Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.dessen, was sie selber ins Werk gesetzt hatten. Inmitten dieser Szenen, während Rolands zweitem Ministerium, war Madame Roland so recht eigentlich die Seele der Girondisten-Partei, so sehr sie sich auch immer dagegen sträubte, als wolle sie keine Frau der Politik sein. Rolands Gestalt bleibt verwischt in der gefährlichen Nachbarschaft der glänzendsten aller Frauen. Sie besitzt das Uebergewicht des Wortes und des Rates, die Ueberlegenheit des Geistes und der Inspiration, aus ihrer Feder fliessen die Proklamationen und Rundschreiben; nur eines übersah die geistsprühende Frau - wie sie durch all das ganz unbewusst ihren Mann einer gewissen Lächerlichkeit preisgab! Danton sagte einmal: "Man braucht Minister, die nicht mit den Augen ihrer Frau sehen." In Rolands zweites Ministerium fallen die berüchtigten Septembermorde. Schon am 1. September war in Paris das Gerücht von der Einnahme von Verdun verbreitet, und die Furcht, die Feinde könnten in spätestens drei Tagen vor Paris stehen, war allgemein. Die gesetzgebende Versammlung autorisierte daher die städtischen Behörden, Haussuchungen vorzunehmen und alles zu verhaften, was irgendwie verdächtig erschien. In solchen Augenblicken ist die aufgeregte und geängstigte Menge zu allem entschlossen; es ist die Frage, ob Roland, selbst wenn er grössere Energie entwickelt hätte, imstande gewesen wäre, den Mordszenen in den Gefängnissen Einhalt zu tun. Am 23. Januar 1793 nahm Roland seine Entlassung aus dem Ministerium, weil er sich hatte überzeugen müssen, dass er mit seinen Ansichten nicht durchdringen könne. Am liebsten hätte er Paris verlassen, doch fürchtete er, es könnte dadurch den Anschein gewinnen, als wolle er einem Rechenschaftsbericht aus dem Wege gehen, und so bezogen sie wieder ihre alte Wohnung in der Rue de la Harpe. In dieser Zeit hatte sich Madame Rolands Freundschaft für Buzot in Liebe verwandelt. Trotzdem zu damaliger Zeit Ehescheidungen und Wiederverheiratungen mehr denn je eine alltägliche Erscheinung geworden war, wollte Madame Roland ihren Mann dessen, was sie selber ins Werk gesetzt hatten. Inmitten dieser Szenen, während Rolands zweitem Ministerium, war Madame Roland so recht eigentlich die Seele der Girondisten-Partei, so sehr sie sich auch immer dagegen sträubte, als wolle sie keine Frau der Politik sein. Rolands Gestalt bleibt verwischt in der gefährlichen Nachbarschaft der glänzendsten aller Frauen. Sie besitzt das Uebergewicht des Wortes und des Rates, die Ueberlegenheit des Geistes und der Inspiration, aus ihrer Feder fliessen die Proklamationen und Rundschreiben; nur eines übersah die geistsprühende Frau – wie sie durch all das ganz unbewusst ihren Mann einer gewissen Lächerlichkeit preisgab! Danton sagte einmal: „Man braucht Minister, die nicht mit den Augen ihrer Frau sehen.“ In Rolands zweites Ministerium fallen die berüchtigten Septembermorde. Schon am 1. September war in Paris das Gerücht von der Einnahme von Verdun verbreitet, und die Furcht, die Feinde könnten in spätestens drei Tagen vor Paris stehen, war allgemein. Die gesetzgebende Versammlung autorisierte daher die städtischen Behörden, Haussuchungen vorzunehmen und alles zu verhaften, was irgendwie verdächtig erschien. In solchen Augenblicken ist die aufgeregte und geängstigte Menge zu allem entschlossen; es ist die Frage, ob Roland, selbst wenn er grössere Energie entwickelt hätte, imstande gewesen wäre, den Mordszenen in den Gefängnissen Einhalt zu tun. Am 23. Januar 1793 nahm Roland seine Entlassung aus dem Ministerium, weil er sich hatte überzeugen müssen, dass er mit seinen Ansichten nicht durchdringen könne. Am liebsten hätte er Paris verlassen, doch fürchtete er, es könnte dadurch den Anschein gewinnen, als wolle er einem Rechenschaftsbericht aus dem Wege gehen, und so bezogen sie wieder ihre alte Wohnung in der Rue de la Harpe. In dieser Zeit hatte sich Madame Rolands Freundschaft für Buzot in Liebe verwandelt. Trotzdem zu damaliger Zeit Ehescheidungen und Wiederverheiratungen mehr denn je eine alltägliche Erscheinung geworden war, wollte Madame Roland ihren Mann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121" n="102"/> dessen, was sie selber ins Werk gesetzt hatten. Inmitten dieser Szenen, während Rolands zweitem Ministerium, war Madame Roland so recht eigentlich die Seele der Girondisten-Partei, so sehr sie sich auch immer dagegen sträubte, als wolle sie keine Frau der Politik sein. Rolands Gestalt bleibt verwischt in der gefährlichen Nachbarschaft der glänzendsten aller Frauen. Sie besitzt das Uebergewicht des Wortes und des Rates, die Ueberlegenheit des Geistes und der Inspiration, aus ihrer Feder fliessen die Proklamationen und Rundschreiben; nur eines übersah die geistsprühende Frau – wie sie durch all das ganz unbewusst ihren Mann einer gewissen Lächerlichkeit preisgab! Danton sagte einmal: „Man braucht Minister, die nicht mit den Augen ihrer Frau sehen.“ In Rolands zweites Ministerium fallen die berüchtigten Septembermorde. Schon am 1. September war in Paris das Gerücht von der Einnahme von Verdun verbreitet, und die Furcht, die Feinde könnten in spätestens drei Tagen vor Paris stehen, war allgemein. Die gesetzgebende Versammlung autorisierte daher die städtischen Behörden, Haussuchungen vorzunehmen und alles zu verhaften, was irgendwie verdächtig erschien. In solchen Augenblicken ist die aufgeregte und geängstigte Menge zu allem entschlossen; es ist die Frage, ob Roland, selbst wenn er grössere Energie entwickelt hätte, imstande gewesen wäre, den Mordszenen in den Gefängnissen Einhalt zu tun. Am 23. Januar 1793 nahm Roland seine Entlassung aus dem Ministerium, weil er sich hatte überzeugen müssen, dass er mit seinen Ansichten nicht durchdringen könne. Am liebsten hätte er Paris verlassen, doch fürchtete er, es könnte dadurch den Anschein gewinnen, als wolle er einem Rechenschaftsbericht aus dem Wege gehen, und so bezogen sie wieder ihre alte Wohnung in der Rue de la Harpe. In dieser Zeit hatte sich Madame Rolands Freundschaft für Buzot in Liebe verwandelt. Trotzdem zu damaliger Zeit Ehescheidungen und Wiederverheiratungen mehr denn je eine alltägliche Erscheinung geworden war, wollte Madame Roland ihren Mann </p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0121]
dessen, was sie selber ins Werk gesetzt hatten. Inmitten dieser Szenen, während Rolands zweitem Ministerium, war Madame Roland so recht eigentlich die Seele der Girondisten-Partei, so sehr sie sich auch immer dagegen sträubte, als wolle sie keine Frau der Politik sein. Rolands Gestalt bleibt verwischt in der gefährlichen Nachbarschaft der glänzendsten aller Frauen. Sie besitzt das Uebergewicht des Wortes und des Rates, die Ueberlegenheit des Geistes und der Inspiration, aus ihrer Feder fliessen die Proklamationen und Rundschreiben; nur eines übersah die geistsprühende Frau – wie sie durch all das ganz unbewusst ihren Mann einer gewissen Lächerlichkeit preisgab! Danton sagte einmal: „Man braucht Minister, die nicht mit den Augen ihrer Frau sehen.“ In Rolands zweites Ministerium fallen die berüchtigten Septembermorde. Schon am 1. September war in Paris das Gerücht von der Einnahme von Verdun verbreitet, und die Furcht, die Feinde könnten in spätestens drei Tagen vor Paris stehen, war allgemein. Die gesetzgebende Versammlung autorisierte daher die städtischen Behörden, Haussuchungen vorzunehmen und alles zu verhaften, was irgendwie verdächtig erschien. In solchen Augenblicken ist die aufgeregte und geängstigte Menge zu allem entschlossen; es ist die Frage, ob Roland, selbst wenn er grössere Energie entwickelt hätte, imstande gewesen wäre, den Mordszenen in den Gefängnissen Einhalt zu tun. Am 23. Januar 1793 nahm Roland seine Entlassung aus dem Ministerium, weil er sich hatte überzeugen müssen, dass er mit seinen Ansichten nicht durchdringen könne. Am liebsten hätte er Paris verlassen, doch fürchtete er, es könnte dadurch den Anschein gewinnen, als wolle er einem Rechenschaftsbericht aus dem Wege gehen, und so bezogen sie wieder ihre alte Wohnung in der Rue de la Harpe. In dieser Zeit hatte sich Madame Rolands Freundschaft für Buzot in Liebe verwandelt. Trotzdem zu damaliger Zeit Ehescheidungen und Wiederverheiratungen mehr denn je eine alltägliche Erscheinung geworden war, wollte Madame Roland ihren Mann
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