Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Augenblick lang den Schmerz einer solchen Trennung zum Bewusstsein bringt. Aber ein Schuldiger wäre nicht dein Gatte gewesen, und du hast mich nur deshalb geliebt, weil ich nur für das Glück meiner Mitbürger lebte ... Man ruft mich ab ... Eben haben mich die Untersuchungsrichter vom Revolutionstribunal verhört. Es wurde nur diese Frage an mich gestellt: "Ob ich gegen die Republik konspiriert habe?" Welcher Hohn! Und man darf so den reinsten Republikanismus beschimpfen? Ich sehe das Schicksal, das mich erwartet. Adieu, meine Lucile, meine teuere Lolotte. Sag' auch meinem Vater ein Lebewohl von mir. Du siehst in mir ein Beispiel der Barbarei und Undankbarkeit der Menschen. Meine letzten Augenblicke werden dir nicht Schande machen. Du siehst, dass meine Befürchtungen begründet waren, dass meine Vorahnungen immer begründet waren. Ich habe eine, durch ihre Tugenden himmlische Frau geheiratet, ich war ein guter Gatte, ein guter Sohn, ich würde auch ein guter Vater geworden sein. Ich nehme die Achtung und das Bedauern aller wahren Republikaner, aller Menschen, die Tugend und Freiheit hochstellen, mit mir. Ich sterbe mit 34 Jahren, aber es ist ein Wunder, dass ich seit fünf Jahren an so vielen Abgründen der Revolution vorbei gekommen bin, ohne hineinzustürzen, dass ich noch lebe und dass ich ruhig mein Haupt auf das Kissen meiner nur zu zahlreichen Schriften lehnen kann, die alle gleicherweise dieselbe Philantropie atmen, vom gleichen Wunsch beseelt sind, meine Mitbürger glücklich und frei zu machen und die das Beil des Tyrannen nicht treffen wird. Ich sehe wohl, dass die Macht beinahe alle Menschen berauscht, dass alle, wie der Tyrann Dionysius von Syrakus gesagt hat: "Die Tyrannei ist eine schöne Grabschrift." Aber tröste dich, betrübte Witwe. Die Grabschrift deines armen Camille ist noch ruhmvoller, es ist die von Brutus und Cato. Oh! meine liebe Lucile, ich war geboren um Verse zu machen, um die Unglücklichen zu verteidigen, um Augenblick lang den Schmerz einer solchen Trennung zum Bewusstsein bringt. Aber ein Schuldiger wäre nicht dein Gatte gewesen, und du hast mich nur deshalb geliebt, weil ich nur für das Glück meiner Mitbürger lebte … Man ruft mich ab … Eben haben mich die Untersuchungsrichter vom Revolutionstribunal verhört. Es wurde nur diese Frage an mich gestellt: „Ob ich gegen die Republik konspiriert habe?“ Welcher Hohn! Und man darf so den reinsten Republikanismus beschimpfen? Ich sehe das Schicksal, das mich erwartet. Adieu, meine Lucile, meine teuere Lolotte. Sag’ auch meinem Vater ein Lebewohl von mir. Du siehst in mir ein Beispiel der Barbarei und Undankbarkeit der Menschen. Meine letzten Augenblicke werden dir nicht Schande machen. Du siehst, dass meine Befürchtungen begründet waren, dass meine Vorahnungen immer begründet waren. Ich habe eine, durch ihre Tugenden himmlische Frau geheiratet, ich war ein guter Gatte, ein guter Sohn, ich würde auch ein guter Vater geworden sein. Ich nehme die Achtung und das Bedauern aller wahren Republikaner, aller Menschen, die Tugend und Freiheit hochstellen, mit mir. Ich sterbe mit 34 Jahren, aber es ist ein Wunder, dass ich seit fünf Jahren an so vielen Abgründen der Revolution vorbei gekommen bin, ohne hineinzustürzen, dass ich noch lebe und dass ich ruhig mein Haupt auf das Kissen meiner nur zu zahlreichen Schriften lehnen kann, die alle gleicherweise dieselbe Philantropie atmen, vom gleichen Wunsch beseelt sind, meine Mitbürger glücklich und frei zu machen und die das Beil des Tyrannen nicht treffen wird. Ich sehe wohl, dass die Macht beinahe alle Menschen berauscht, dass alle, wie der Tyrann Dionysius von Syrakus gesagt hat: „Die Tyrannei ist eine schöne Grabschrift.“ Aber tröste dich, betrübte Witwe. Die Grabschrift deines armen Camille ist noch ruhmvoller, es ist die von Brutus und Cato. Oh! meine liebe Lucile, ich war geboren um Verse zu machen, um die Unglücklichen zu verteidigen, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="176"/> Augenblick lang den Schmerz einer solchen Trennung zum Bewusstsein bringt.</p> <p>Aber ein Schuldiger wäre nicht dein Gatte gewesen, und du hast mich nur deshalb geliebt, weil ich nur für das Glück meiner Mitbürger lebte … Man ruft mich ab …</p> <p>Eben haben mich die Untersuchungsrichter vom Revolutionstribunal verhört. Es wurde nur diese Frage an mich gestellt: „Ob ich gegen die Republik konspiriert habe?“ Welcher Hohn! Und man darf so den reinsten Republikanismus beschimpfen? Ich sehe das Schicksal, das mich erwartet. Adieu, meine Lucile, meine teuere Lolotte. Sag’ auch meinem Vater ein Lebewohl von mir. Du siehst in mir ein Beispiel der Barbarei und Undankbarkeit der Menschen.</p> <p>Meine letzten Augenblicke werden dir nicht Schande machen. Du siehst, dass meine Befürchtungen begründet waren, dass meine Vorahnungen immer begründet waren.</p> <p>Ich habe eine, durch ihre Tugenden himmlische Frau geheiratet, ich war ein guter Gatte, ein guter Sohn, ich würde auch ein guter Vater geworden sein. Ich nehme die Achtung und das Bedauern aller wahren Republikaner, aller Menschen, die Tugend und Freiheit hochstellen, mit mir. Ich sterbe mit 34 Jahren, aber es ist ein Wunder, dass ich seit fünf Jahren an so vielen Abgründen der Revolution vorbei gekommen bin, ohne hineinzustürzen, dass ich noch lebe und dass ich ruhig mein Haupt auf das Kissen meiner nur zu zahlreichen Schriften lehnen kann, die alle gleicherweise dieselbe Philantropie atmen, vom gleichen Wunsch beseelt sind, meine Mitbürger glücklich und frei zu machen und die das Beil des Tyrannen nicht treffen wird.</p> <p>Ich sehe wohl, dass die Macht beinahe alle Menschen berauscht, dass alle, wie der Tyrann Dionysius von Syrakus gesagt hat: „Die Tyrannei ist eine schöne Grabschrift.“ Aber tröste dich, betrübte Witwe. Die Grabschrift deines armen Camille ist noch ruhmvoller, es ist die von Brutus und Cato. Oh! meine liebe Lucile, ich war geboren um Verse zu machen, um die Unglücklichen zu verteidigen, um </p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0196]
Augenblick lang den Schmerz einer solchen Trennung zum Bewusstsein bringt.
Aber ein Schuldiger wäre nicht dein Gatte gewesen, und du hast mich nur deshalb geliebt, weil ich nur für das Glück meiner Mitbürger lebte … Man ruft mich ab …
Eben haben mich die Untersuchungsrichter vom Revolutionstribunal verhört. Es wurde nur diese Frage an mich gestellt: „Ob ich gegen die Republik konspiriert habe?“ Welcher Hohn! Und man darf so den reinsten Republikanismus beschimpfen? Ich sehe das Schicksal, das mich erwartet. Adieu, meine Lucile, meine teuere Lolotte. Sag’ auch meinem Vater ein Lebewohl von mir. Du siehst in mir ein Beispiel der Barbarei und Undankbarkeit der Menschen.
Meine letzten Augenblicke werden dir nicht Schande machen. Du siehst, dass meine Befürchtungen begründet waren, dass meine Vorahnungen immer begründet waren.
Ich habe eine, durch ihre Tugenden himmlische Frau geheiratet, ich war ein guter Gatte, ein guter Sohn, ich würde auch ein guter Vater geworden sein. Ich nehme die Achtung und das Bedauern aller wahren Republikaner, aller Menschen, die Tugend und Freiheit hochstellen, mit mir. Ich sterbe mit 34 Jahren, aber es ist ein Wunder, dass ich seit fünf Jahren an so vielen Abgründen der Revolution vorbei gekommen bin, ohne hineinzustürzen, dass ich noch lebe und dass ich ruhig mein Haupt auf das Kissen meiner nur zu zahlreichen Schriften lehnen kann, die alle gleicherweise dieselbe Philantropie atmen, vom gleichen Wunsch beseelt sind, meine Mitbürger glücklich und frei zu machen und die das Beil des Tyrannen nicht treffen wird.
Ich sehe wohl, dass die Macht beinahe alle Menschen berauscht, dass alle, wie der Tyrann Dionysius von Syrakus gesagt hat: „Die Tyrannei ist eine schöne Grabschrift.“ Aber tröste dich, betrübte Witwe. Die Grabschrift deines armen Camille ist noch ruhmvoller, es ist die von Brutus und Cato. Oh! meine liebe Lucile, ich war geboren um Verse zu machen, um die Unglücklichen zu verteidigen, um
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