es darum, daß Sie mein Gut, den Schatten, den Sie Ihrer bloßen Ehrlichkeit anvertraut glaubten, mir diebischer Weise zu entwenden gesucht haben? Ich meinerseits hasse Sie darum nicht; ich finde ganz natürlich, daß Sie alle Ihre Vortheile, List und Gewalt geltend zu machen suchen; daß Sie übrigens die allerstrengsten Grundsätze haben und wie die Ehrlichkeit selbst denken, ist eine Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. -- Ich denke in der That nicht so streng als Sie; ich handle blos, wie Sie denken. Oder hab' ich Ihnen etwa irgend wann den Daumen auf die Gurgel gedrückt, um Ihre wertheste Seele, zu der ich einmal Lust habe, an mich zu brin- gen? Hab' ich von wegen meines ausgetauschten Seckels einen Diener auf Sie losgelassen? hab' ich Ihnen damit durchzu- gehen versucht?" Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern; er fuhr fort: "Schon recht, mein Herr, schon recht! Sie kön- nen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl, und ver- arge es Ihnen weiter nicht. Wir müssen scheiden, das ist klar, und auch Sie fangen an, mir sehr langweilig vorzu- kommen. Um sich also meiner ferneren beschämenden Gegen- wart völlig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab." -- Ich hielt ihm den Seckel hin: "Um den Preis" -- "Nein!" -- Ich seufzte schwer auf und nahm wieder das Wort: "Auch also. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns scheiden, vertreten Sie mir länger nicht den Weg auf einer Welt, die hoffentlich geräumig genug ist für uns beide." Er lächelte und erwiederte: "Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke darinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf seinen Vortheil in dieser Welt; Sie sehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar
es darum, daß Sie mein Gut, den Schatten, den Sie Ihrer bloßen Ehrlichkeit anvertraut glaubten, mir diebiſcher Weiſe zu entwenden geſucht haben? Ich meinerſeits haſſe Sie darum nicht; ich finde ganz natürlich, daß Sie alle Ihre Vortheile, Liſt und Gewalt geltend zu machen ſuchen; daß Sie übrigens die allerſtrengſten Grundſätze haben und wie die Ehrlichkeit ſelbſt denken, iſt eine Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. — Ich denke in der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich handle blos, wie Sie denken. Oder hab’ ich Ihnen etwa irgend wann den Daumen auf die Gurgel gedrückt, um Ihre wertheſte Seele, zu der ich einmal Luſt habe, an mich zu brin- gen? Hab’ ich von wegen meines ausgetauſchten Seckels einen Diener auf Sie losgelaſſen? hab’ ich Ihnen damit durchzu- gehen verſucht?« Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern; er fuhr fort: »Schon recht, mein Herr, ſchon recht! Sie kön- nen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl, und ver- arge es Ihnen weiter nicht. Wir müſſen ſcheiden, das iſt klar, und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig vorzu- kommen. Um ſich alſo meiner ferneren beſchämenden Gegen- wart völlig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab.« — Ich hielt ihm den Seckel hin: »Um den Preis« — »Nein!« — Ich ſeufzte ſchwer auf und nahm wieder das Wort: »Auch alſo. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns ſcheiden, vertreten Sie mir länger nicht den Weg auf einer Welt, die hoffentlich geräumig genug iſt für uns beide.« Er lächelte und erwiederte: »Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthänigſten Knecht tragen ſollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu ſchütteln, daß die ewigen Goldſtücke darinnen raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf ſeinen Vortheil in dieſer Welt; Sie ſehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar
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[63/0081]
es darum, daß Sie mein Gut, den Schatten, den Sie Ihrer
bloßen Ehrlichkeit anvertraut glaubten, mir diebiſcher Weiſe
zu entwenden geſucht haben? Ich meinerſeits haſſe Sie darum
nicht; ich finde ganz natürlich, daß Sie alle Ihre Vortheile,
Liſt und Gewalt geltend zu machen ſuchen; daß Sie übrigens
die allerſtrengſten Grundſätze haben und wie die Ehrlichkeit
ſelbſt denken, iſt eine Liebhaberei, wogegen ich auch nichts
habe. — Ich denke in der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich
handle blos, wie Sie denken. Oder hab’ ich Ihnen etwa
irgend wann den Daumen auf die Gurgel gedrückt, um Ihre
wertheſte Seele, zu der ich einmal Luſt habe, an mich zu brin-
gen? Hab’ ich von wegen meines ausgetauſchten Seckels einen
Diener auf Sie losgelaſſen? hab’ ich Ihnen damit durchzu-
gehen verſucht?« Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern; er
fuhr fort: »Schon recht, mein Herr, ſchon recht! Sie kön-
nen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl, und ver-
arge es Ihnen weiter nicht. Wir müſſen ſcheiden, das iſt
klar, und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig vorzu-
kommen. Um ſich alſo meiner ferneren beſchämenden Gegen-
wart völlig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch einmal:
Kaufen Sie mir das Ding ab.« — Ich hielt ihm den Seckel
hin: »Um den Preis« — »Nein!« — Ich ſeufzte ſchwer auf
und nahm wieder das Wort: »Auch alſo. Ich dringe darauf,
mein Herr, laßt uns ſcheiden, vertreten Sie mir länger nicht
den Weg auf einer Welt, die hoffentlich geräumig genug iſt
für uns beide.« Er lächelte und erwiederte: »Ich gehe,
mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie
mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem
unterthänigſten Knecht tragen ſollten: Sie brauchen nur
Ihren Seckel zu ſchütteln, daß die ewigen Goldſtücke darinnen
raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/81>, abgerufen am 29.07.2024.
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