Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.Den Gatten, den nunmehr ein schneller Pfeil gerührt, Den Gatten, den der Raub von Agar und Weyh entführt, Durch Sträucher, Feld und Fels, in Höhen, Höhl und Gründen Zwar lange gnug gesucht; doch nirgends wieder finden. Jtzt zeigt der blasse Mund, wie meine Seele girrt, Da Liebe, Wunsch und Angst, als unter sich verirrt, Sich nach dem ersten Glück von Deinen Blicken sehnen; Und doch nichts anders sehn, als tausend tausend Thränen, Worzu ich Dir voraus Zeit Lebens zinsbar bin. Ach Du im Tode selbst noch meine Böttnerin, Jst das die Festigkeit von unserm Liebes-Bunde? Ach kömmt das Ende schon, kömmt schon die letzte Stunde? Wird die Verlobungs-Lust so jämmerlich vergällt? Wird, statt des Braut-Geräths, Dein Leichen-Bret bestellt? Wird aus dem Hochzeit-Mahl ein mattes Trauer-Essen? Und heißt mein Trauungs-Lied: Der HErr hat mein vergessen? O Schickung! Siehe da, wie streng und hart du bist, O wie betrübt mir nun dein erster Lust-Reitz ist! Du winkst, und lehrst mich selbst, so Lust, als Leben schöpfen: Jch folg; und finde doch nunmehr den Tod im Töpfen. Jch hofft ein Paradieß; und recht, ich hofft es nur: Denn bey dem letzten Schritt entziehst Du mir die Spur. Du selber führtest mich mit manchem Seegens-Blicke; Doch an der Schwelle selbst stößt mich dein Grimm zurücke. Du rühmst mir einen Kuß, den Treu und Tugend würtzt; Und machst doch, daß der Tod mir den Genutz verkürtzt. Was hilfft nun eine Braut von allen Tugend-Gaben, Wenn das so schröcklich ist, Sie nur gehabt zu haben? Was hilfft die Liebe selbst mit aller Lust und Macht; Ja wohl! Sie höhnt uns nur, ie freundlicher sie lacht. Sie giebt mit einer Hand; und nimmt iedoch mit beyden: Viel besser, nie geliebt, als lieben, und sich scheiden! So wimmern Mund und Hertz, da dieser Riß geschehn. Wie schwer ists Fleisch und Blut, nur etwas einzusehn, Warum des Himmels Hand, die sonst der Tugend lohnet, Nach Anemonen grast; und doch der Disteln schonet? War- B 3
Den Gatten, den nunmehr ein ſchneller Pfeil geruͤhrt, Den Gatten, den der Raub von Agar und Weyh entfuͤhrt, Durch Straͤucher, Feld und Fels, in Hoͤhen, Hoͤhl und Gruͤnden Zwar lange gnug geſucht; doch nirgends wieder finden. Jtzt zeigt der blaſſe Mund, wie meine Seele girrt, Da Liebe, Wunſch und Angſt, als unter ſich verirrt, Sich nach dem erſten Gluͤck von Deinen Blicken ſehnen; Und doch nichts anders ſehn, als tauſend tauſend Thraͤnen, Worzu ich Dir voraus Zeit Lebens zinsbar bin. Ach Du im Tode ſelbſt noch meine Boͤttnerin, Jſt das die Feſtigkeit von unſerm Liebes-Bunde? Ach koͤmmt das Ende ſchon, koͤmmt ſchon die letzte Stunde? Wird die Verlobungs-Luſt ſo jaͤmmerlich vergaͤllt? Wird, ſtatt des Braut-Geraͤths, Dein Leichen-Bret beſtellt? Wird aus dem Hochzeit-Mahl ein mattes Trauer-Eſſen? Und heißt mein Trauungs-Lied: Der HErr hat mein vergeſſen? O Schickung! Siehe da, wie ſtreng und hart du biſt, O wie betruͤbt mir nun dein erſter Luſt-Reitz iſt! Du winkſt, und lehrſt mich ſelbſt, ſo Luſt, als Leben ſchoͤpfen: Jch folg; und finde doch nunmehr den Tod im Toͤpfen. Jch hofft ein Paradieß; und recht, ich hofft es nur: Denn bey dem letzten Schritt entziehſt Du mir die Spur. Du ſelber fuͤhrteſt mich mit manchem Seegens-Blicke; Doch an der Schwelle ſelbſt ſtoͤßt mich dein Grimm zuruͤcke. Du ruͤhmſt mir einen Kuß, den Treu und Tugend wuͤrtzt; Und machſt doch, daß der Tod mir den Genutz verkuͤrtzt. Was hilfft nun eine Braut von allen Tugend-Gaben, Wenn das ſo ſchroͤcklich iſt, Sie nur gehabt zu haben? Was hilfft die Liebe ſelbſt mit aller Luſt und Macht; Ja wohl! Sie hoͤhnt uns nur, ie freundlicher ſie lacht. Sie giebt mit einer Hand; und nimmt iedoch mit beyden: Viel beſſer, nie geliebt, als lieben, und ſich ſcheiden! So wimmern Mund und Hertz, da dieſer Riß geſchehn. Wie ſchwer iſts Fleiſch und Blut, nur etwas einzuſehn, Warum des Himmels Hand, die ſonſt der Tugend lohnet, Nach Anemonen graſt; und doch der Diſteln ſchonet? War- B 3
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Den Gatten, den nunmehr ein ſchneller Pfeil geruͤhrt,
Den Gatten, den der Raub von Agar und Weyh entfuͤhrt,
Durch Straͤucher, Feld und Fels, in Hoͤhen, Hoͤhl und Gruͤnden
Zwar lange gnug geſucht; doch nirgends wieder finden.
Jtzt zeigt der blaſſe Mund, wie meine Seele girrt,
Da Liebe, Wunſch und Angſt, als unter ſich verirrt,
Sich nach dem erſten Gluͤck von Deinen Blicken ſehnen;
Und doch nichts anders ſehn, als tauſend tauſend Thraͤnen,
Worzu ich Dir voraus Zeit Lebens zinsbar bin.
Ach Du im Tode ſelbſt noch meine Boͤttnerin,
Jſt das die Feſtigkeit von unſerm Liebes-Bunde?
Ach koͤmmt das Ende ſchon, koͤmmt ſchon die letzte Stunde?
Wird die Verlobungs-Luſt ſo jaͤmmerlich vergaͤllt?
Wird, ſtatt des Braut-Geraͤths, Dein Leichen-Bret beſtellt?
Wird aus dem Hochzeit-Mahl ein mattes Trauer-Eſſen?
Und heißt mein Trauungs-Lied: Der HErr hat mein vergeſſen?
O Schickung! Siehe da, wie ſtreng und hart du biſt,
O wie betruͤbt mir nun dein erſter Luſt-Reitz iſt!
Du winkſt, und lehrſt mich ſelbſt, ſo Luſt, als Leben ſchoͤpfen:
Jch folg; und finde doch nunmehr den Tod im Toͤpfen.
Jch hofft ein Paradieß; und recht, ich hofft es nur:
Denn bey dem letzten Schritt entziehſt Du mir die Spur.
Du ſelber fuͤhrteſt mich mit manchem Seegens-Blicke;
Doch an der Schwelle ſelbſt ſtoͤßt mich dein Grimm zuruͤcke.
Du ruͤhmſt mir einen Kuß, den Treu und Tugend wuͤrtzt;
Und machſt doch, daß der Tod mir den Genutz verkuͤrtzt.
Was hilfft nun eine Braut von allen Tugend-Gaben,
Wenn das ſo ſchroͤcklich iſt, Sie nur gehabt zu haben?
Was hilfft die Liebe ſelbſt mit aller Luſt und Macht;
Ja wohl! Sie hoͤhnt uns nur, ie freundlicher ſie lacht.
Sie giebt mit einer Hand; und nimmt iedoch mit beyden:
Viel beſſer, nie geliebt, als lieben, und ſich ſcheiden!
So wimmern Mund und Hertz, da dieſer Riß geſchehn.
Wie ſchwer iſts Fleiſch und Blut, nur etwas einzuſehn,
Warum des Himmels Hand, die ſonſt der Tugend lohnet,
Nach Anemonen graſt; und doch der Diſteln ſchonet?
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