Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Manch eifrige Freundin der Revolution war in die politische Bahn gedrängt worden, weil ihr Freiheitsbedürfnis, das der Sensucht ihres eigenen Geschlechtes entsprang, sich mit dem allgemeinen Freiheitsrausch vereinigte. Die tätigen Revolutionärinnen Rose Lacombe und Olimpe de Gouges waren vor allem Kämpferinnen für die Rechte der Frau. Doch keine von allen, weder Madame Roland, deren geistige Bedeutung ein Goethe anerkannte, die Anteil an den Fragen der Tagespolitik nahm, noch die Tallien, die zu politischen Umwälzungen mit den Anstoss gab, noch Frau Bouquey, die sich in Kampf und Auflehnung gegen das herrschende Jakobinertum setzte, weil flüchtige Girondisten das Mitleid ihres Herzens weckten, ein Mitleid, fast so gross wie das der tapferen Frau Legros, die durch eine Tat des Mitleids die Bastille zerstören half, noch Charlotte Corday, die mit vollem Bewusstsein einen politischen Mord beging, noch die Frauen angefeindeter und verfolgter Staatsmänner, wie die Condorcet und Desmoulins, keine von ihnen ist über das Grab hinaus von den Freunden missverstanden, vom politischen Hass so besudelt worden, wie Theroigne de Mericourt. So interessant, abwechslungreich und tragisch das Leben der Theroigne de Mericourt auch ist, so ist es nicht minder wahr, dass man die Geschichte der französischen Revolution schreiben könnte, ohne sie zu erwähnen, ohne dass die Darstellung eine Lücke aufwiese. Denn alles, was die geschichtlichen Darstellungen bis nun zu ihrem politischen Ruhme behauptet haben, ist historisch unhaltbar. Sie soll eine der Ersten bei der Erstürmung der Bastille gewesen sein, man sah sie sogar einen der Thürme erklettern! Sie soll bei den Vorgängen des 5. und 6. Oktober die Hauptrolle gespielt haben!! Und doch beruht dies alles nur auf Erfindung. Im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erliegt eine Art Selbstbiographie, die Theroigne de Mericourt im Gefängnis von Kufstein zu ihrer Verteidigung Manch eifrige Freundin der Revolution war in die politische Bahn gedrängt worden, weil ihr Freiheitsbedürfnis, das der Sensucht ihres eigenen Geschlechtes entsprang, sich mit dem allgemeinen Freiheitsrausch vereinigte. Die tätigen Revolutionärinnen Rose Lacombe und Olimpe de Gouges waren vor allem Kämpferinnen für die Rechte der Frau. Doch keine von allen, weder Madame Roland, deren geistige Bedeutung ein Goethe anerkannte, die Anteil an den Fragen der Tagespolitik nahm, noch die Tallien, die zu politischen Umwälzungen mit den Anstoss gab, noch Frau Bouquey, die sich in Kampf und Auflehnung gegen das herrschende Jakobinertum setzte, weil flüchtige Girondisten das Mitleid ihres Herzens weckten, ein Mitleid, fast so gross wie das der tapferen Frau Legros, die durch eine Tat des Mitleids die Bastille zerstören half, noch Charlotte Corday, die mit vollem Bewusstsein einen politischen Mord beging, noch die Frauen angefeindeter und verfolgter Staatsmänner, wie die Condorcet und Desmoulins, keine von ihnen ist über das Grab hinaus von den Freunden missverstanden, vom politischen Hass so besudelt worden, wie Théroigne de Méricourt. So interessant, abwechslungreich und tragisch das Leben der Théroigne de Méricourt auch ist, so ist es nicht minder wahr, dass man die Geschichte der französischen Revolution schreiben könnte, ohne sie zu erwähnen, ohne dass die Darstellung eine Lücke aufwiese. Denn alles, was die geschichtlichen Darstellungen bis nun zu ihrem politischen Ruhme behauptet haben, ist historisch unhaltbar. Sie soll eine der Ersten bei der Erstürmung der Bastille gewesen sein, man sah sie sogar einen der Thürme erklettern! Sie soll bei den Vorgängen des 5. und 6. Oktober die Hauptrolle gespielt haben!! Und doch beruht dies alles nur auf Erfindung. Im k. k. 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Manch eifrige Freundin der Revolution war in die politische Bahn gedrängt worden, weil ihr Freiheitsbedürfnis, das der Sensucht ihres eigenen Geschlechtes entsprang, sich mit dem allgemeinen Freiheitsrausch vereinigte. Die tätigen Revolutionärinnen Rose Lacombe und Olimpe de Gouges waren vor allem Kämpferinnen für die Rechte der Frau. Doch keine von allen, weder Madame Roland, deren geistige Bedeutung ein Goethe anerkannte, die Anteil an den Fragen der Tagespolitik nahm, noch die Tallien, die zu politischen Umwälzungen mit den Anstoss gab, noch Frau Bouquey, die sich in Kampf und Auflehnung gegen das herrschende Jakobinertum setzte, weil flüchtige Girondisten das Mitleid ihres Herzens weckten, ein Mitleid, fast so gross wie das der tapferen Frau Legros, die durch eine Tat des Mitleids die Bastille zerstören half, noch Charlotte Corday, die mit vollem Bewusstsein einen politischen Mord beging, noch die Frauen angefeindeter und verfolgter Staatsmänner, wie die Condorcet und Desmoulins, keine von ihnen ist über das Grab hinaus von den Freunden missverstanden, vom politischen Hass so besudelt worden, wie Théroigne de Méricourt.
So interessant, abwechslungreich und tragisch das Leben der Théroigne de Méricourt auch ist, so ist es nicht minder wahr, dass man die Geschichte der französischen Revolution schreiben könnte, ohne sie zu erwähnen, ohne dass die Darstellung eine Lücke aufwiese. Denn alles, was die geschichtlichen Darstellungen bis nun zu ihrem politischen Ruhme behauptet haben, ist historisch unhaltbar. Sie soll eine der Ersten bei der Erstürmung der Bastille gewesen sein, man sah sie sogar einen der Thürme erklettern! Sie soll bei den Vorgängen des 5. und 6. Oktober die Hauptrolle gespielt haben!! Und doch beruht dies alles nur auf Erfindung.
Im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erliegt eine Art Selbstbiographie, die Théroigne de Méricourt im Gefängnis von Kufstein zu ihrer Verteidigung
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