Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

in Gefahr zu bringen, der alle Mühe aufgewendet hat, um meine Gefangenschaft zu erleichtern. Viele Leute sind im Irrtum und vermuten mich in der Conciergerie. Die Tatsache ist die, dass am darauffolgenden Morgen, als ich hieher kam, eine andere Frau meines Namens von hier an jenen Orte transferiert wurde. Ich bewohne dasselbe Zimmer und benütze dasselbe Bett, das sie inne gehabt hat. Mein guter Plutarch, mit dem ich meine Musse erheitere, würde nicht Verfehlen, darin Vorbedeutungen zu erblicken. Die Frau war Angelique Desilles, die Frau von Roland de la Fauchaie, die Schwester desjenigen, der in Nancy ruhmvoll gestorben ist und die vorgestern im Alter von vierundzwanzig Jahren mit grossem Mute am Schafott ihr Leben ausgehaucht hat. Der von amtswegen bestellte Verteidiger beschwor selbst die Unschuld dieses Opfers, dessen sanftes, glücklich gebildetes Gesicht eine schöne Seele verriet.

Ich habe meine ersten Tage dazu benützt, einige Notizen zu schreiben, die dir einstens Freude machen werden; ich habe sie sicheren Händen anvertraut und ich werde dich verständigen, wo sie sich befinden, damit sie dir in allen Fällen nicht unbekannt bleiben. Ich habe meinen Thompson (er ist mir mehr denn in einer Hinsicht teuer), dann Shaftsbury, ein englisches Wörterbuch, Tacitus und Plutarch. Ich führe hier das gleiche Leben, das ich in meinem kleinen Zimmer im Ministerpalais oder sonstwo geführt habe, es ist kein grosser Unterschied. Ich hätte mir ein Musikinstrument kommen lassen, wenn ich nicht das Aufsehen gefürchtet hätte. Ich bewohne eine Zelle von ungefähr zehn Fuss im Quadrat, dort hinter den Gittern und Riegeln erfreue ich mich der Unabhängigkeit der Gedanken, ich rufe mir die mir teuren Menschen in die Erinnerung, ich bin mit meinem Gewissen ruhiger, als meine Bedrücker es mit ihrer Herrschaft sind. Wirst du es glauben, dass mir der heuchlerische Pache hat sagen lassen, dass er von meiner Lage sehr traurig berührt sei. "Sagen Sie ihm, dass ich keine beleidigenden Höflichkeitsbezeugungen annehme,

in Gefahr zu bringen, der alle Mühe aufgewendet hat, um meine Gefangenschaft zu erleichtern. Viele Leute sind im Irrtum und vermuten mich in der Conciergerie. Die Tatsache ist die, dass am darauffolgenden Morgen, als ich hieher kam, eine andere Frau meines Namens von hier an jenen Orte transferiert wurde. Ich bewohne dasselbe Zimmer und benütze dasselbe Bett, das sie inne gehabt hat. Mein guter Plutarch, mit dem ich meine Musse erheitere, würde nicht Verfehlen, darin Vorbedeutungen zu erblicken. Die Frau war Angélique Desilles, die Frau von Roland de la Fauchaie, die Schwester desjenigen, der in Nancy ruhmvoll gestorben ist und die vorgestern im Alter von vierundzwanzig Jahren mit grossem Mute am Schafott ihr Leben ausgehaucht hat. Der von amtswegen bestellte Verteidiger beschwor selbst die Unschuld dieses Opfers, dessen sanftes, glücklich gebildetes Gesicht eine schöne Seele verriet.

Ich habe meine ersten Tage dazu benützt, einige Notizen zu schreiben, die dir einstens Freude machen werden; ich habe sie sicheren Händen anvertraut und ich werde dich verständigen, wo sie sich befinden, damit sie dir in allen Fällen nicht unbekannt bleiben. Ich habe meinen Thompson (er ist mir mehr denn in einer Hinsicht teuer), dann Shaftsbury, ein englisches Wörterbuch, Tacitus und Plutarch. Ich führe hier das gleiche Leben, das ich in meinem kleinen Zimmer im Ministerpalais oder sonstwo geführt habe, es ist kein grosser Unterschied. Ich hätte mir ein Musikinstrument kommen lassen, wenn ich nicht das Aufsehen gefürchtet hätte. Ich bewohne eine Zelle von ungefähr zehn Fuss im Quadrat, dort hinter den Gittern und Riegeln erfreue ich mich der Unabhängigkeit der Gedanken, ich rufe mir die mir teuren Menschen in die Erinnerung, ich bin mit meinem Gewissen ruhiger, als meine Bedrücker es mit ihrer Herrschaft sind. Wirst du es glauben, dass mir der heuchlerische Pache hat sagen lassen, dass er von meiner Lage sehr traurig berührt sei. „Sagen Sie ihm, dass ich keine beleidigenden Höflichkeitsbezeugungen annehme,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="152"/>
in Gefahr zu bringen, der alle Mühe aufgewendet hat, um meine Gefangenschaft zu erleichtern. Viele Leute sind im Irrtum und vermuten mich in der Conciergerie. Die Tatsache ist die, dass am darauffolgenden Morgen, als ich hieher kam, eine andere Frau meines Namens von hier an jenen Orte transferiert wurde. Ich bewohne dasselbe Zimmer und benütze dasselbe Bett, das sie inne gehabt hat. Mein guter Plutarch, mit dem ich meine Musse erheitere, würde nicht Verfehlen, darin Vorbedeutungen zu erblicken. Die Frau war Angélique Desilles, die Frau von Roland de la Fauchaie, die Schwester desjenigen, der in Nancy ruhmvoll gestorben ist und die vorgestern im Alter von vierundzwanzig Jahren mit grossem Mute am Schafott ihr Leben ausgehaucht hat. Der von amtswegen bestellte Verteidiger beschwor selbst die Unschuld dieses Opfers, dessen sanftes, glücklich gebildetes Gesicht eine schöne Seele verriet.</p>
        <p>Ich habe meine ersten Tage dazu benützt, einige Notizen zu schreiben, die dir einstens Freude machen werden; ich habe sie sicheren Händen anvertraut und ich werde dich verständigen, wo sie sich befinden, damit sie dir in allen Fällen nicht unbekannt bleiben. Ich habe meinen Thompson (er ist mir mehr denn in einer Hinsicht teuer), dann Shaftsbury, ein englisches Wörterbuch, Tacitus und Plutarch. Ich führe hier das gleiche Leben, das ich in meinem kleinen Zimmer im Ministerpalais oder sonstwo geführt habe, es ist kein grosser Unterschied. Ich hätte mir ein Musikinstrument kommen lassen, wenn ich nicht das Aufsehen gefürchtet hätte. Ich bewohne eine Zelle von ungefähr zehn Fuss im Quadrat, dort hinter den Gittern und Riegeln erfreue ich mich der Unabhängigkeit der Gedanken, ich rufe mir die mir teuren Menschen in die Erinnerung, ich bin mit meinem Gewissen ruhiger, als meine Bedrücker es mit ihrer Herrschaft sind. Wirst du es glauben, dass mir der heuchlerische Pache hat sagen lassen, dass er von meiner Lage sehr traurig berührt sei. &#x201E;Sagen Sie ihm, dass ich keine beleidigenden Höflichkeitsbezeugungen annehme,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0171] in Gefahr zu bringen, der alle Mühe aufgewendet hat, um meine Gefangenschaft zu erleichtern. Viele Leute sind im Irrtum und vermuten mich in der Conciergerie. Die Tatsache ist die, dass am darauffolgenden Morgen, als ich hieher kam, eine andere Frau meines Namens von hier an jenen Orte transferiert wurde. Ich bewohne dasselbe Zimmer und benütze dasselbe Bett, das sie inne gehabt hat. Mein guter Plutarch, mit dem ich meine Musse erheitere, würde nicht Verfehlen, darin Vorbedeutungen zu erblicken. Die Frau war Angélique Desilles, die Frau von Roland de la Fauchaie, die Schwester desjenigen, der in Nancy ruhmvoll gestorben ist und die vorgestern im Alter von vierundzwanzig Jahren mit grossem Mute am Schafott ihr Leben ausgehaucht hat. Der von amtswegen bestellte Verteidiger beschwor selbst die Unschuld dieses Opfers, dessen sanftes, glücklich gebildetes Gesicht eine schöne Seele verriet. Ich habe meine ersten Tage dazu benützt, einige Notizen zu schreiben, die dir einstens Freude machen werden; ich habe sie sicheren Händen anvertraut und ich werde dich verständigen, wo sie sich befinden, damit sie dir in allen Fällen nicht unbekannt bleiben. Ich habe meinen Thompson (er ist mir mehr denn in einer Hinsicht teuer), dann Shaftsbury, ein englisches Wörterbuch, Tacitus und Plutarch. Ich führe hier das gleiche Leben, das ich in meinem kleinen Zimmer im Ministerpalais oder sonstwo geführt habe, es ist kein grosser Unterschied. Ich hätte mir ein Musikinstrument kommen lassen, wenn ich nicht das Aufsehen gefürchtet hätte. Ich bewohne eine Zelle von ungefähr zehn Fuss im Quadrat, dort hinter den Gittern und Riegeln erfreue ich mich der Unabhängigkeit der Gedanken, ich rufe mir die mir teuren Menschen in die Erinnerung, ich bin mit meinem Gewissen ruhiger, als meine Bedrücker es mit ihrer Herrschaft sind. Wirst du es glauben, dass mir der heuchlerische Pache hat sagen lassen, dass er von meiner Lage sehr traurig berührt sei. „Sagen Sie ihm, dass ich keine beleidigenden Höflichkeitsbezeugungen annehme,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/171
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/171>, abgerufen am 24.11.2024.