Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine Zeitlang war Madame Roland krank und lag im Spital. Monate waren seit ihrer Internierung in der Abbaye vergangen. Die ganze Zeit, selbst die ihrer Krankheit, war mit Studium und Arbeit ausgefüllt. Um diese Zeit kam Madame Louvet, von der Madame Roland sagt, man könne wohl ihren Geist und ihre Kenntnisse nicht rühmen, sie verbinde aber die Anmut ihres Geschlechtes mit der Empfindsamkeit einer edlen Seele, die ihr den grössten Reiz verlieh und ihr grösster Vorzug war. Diese Frau fand Mittel und Wege, ins Gefängnis zu ihr zu dringen. "Wie sehr war ich erstaunt, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umschlungen, von ihren Tränen benetzt zu fühlen. Ich hielt sie für einen Engel, sie war auch einer, denn sie ist gut und schön, und sie hatte alles getan, um mir Nachrichten von meinem besten Freund (Buzot) zu bringen, sie ermöglichte es sogar, ihm meine Briefe zu übermitteln. Diese Tröstung trug dazu bei, mich meine Gefangenschaft vergessen zu machen".

Am gleichen Tage kam die Kerkermeistersfrau, um Madame Roland aufzufordern hinüber zu kommen, da ein Regierungsvertreter dort auf sie warte. Sie war eben leidend und lag zu Bett. Sie stand gleich auf und begab sich hinüber. Als sie ins Zimmer trat, fand sie zwei Männer, die ihr die Mitteilung machten, sie seien gekommen, um sie in Freiheit zu setzen. Die Mitteilung ging Madame Roland gar nicht nahe. Sie sagte, es sei ja alles recht, aber vor allem handle es sich darum, ihr zu ermöglichen, in ihre Wohnung zu gelangen, die gerichtlich versiegelt sei. Der Regierungsvertreter versprach ihr, dies im Laufe des Tages durchzusetzen. Er gab sich dann den Anschein, als verdiene er volles Vertrauen, sprach über dies und das und fragte schliesslich scheinbar ganz harmlos, ob sie nicht wisse, wo sich Roland befinde? Sie lächelte bei dieser Frage und sagte, dass sie nicht genug diskret gestellt sei, um eine Beantwortung zu verdienen. Die Unterhaltung wurde sehr langweilig, Madame Roland

Eine Zeitlang war Madame Roland krank und lag im Spital. Monate waren seit ihrer Internierung in der Abbaye vergangen. Die ganze Zeit, selbst die ihrer Krankheit, war mit Studium und Arbeit ausgefüllt. Um diese Zeit kam Madame Louvet, von der Madame Roland sagt, man könne wohl ihren Geist und ihre Kenntnisse nicht rühmen, sie verbinde aber die Anmut ihres Geschlechtes mit der Empfindsamkeit einer edlen Seele, die ihr den grössten Reiz verlieh und ihr grösster Vorzug war. Diese Frau fand Mittel und Wege, ins Gefängnis zu ihr zu dringen. „Wie sehr war ich erstaunt, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umschlungen, von ihren Tränen benetzt zu fühlen. Ich hielt sie für einen Engel, sie war auch einer, denn sie ist gut und schön, und sie hatte alles getan, um mir Nachrichten von meinem besten Freund (Buzot) zu bringen, sie ermöglichte es sogar, ihm meine Briefe zu übermitteln. Diese Tröstung trug dazu bei, mich meine Gefangenschaft vergessen zu machen“.

Am gleichen Tage kam die Kerkermeistersfrau, um Madame Roland aufzufordern hinüber zu kommen, da ein Regierungsvertreter dort auf sie warte. Sie war eben leidend und lag zu Bett. Sie stand gleich auf und begab sich hinüber. Als sie ins Zimmer trat, fand sie zwei Männer, die ihr die Mitteilung machten, sie seien gekommen, um sie in Freiheit zu setzen. Die Mitteilung ging Madame Roland gar nicht nahe. Sie sagte, es sei ja alles recht, aber vor allem handle es sich darum, ihr zu ermöglichen, in ihre Wohnung zu gelangen, die gerichtlich versiegelt sei. Der Regierungsvertreter versprach ihr, dies im Laufe des Tages durchzusetzen. Er gab sich dann den Anschein, als verdiene er volles Vertrauen, sprach über dies und das und fragte schliesslich scheinbar ganz harmlos, ob sie nicht wisse, wo sich Roland befinde? Sie lächelte bei dieser Frage und sagte, dass sie nicht genug diskret gestellt sei, um eine Beantwortung zu verdienen. Die Unterhaltung wurde sehr langweilig, Madame Roland

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0145" n="126"/>
        <p> Eine Zeitlang war Madame Roland krank und lag im Spital. Monate waren seit ihrer Internierung in der Abbaye vergangen. Die ganze Zeit, selbst die ihrer Krankheit, war mit Studium und Arbeit ausgefüllt. Um diese Zeit kam Madame Louvet, von der Madame Roland sagt, man könne wohl ihren Geist und ihre Kenntnisse nicht rühmen, sie verbinde aber die Anmut ihres Geschlechtes mit der Empfindsamkeit einer edlen Seele, die ihr den grössten Reiz verlieh und ihr grösster Vorzug war. Diese Frau fand Mittel und Wege, ins Gefängnis zu ihr zu dringen. &#x201E;Wie sehr war ich erstaunt, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umschlungen, von ihren Tränen benetzt zu fühlen. Ich hielt sie für einen Engel, sie war auch einer, denn sie ist gut und schön, und sie hatte alles getan, um mir Nachrichten von meinem besten Freund (Buzot) zu bringen, sie ermöglichte es sogar, ihm meine Briefe zu übermitteln. Diese Tröstung trug dazu bei, mich meine Gefangenschaft vergessen zu machen&#x201C;.</p>
        <p>Am gleichen Tage kam die Kerkermeistersfrau, um Madame Roland aufzufordern hinüber zu kommen, da ein Regierungsvertreter dort auf sie warte. Sie war eben leidend und lag zu Bett. Sie stand gleich auf und begab sich hinüber. Als sie ins Zimmer trat, fand sie zwei Männer, die ihr die Mitteilung machten, sie seien gekommen, um sie in Freiheit zu setzen. Die Mitteilung ging Madame Roland gar nicht nahe. Sie sagte, es sei ja alles recht, aber vor allem handle es sich darum, ihr zu ermöglichen, in ihre Wohnung zu gelangen, die gerichtlich versiegelt sei. Der Regierungsvertreter versprach ihr, dies im Laufe des Tages durchzusetzen. Er gab sich dann den Anschein, als verdiene er volles Vertrauen, sprach über dies und das und fragte schliesslich scheinbar ganz harmlos, ob sie nicht wisse, wo sich Roland befinde? Sie lächelte bei dieser Frage und sagte, dass sie nicht genug diskret gestellt sei, um eine Beantwortung zu verdienen. Die Unterhaltung wurde sehr langweilig, Madame Roland
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0145] Eine Zeitlang war Madame Roland krank und lag im Spital. Monate waren seit ihrer Internierung in der Abbaye vergangen. Die ganze Zeit, selbst die ihrer Krankheit, war mit Studium und Arbeit ausgefüllt. Um diese Zeit kam Madame Louvet, von der Madame Roland sagt, man könne wohl ihren Geist und ihre Kenntnisse nicht rühmen, sie verbinde aber die Anmut ihres Geschlechtes mit der Empfindsamkeit einer edlen Seele, die ihr den grössten Reiz verlieh und ihr grösster Vorzug war. Diese Frau fand Mittel und Wege, ins Gefängnis zu ihr zu dringen. „Wie sehr war ich erstaunt, ihr sanftes Gesicht zu sehen, mich von ihren Armen umschlungen, von ihren Tränen benetzt zu fühlen. Ich hielt sie für einen Engel, sie war auch einer, denn sie ist gut und schön, und sie hatte alles getan, um mir Nachrichten von meinem besten Freund (Buzot) zu bringen, sie ermöglichte es sogar, ihm meine Briefe zu übermitteln. Diese Tröstung trug dazu bei, mich meine Gefangenschaft vergessen zu machen“. Am gleichen Tage kam die Kerkermeistersfrau, um Madame Roland aufzufordern hinüber zu kommen, da ein Regierungsvertreter dort auf sie warte. Sie war eben leidend und lag zu Bett. Sie stand gleich auf und begab sich hinüber. Als sie ins Zimmer trat, fand sie zwei Männer, die ihr die Mitteilung machten, sie seien gekommen, um sie in Freiheit zu setzen. Die Mitteilung ging Madame Roland gar nicht nahe. Sie sagte, es sei ja alles recht, aber vor allem handle es sich darum, ihr zu ermöglichen, in ihre Wohnung zu gelangen, die gerichtlich versiegelt sei. Der Regierungsvertreter versprach ihr, dies im Laufe des Tages durchzusetzen. Er gab sich dann den Anschein, als verdiene er volles Vertrauen, sprach über dies und das und fragte schliesslich scheinbar ganz harmlos, ob sie nicht wisse, wo sich Roland befinde? Sie lächelte bei dieser Frage und sagte, dass sie nicht genug diskret gestellt sei, um eine Beantwortung zu verdienen. Die Unterhaltung wurde sehr langweilig, Madame Roland

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/145
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/145>, abgerufen am 24.11.2024.