Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.ihrer Tochter und ruft mit einemmale aus: "Aber mein Gott! Ich bin ja eine Gefangene und sie lebt fern von mir. Ich wage es nicht einmal, sie zu mir kommen zu lassen, um sie an mein Herz zu drücken. Der Hass stellt selbst den Kindern jener, die die Tyrannei verfolgt, nach und das meine erscheint kaum in den Strassen mit seinem jungfräulichen Gesichte, mit seinen schönen, blonden Haaren, ohne dass diese lauernden Geschöpfe, zur Lüge abgerichtet oder von ihr verführt, auf sie, als den Sprössling eines Verschwörers, aufmerksam machen. Die Grausamen! Wie sie es verstehen, das Herz einer Mutter zu zerreissen!" Ein Aufseher kommt eines Morgens in Madame Rolands Stube, er blickt erregt umher, geht und klagt sie an, zählt die Erleichterungen auf, die ihr Madame Bouchaud verschafft. Diese sagt, dass Madame Roland krank sei, dass sie sie deshalb in ihre Nähe gebracht habe, um sie leichter pflegen zu können, überdies spiele sie häufig Klavier, das Instrument hätte aber in ihrer Zelle keinen Platz! Sie wird eben darauf verzichten müssen, sagte der Aufseher und gab den Befehl, dass Madame Roland sofort wieder in ihre Zelle zu gehen habe, und dass die Kerkermeisterin die Gleichheit aufrecht zu erhalten hätte! "Gleichheit" nannte er es, wenn Madame Roland mit Dirnen zusammengesperrt wurde! Madame Bouchaud war trauriger, als man es zu schildern vermag. Madame Roland tröstete sie, indem sie ihr viel Ruhe und Ergebung in das Schicksal zeigte. Sie kamen überein, dass Madame Roland im Laufe des Tages wieder hinunterkommen würde, um frische Luft zu schöpfen und sich mit ihren Arbeiten zu zerstreuen. Im Zimmer, das sie bewohnt hatte, blieb alles unberührt. Indessen füllten sich die Zellen, wo Madame Roland leben musste, mit andern Frauen, mit denen zu verkehren keine Schande bedeutete; mit einigen von ihnen verkehrte Madame Roland sogar sehr gerne. Am Tag von Brissots Hinrichtung wurde Madame ihrer Tochter und ruft mit einemmale aus: „Aber mein Gott! Ich bin ja eine Gefangene und sie lebt fern von mir. Ich wage es nicht einmal, sie zu mir kommen zu lassen, um sie an mein Herz zu drücken. Der Hass stellt selbst den Kindern jener, die die Tyrannei verfolgt, nach und das meine erscheint kaum in den Strassen mit seinem jungfräulichen Gesichte, mit seinen schönen, blonden Haaren, ohne dass diese lauernden Geschöpfe, zur Lüge abgerichtet oder von ihr verführt, auf sie, als den Sprössling eines Verschwörers, aufmerksam machen. Die Grausamen! Wie sie es verstehen, das Herz einer Mutter zu zerreissen!“ Ein Aufseher kommt eines Morgens in Madame Rolands Stube, er blickt erregt umher, geht und klagt sie an, zählt die Erleichterungen auf, die ihr Madame Bouchaud verschafft. Diese sagt, dass Madame Roland krank sei, dass sie sie deshalb in ihre Nähe gebracht habe, um sie leichter pflegen zu können, überdies spiele sie häufig Klavier, das Instrument hätte aber in ihrer Zelle keinen Platz! Sie wird eben darauf verzichten müssen, sagte der Aufseher und gab den Befehl, dass Madame Roland sofort wieder in ihre Zelle zu gehen habe, und dass die Kerkermeisterin die Gleichheit aufrecht zu erhalten hätte! „Gleichheit“ nannte er es, wenn Madame Roland mit Dirnen zusammengesperrt wurde! Madame Bouchaud war trauriger, als man es zu schildern vermag. Madame Roland tröstete sie, indem sie ihr viel Ruhe und Ergebung in das Schicksal zeigte. Sie kamen überein, dass Madame Roland im Laufe des Tages wieder hinunterkommen würde, um frische Luft zu schöpfen und sich mit ihren Arbeiten zu zerstreuen. Im Zimmer, das sie bewohnt hatte, blieb alles unberührt. Indessen füllten sich die Zellen, wo Madame Roland leben musste, mit andern Frauen, mit denen zu verkehren keine Schande bedeutete; mit einigen von ihnen verkehrte Madame Roland sogar sehr gerne. Am Tag von Brissots Hinrichtung wurde Madame <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="132"/> ihrer Tochter und ruft mit einemmale aus: „Aber mein Gott! Ich bin ja eine Gefangene und sie lebt fern von mir. Ich wage es nicht einmal, sie zu mir kommen zu lassen, um sie an mein Herz zu drücken. Der Hass stellt selbst den Kindern jener, die die Tyrannei verfolgt, nach und das meine erscheint kaum in den Strassen mit seinem jungfräulichen Gesichte, mit seinen schönen, blonden Haaren, ohne dass diese lauernden Geschöpfe, zur Lüge abgerichtet oder von ihr verführt, auf sie, als den Sprössling eines Verschwörers, aufmerksam machen. Die Grausamen! Wie sie es verstehen, das Herz einer Mutter zu zerreissen!“</p> <p>Ein Aufseher kommt eines Morgens in Madame Rolands Stube, er blickt erregt umher, geht und klagt sie an, zählt die Erleichterungen auf, die ihr Madame Bouchaud verschafft. Diese sagt, dass Madame Roland krank sei, dass sie sie deshalb in ihre Nähe gebracht habe, um sie leichter pflegen zu können, überdies spiele sie häufig Klavier, das Instrument hätte aber in ihrer Zelle keinen Platz! Sie wird eben darauf verzichten müssen, sagte der Aufseher und gab den Befehl, dass Madame Roland sofort wieder in ihre Zelle zu gehen habe, und dass die Kerkermeisterin die Gleichheit aufrecht zu erhalten hätte!</p> <p>„Gleichheit“ nannte er es, wenn Madame Roland mit Dirnen zusammengesperrt wurde! Madame Bouchaud war trauriger, als man es zu schildern vermag. Madame Roland tröstete sie, indem sie ihr viel Ruhe und Ergebung in das Schicksal zeigte. Sie kamen überein, dass Madame Roland im Laufe des Tages wieder hinunterkommen würde, um frische Luft zu schöpfen und sich mit ihren Arbeiten zu zerstreuen. Im Zimmer, das sie bewohnt hatte, blieb alles unberührt.</p> <p>Indessen füllten sich die Zellen, wo Madame Roland leben musste, mit andern Frauen, mit denen zu verkehren keine Schande bedeutete; mit einigen von ihnen verkehrte Madame Roland sogar sehr gerne.</p> <p>Am Tag von Brissots Hinrichtung wurde Madame </p> </div> </body> </text> </TEI> [132/0151]
ihrer Tochter und ruft mit einemmale aus: „Aber mein Gott! Ich bin ja eine Gefangene und sie lebt fern von mir. Ich wage es nicht einmal, sie zu mir kommen zu lassen, um sie an mein Herz zu drücken. Der Hass stellt selbst den Kindern jener, die die Tyrannei verfolgt, nach und das meine erscheint kaum in den Strassen mit seinem jungfräulichen Gesichte, mit seinen schönen, blonden Haaren, ohne dass diese lauernden Geschöpfe, zur Lüge abgerichtet oder von ihr verführt, auf sie, als den Sprössling eines Verschwörers, aufmerksam machen. Die Grausamen! Wie sie es verstehen, das Herz einer Mutter zu zerreissen!“
Ein Aufseher kommt eines Morgens in Madame Rolands Stube, er blickt erregt umher, geht und klagt sie an, zählt die Erleichterungen auf, die ihr Madame Bouchaud verschafft. Diese sagt, dass Madame Roland krank sei, dass sie sie deshalb in ihre Nähe gebracht habe, um sie leichter pflegen zu können, überdies spiele sie häufig Klavier, das Instrument hätte aber in ihrer Zelle keinen Platz! Sie wird eben darauf verzichten müssen, sagte der Aufseher und gab den Befehl, dass Madame Roland sofort wieder in ihre Zelle zu gehen habe, und dass die Kerkermeisterin die Gleichheit aufrecht zu erhalten hätte!
„Gleichheit“ nannte er es, wenn Madame Roland mit Dirnen zusammengesperrt wurde! Madame Bouchaud war trauriger, als man es zu schildern vermag. Madame Roland tröstete sie, indem sie ihr viel Ruhe und Ergebung in das Schicksal zeigte. Sie kamen überein, dass Madame Roland im Laufe des Tages wieder hinunterkommen würde, um frische Luft zu schöpfen und sich mit ihren Arbeiten zu zerstreuen. Im Zimmer, das sie bewohnt hatte, blieb alles unberührt.
Indessen füllten sich die Zellen, wo Madame Roland leben musste, mit andern Frauen, mit denen zu verkehren keine Schande bedeutete; mit einigen von ihnen verkehrte Madame Roland sogar sehr gerne.
Am Tag von Brissots Hinrichtung wurde Madame
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