückkehren müsse, dort unter strenger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/> war es bei schweren Strafen untersagt, mit den Häftlingen zu reden. Aber der arme Teufel von Diener konnte diese Existenz nicht aushalten, er wurde ganz niedergeschlagen, er kränkelte von Tag zu Tag mehr, man entliess ihn nicht, trotzdem er und Latude darum ansuchten und die Vorgesetzten darum beschworen, man liess ihn hinsterben; es schien Latude, als ob man ihn auch mit diesem unglückseligen Anblick peinigen wolle. Man entfernte den Diener erst aus Latudes Zelle als er seinen letzten Seufzer aushauchte. Dieser junge Mensch war nicht imstande, dort drei Monate auszuhalten, wo Latude 35 Jahre verbringen musste und diese drei Monate sollen nach Latudes Behauptung noch verhältnismässig die besten gewesen sein, die er dort verlebt hatte. Latude sagt an einer Stelle seiner Memoiren: „Ich müsste eigentlich jedesmal, wenn ich von meinen unmenschlichen, ungerechten Richtern spreche, Madame Legros Namen nennen, zur Ehre der Menschheit und um den Glauben an sie wiederzugewinnen.“</p> <p>Von den vielen guten Menschen, die sich um Latudes Befreiung bemühten, ist es hauptsächlich Madame Necker, deren Eifer es gelang, das schier Unmögliche möglich zu machen. Endlich hatte der Minister den Enthaftungsbefehl unterzeichnet, Madame Necker selbst davon in Kenntnis gesetzt und sie ermächtigt, Latude davon Mitteilung zu machen. Sonst war es Vorschrift, den Enthaftungsbefehl an das Polizeibureau zu schicken, welches es dann an den Häftling weiter beförderte. Der Polizeikommissär Le Noir, der Latude mit seinem Hass immer verfolgt hatte, entblödete sich nicht, dieses Schriftstück sechs Wochen lang zurückzuhalten, und ohne die energischen, mutigen Betreibungen Madame Neckers wäre der Befehl überhaupt unterschlagen worden, Latude hätte im Kerker verbleiben müssen und wäre in Ketten gestorben, trotz des Befehles, der alles aufhob. Aber kaum wird die Freilassung zur Tat, als ein neues Unglück Latude bedroht: eine Bedingung seiner Begnadigung war es, dass er in seinen Heimatsort zurückkehren müsse, dort unter strenger </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0026]
war es bei schweren Strafen untersagt, mit den Häftlingen zu reden. Aber der arme Teufel von Diener konnte diese Existenz nicht aushalten, er wurde ganz niedergeschlagen, er kränkelte von Tag zu Tag mehr, man entliess ihn nicht, trotzdem er und Latude darum ansuchten und die Vorgesetzten darum beschworen, man liess ihn hinsterben; es schien Latude, als ob man ihn auch mit diesem unglückseligen Anblick peinigen wolle. Man entfernte den Diener erst aus Latudes Zelle als er seinen letzten Seufzer aushauchte. Dieser junge Mensch war nicht imstande, dort drei Monate auszuhalten, wo Latude 35 Jahre verbringen musste und diese drei Monate sollen nach Latudes Behauptung noch verhältnismässig die besten gewesen sein, die er dort verlebt hatte. Latude sagt an einer Stelle seiner Memoiren: „Ich müsste eigentlich jedesmal, wenn ich von meinen unmenschlichen, ungerechten Richtern spreche, Madame Legros Namen nennen, zur Ehre der Menschheit und um den Glauben an sie wiederzugewinnen.“
Von den vielen guten Menschen, die sich um Latudes Befreiung bemühten, ist es hauptsächlich Madame Necker, deren Eifer es gelang, das schier Unmögliche möglich zu machen. Endlich hatte der Minister den Enthaftungsbefehl unterzeichnet, Madame Necker selbst davon in Kenntnis gesetzt und sie ermächtigt, Latude davon Mitteilung zu machen. Sonst war es Vorschrift, den Enthaftungsbefehl an das Polizeibureau zu schicken, welches es dann an den Häftling weiter beförderte. Der Polizeikommissär Le Noir, der Latude mit seinem Hass immer verfolgt hatte, entblödete sich nicht, dieses Schriftstück sechs Wochen lang zurückzuhalten, und ohne die energischen, mutigen Betreibungen Madame Neckers wäre der Befehl überhaupt unterschlagen worden, Latude hätte im Kerker verbleiben müssen und wäre in Ketten gestorben, trotz des Befehles, der alles aufhob. Aber kaum wird die Freilassung zur Tat, als ein neues Unglück Latude bedroht: eine Bedingung seiner Begnadigung war es, dass er in seinen Heimatsort zurückkehren müsse, dort unter strenger
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