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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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ist. Ich wage es nicht auszusprechen, aber du bist der Einzige auf der Welt, der es würdigen kann, dass ich nicht böse bin, verhaftet zu sein!

Sie werden weniger wütend, weniger heftig gegen Roland sein, sagte ich mir. Wenn sie irgend einen Prozess versuchen, werde ich ihn in einer Weise zu unterstützen wissen, die seinem Ruhme nützen wird; es schien mir, dass ich ihm eine Entschädigung leistete, die ich seinem Kummer schuldig war, aber siehst du nicht auch, dass, indem ich mich allein befinde, ich mit dir verbleibe?

So opfere ich mich durch die Gefangenschaft meinem Gatten und erhalte mich meinem Freunde, ich schulde es dem Henker, die Pflicht und die Liebe in Uebereinstimmung setzen zu können. Beklage mich nicht! Die andern bewundern meinen Mut, aber sie kennen nicht meine Freuden; du, der sie fühlen musst, erhalte ihnen all ihren Reiz durch die Beharrlichkeit deines Mutes.

Diese liebenswürdige Frau Goussard! Wie überrascht war ich, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umfangen zu fühlen, von ihren Tränen benetzt zu sein, zu sehen, wie sie zwei Briefe von dir aus ihrem Busen zog! Aber ich habe nie in Gegenwart eines Dritten zu lesen vermocht und ich hatte die Undankbarkeit, ihren Besuch lang zu finden, sie wollte eine Zeile von meiner Hand mitnehmen, ich fand es nicht leichter, dir unter ihren Augen zu schreiben und ich ärgerte mich fast über ihren dienstbeflissenen Eifer.

Mein Freund, dein Brief vom 15. zeigt mir jenen männlichen Ton, an dem ich eine stolze und freie Seele erkenne, die mit grossen Plänen beschäftigt ist, erhaben über das Schicksal, fähig der grossherzigsten Entschlüsse, der begründetsten Bestrebungen, ich habe darin meinen Freund wiedererkannt, ich habe alle Gefühle, die mich an ihn binden, erneuert. Der Brief vom 17. ist sehr traurig! Mit welch düsteren Gedanken schliesst er! Nun! wahrlich, es ist sehr wichtig zu wissen, ob eine gewisse Frau nach

ist. Ich wage es nicht auszusprechen, aber du bist der Einzige auf der Welt, der es würdigen kann, dass ich nicht böse bin, verhaftet zu sein!

Sie werden weniger wütend, weniger heftig gegen Roland sein, sagte ich mir. Wenn sie irgend einen Prozess versuchen, werde ich ihn in einer Weise zu unterstützen wissen, die seinem Ruhme nützen wird; es schien mir, dass ich ihm eine Entschädigung leistete, die ich seinem Kummer schuldig war, aber siehst du nicht auch, dass, indem ich mich allein befinde, ich mit dir verbleibe?

So opfere ich mich durch die Gefangenschaft meinem Gatten und erhalte mich meinem Freunde, ich schulde es dem Henker, die Pflicht und die Liebe in Uebereinstimmung setzen zu können. Beklage mich nicht! Die andern bewundern meinen Mut, aber sie kennen nicht meine Freuden; du, der sie fühlen musst, erhalte ihnen all ihren Reiz durch die Beharrlichkeit deines Mutes.

Diese liebenswürdige Frau Goussard! Wie überrascht war ich, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umfangen zu fühlen, von ihren Tränen benetzt zu sein, zu sehen, wie sie zwei Briefe von dir aus ihrem Busen zog! Aber ich habe nie in Gegenwart eines Dritten zu lesen vermocht und ich hatte die Undankbarkeit, ihren Besuch lang zu finden, sie wollte eine Zeile von meiner Hand mitnehmen, ich fand es nicht leichter, dir unter ihren Augen zu schreiben und ich ärgerte mich fast über ihren dienstbeflissenen Eifer.

Mein Freund, dein Brief vom 15. zeigt mir jenen männlichen Ton, an dem ich eine stolze und freie Seele erkenne, die mit grossen Plänen beschäftigt ist, erhaben über das Schicksal, fähig der grossherzigsten Entschlüsse, der begründetsten Bestrebungen, ich habe darin meinen Freund wiedererkannt, ich habe alle Gefühle, die mich an ihn binden, erneuert. Der Brief vom 17. ist sehr traurig! Mit welch düsteren Gedanken schliesst er! Nun! wahrlich, es ist sehr wichtig zu wissen, ob eine gewisse Frau nach

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[154/0173] ist. Ich wage es nicht auszusprechen, aber du bist der Einzige auf der Welt, der es würdigen kann, dass ich nicht böse bin, verhaftet zu sein! Sie werden weniger wütend, weniger heftig gegen Roland sein, sagte ich mir. Wenn sie irgend einen Prozess versuchen, werde ich ihn in einer Weise zu unterstützen wissen, die seinem Ruhme nützen wird; es schien mir, dass ich ihm eine Entschädigung leistete, die ich seinem Kummer schuldig war, aber siehst du nicht auch, dass, indem ich mich allein befinde, ich mit dir verbleibe? So opfere ich mich durch die Gefangenschaft meinem Gatten und erhalte mich meinem Freunde, ich schulde es dem Henker, die Pflicht und die Liebe in Uebereinstimmung setzen zu können. Beklage mich nicht! Die andern bewundern meinen Mut, aber sie kennen nicht meine Freuden; du, der sie fühlen musst, erhalte ihnen all ihren Reiz durch die Beharrlichkeit deines Mutes. Diese liebenswürdige Frau Goussard! Wie überrascht war ich, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umfangen zu fühlen, von ihren Tränen benetzt zu sein, zu sehen, wie sie zwei Briefe von dir aus ihrem Busen zog! Aber ich habe nie in Gegenwart eines Dritten zu lesen vermocht und ich hatte die Undankbarkeit, ihren Besuch lang zu finden, sie wollte eine Zeile von meiner Hand mitnehmen, ich fand es nicht leichter, dir unter ihren Augen zu schreiben und ich ärgerte mich fast über ihren dienstbeflissenen Eifer. Mein Freund, dein Brief vom 15. zeigt mir jenen männlichen Ton, an dem ich eine stolze und freie Seele erkenne, die mit grossen Plänen beschäftigt ist, erhaben über das Schicksal, fähig der grossherzigsten Entschlüsse, der begründetsten Bestrebungen, ich habe darin meinen Freund wiedererkannt, ich habe alle Gefühle, die mich an ihn binden, erneuert. Der Brief vom 17. ist sehr traurig! Mit welch düsteren Gedanken schliesst er! Nun! wahrlich, es ist sehr wichtig zu wissen, ob eine gewisse Frau nach

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/173>, abgerufen am 24.11.2024.