deutlich erhellet. In der That, wenn wir bedenken, daß die elektrische Materie Muskeln in Bewegung gebracht, vom Schlage gelähmte Glieder gestärkt, ja sogar bey vie- len, deren Lähmungen nicht aus dem Rückenmark ent- sprangen, die Lebenskraft und Bewegung wiederhergestel- let hat, ist dies nicht ein überzeugender Beweiß, daß die Ursache, welche die Muskeln in Bewegung setzt, mit dem- jenigen Fluidum einerley sey, welches wir durch die Elek- trisirmaschine einsammlen?
Da die Arzneykunde kein Universalmittel kennt, so können wir auch nicht annehmen, daß die Elektricität alle Krankheiten, gegen welche sie gebraucht wird, hebe. Ihre Wirkung wird immer im Verhältniß der Disposition des Kranken, und der Talente des Arztes stärker oder schwä- cher seyn; daher man sich auch gar nicht verwundern darf, wenn viele Krankheiten ihr den hartnäckigsten Widerstand gethan haben, und andere nur in einigem Grade gesindert worden sind, oder wenn der Fortgang der Cur oft durch Ungedult oder Vorurtheil des Kranken gehemmet worden ist. Man muß hierbey dennoch eingestehen, daß der Fort- gang der medicinischen Elektricität, selbst in ihrer Kind- heit, und da sie noch mit Furcht, Vorurtheil und Eigen- nutz zu kämpfen hatte, in der That groß war, und daß wir uns jetzt die größte Hoffnung einer beträchtlichen Er- weiterung derselben machen künnen, da sie durch Aerzte von den ausgezeichnetsten Verdiensten bearbeitet und be- fördert wird.
203. Versuch.
Dieser Versuch zeigt, daß man die Elektricität durch Wärme und Kälte in Bewegung setzen könne. Er schreibt sich ursprünglich von Canton her. Dieser nahm einige dünne Glaskugeln von etwa 11/2 Zoll Durchmesser, mit 8 - 9 Zoll langen Stielen oder Röhren, elektrisirte sie, einige auf der innern Seite positiv, andere negativ, und verschloß sie hermetrisch. Bald hierauf brachte er diese Bälle gegen das Elektrometer, und konnte nicht das ge-
Funfzehntes Capitel.
deutlich erhellet. In der That, wenn wir bedenken, daß die elektriſche Materie Muſkeln in Bewegung gebracht, vom Schlage gelähmte Glieder geſtärkt, ja ſogar bey vie- len, deren Lähmungen nicht aus dem Rückenmark ent- ſprangen, die Lebenskraft und Bewegung wiederhergeſtel- let hat, iſt dies nicht ein überzeugender Beweiß, daß die Urſache, welche die Muſkeln in Bewegung ſetzt, mit dem- jenigen Fluidum einerley ſey, welches wir durch die Elek- triſirmaſchine einſammlen?
Da die Arzneykunde kein Univerſalmittel kennt, ſo können wir auch nicht annehmen, daß die Elektricität alle Krankheiten, gegen welche ſie gebraucht wird, hebe. Ihre Wirkung wird immer im Verhältniß der Diſpoſition des Kranken, und der Talente des Arztes ſtärker oder ſchwä- cher ſeyn; daher man ſich auch gar nicht verwundern darf, wenn viele Krankheiten ihr den hartnäckigſten Widerſtand gethan haben, und andere nur in einigem Grade geſindert worden ſind, oder wenn der Fortgang der Cur oft durch Ungedult oder Vorurtheil des Kranken gehemmet worden iſt. Man muß hierbey dennoch eingeſtehen, daß der Fort- gang der mediciniſchen Elektricität, ſelbſt in ihrer Kind- heit, und da ſie noch mit Furcht, Vorurtheil und Eigen- nutz zu kämpfen hatte, in der That groß war, und daß wir uns jetzt die größte Hoffnung einer beträchtlichen Er- weiterung derſelben machen künnen, da ſie durch Aerzte von den ausgezeichnetſten Verdienſten bearbeitet und be- fördert wird.
203. Verſuch.
Dieſer Verſuch zeigt, daß man die Elektricität durch Wärme und Kälte in Bewegung ſetzen könne. Er ſchreibt ſich urſprünglich von Canton her. Dieſer nahm einige dünne Glaskugeln von etwa 1½ Zoll Durchmeſſer, mit 8 – 9 Zoll langen Stielen oder Röhren, elektriſirte ſie, einige auf der innern Seite poſitiv, andere negativ, und verſchloß ſie hermetriſch. Bald hierauf brachte er dieſe Bälle gegen das Elektrometer, und konnte nicht das ge-
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Funfzehntes Capitel.
deutlich erhellet. In der That, wenn wir bedenken, daß
die elektriſche Materie Muſkeln in Bewegung gebracht,
vom Schlage gelähmte Glieder geſtärkt, ja ſogar bey vie-
len, deren Lähmungen nicht aus dem Rückenmark ent-
ſprangen, die Lebenskraft und Bewegung wiederhergeſtel-
let hat, iſt dies nicht ein überzeugender Beweiß, daß die
Urſache, welche die Muſkeln in Bewegung ſetzt, mit dem-
jenigen Fluidum einerley ſey, welches wir durch die Elek-
triſirmaſchine einſammlen?
Da die Arzneykunde kein Univerſalmittel kennt, ſo
können wir auch nicht annehmen, daß die Elektricität alle
Krankheiten, gegen welche ſie gebraucht wird, hebe. Ihre
Wirkung wird immer im Verhältniß der Diſpoſition des
Kranken, und der Talente des Arztes ſtärker oder ſchwä-
cher ſeyn; daher man ſich auch gar nicht verwundern darf,
wenn viele Krankheiten ihr den hartnäckigſten Widerſtand
gethan haben, und andere nur in einigem Grade geſindert
worden ſind, oder wenn der Fortgang der Cur oft durch
Ungedult oder Vorurtheil des Kranken gehemmet worden
iſt. Man muß hierbey dennoch eingeſtehen, daß der Fort-
gang der mediciniſchen Elektricität, ſelbſt in ihrer Kind-
heit, und da ſie noch mit Furcht, Vorurtheil und Eigen-
nutz zu kämpfen hatte, in der That groß war, und daß
wir uns jetzt die größte Hoffnung einer beträchtlichen Er-
weiterung derſelben machen künnen, da ſie durch Aerzte
von den ausgezeichnetſten Verdienſten bearbeitet und be-
fördert wird.
203. Verſuch.
Dieſer Verſuch zeigt, daß man die Elektricität durch
Wärme und Kälte in Bewegung ſetzen könne. Er ſchreibt
ſich urſprünglich von Canton her. Dieſer nahm einige
dünne Glaskugeln von etwa 1½ Zoll Durchmeſſer, mit
8 – 9 Zoll langen Stielen oder Röhren, elektriſirte ſie,
einige auf der innern Seite poſitiv, andere negativ, und
verſchloß ſie hermetriſch. Bald hierauf brachte er dieſe
Bälle gegen das Elektrometer, und konnte nicht das ge-
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Elena Kirillova: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-18T11:17:52Z)
Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785/216>, abgerufen am 22.07.2024.
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