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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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weinende Kind sey Propheta suae calamitatis, ein Prophet seines Unglücks.
Das bestetigte die Wohlseelige bald in ihrer zarten Kindheit mit ihrem
Exempel. Es ließ sich bald Anfangs in Sechs-Wochen vor Sie sehr schlecht
an, Sie kam dergestalt ab, daß keine Krafft, ja kein Leben fast mehr in
Jhr zu spüren war; doch GOtt erhielt ihr nach seiner Allmacht noch das
Leben, daß alle Menschen, die es sahen, mußten sagen: Das hat GOtt
gethan.
Ps. 64, 10. Die wohlseelige Jungfer Christiana war eine
Cruciana in ihres Lebens Fortgange. Wie eine Meeres-Welle immer
auf und nieder schläget, immer ein Sturm auf den andern folget, so gehts
hier gemeiniglich in diesem Leben, es kömmt immer ein Unglück nach dem
andern, da geht kein Tag hin, der nicht seine eigene Plage hat, wie Da-
vid darüber klaget Ps. 73, 14. Jch bin geplaget täglich, und meine Straf-
fe ist alle Morgen da,
und abermahl Ps. 31, 12. ich bringe meine Jahre
mit Seufzen zu.
Eben dieses Jammer-Liedlein muß ein ieder frommer
Christ und Christinnen mit David intoniren. Die Unglücks-Wellen er-
heben sich offt dermassen, daß hie eine Tieffe und da eine Tieffe brausen.
Ps. 42, 8. Bey der wohlseeligen Jungfer blieb das liebe Creutze nicht
aussen. Jsts nicht so, sind ihr nicht alle ihre lieben Geschwister, auch ihre
nahe Bluts-Freunde, an väterlicher Seite beyde liebe Groß-Eltern, an
mütterlicher Seite der liebe Herr Groß-Vater, seel. Andenckens, durch
den zeitlichen Tod hingefallen? Zu geschweigen anderer vieler Zufälle und
mannigfaltiger Gefahr, von welchen Christliche Jungfern keines weges
befreyet, deren Sie unterworffen gewesen, welche mir so genau nicht be-
kandt. Und dabey ists nicht blieben, sondern GOtt setzte ihr ein recht bit-
teres Myrrhen-Träncklein vor in ihres Lebens Ausgange, da war Sie ei-
ne rechte Cruciana. Es beficlen Sie die Blattern, welche bißher so wohl
kleine als erwachsene Kinder starck angegriffen, dabey viele in Todes-
Noth gerathen. Sie brachen bey der Wohlseeligen in einer überhäuften
Menge anfangs gar glücklich aus, man freute sich über den Anblick eines
so gewünschten Anfangs, man hoffte, wenn Sie sie nur überstanden, wür-
de Sie hernach desto gesünder seyn; massen die böse Materia hinweg gehe,
die ein jedes Kind in dem unreinen Geblüte mit sich auf die Welt bringet,
weils in Mutter-Leibe seine Nahrung so wohl von reinem als unreinem Ge-
blütte hat. Da hoffte man, diese Unreinigkeit würde die Stärcke der Na-
tur, weil Sie doch bißher wenig gekranckt, wohl von sich stossen, wie ein

junger

weinende Kind ſey Propheta ſuæ calamitatis, ein Prophet ſeines Ungluͤcks.
Das beſtetigte die Wohlſeelige bald in ihrer zarten Kindheit mit ihrem
Exempel. Es ließ ſich bald Anfangs in Sechs-Wochen vor Sie ſehr ſchlecht
an, Sie kam dergeſtalt ab, daß keine Krafft, ja kein Leben faſt mehr in
Jhr zu ſpuͤren war; doch GOtt erhielt ihr nach ſeiner Allmacht noch das
Leben, daß alle Menſchen, die es ſahen, mußten ſagen: Das hat GOtt
gethan.
Pſ. 64, 10. Die wohlſeelige Jungfer Chriſtiana war eine
Cruciana in ihres Lebens Fortgange. Wie eine Meeres-Welle immer
auf und nieder ſchlaͤget, immer ein Sturm auf den andern folget, ſo gehts
hier gemeiniglich in dieſem Leben, es koͤmmt immer ein Ungluͤck nach dem
andern, da geht kein Tag hin, der nicht ſeine eigene Plage hat, wie Da-
vid daruͤber klaget Pſ. 73, 14. Jch bin geplaget taͤglich, und meine Straf-
fe iſt alle Morgen da,
und abermahl Pſ. 31, 12. ich bringe meine Jahre
mit Seufzen zu.
Eben dieſes Jammer-Liedlein muß ein ieder frommer
Chriſt und Chriſtinnen mit David intoniren. Die Ungluͤcks-Wellen er-
heben ſich offt dermaſſen, daß hie eine Tieffe und da eine Tieffe brauſen.
Pſ. 42, 8. Bey der wohlſeeligen Jungfer blieb das liebe Creutze nicht
auſſen. Jſts nicht ſo, ſind ihr nicht alle ihre lieben Geſchwiſter, auch ihre
nahe Bluts-Freunde, an vaͤterlicher Seite beyde liebe Groß-Eltern, an
muͤtterlicher Seite der liebe Herr Groß-Vater, ſeel. Andenckens, durch
den zeitlichen Tod hingefallen? Zu geſchweigen anderer vieler Zufaͤlle und
mannigfaltiger Gefahr, von welchen Chriſtliche Jungfern keines weges
befreyet, deren Sie unterworffen geweſen, welche mir ſo genau nicht be-
kandt. Und dabey iſts nicht blieben, ſondern GOtt ſetzte ihr ein recht bit-
teres Myrrhen-Traͤncklein vor in ihres Lebens Ausgange, da war Sie ei-
ne rechte Cruciana. Es beficlen Sie die Blattern, welche bißher ſo wohl
kleine als erwachſene Kinder ſtarck angegriffen, dabey viele in Todes-
Noth gerathen. Sie brachen bey der Wohlſeeligen in einer uͤberhaͤuften
Menge anfangs gar gluͤcklich aus, man freute ſich uͤber den Anblick eines
ſo gewuͤnſchten Anfangs, man hoffte, wenn Sie ſie nur uͤberſtanden, wuͤr-
de Sie hernach deſto geſuͤnder ſeyn; maſſen die boͤſe Materia hinweg gehe,
die ein jedes Kind in dem unreinen Gebluͤte mit ſich auf die Welt bringet,
weils in Mutter-Leibe ſeine Nahrung ſo wohl von reinem als unreinem Ge-
bluͤtte hat. Da hoffte man, dieſe Unreinigkeit wuͤrde die Staͤrcke der Na-
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[36/0036] weinende Kind ſey Propheta ſuæ calamitatis, ein Prophet ſeines Ungluͤcks. Das beſtetigte die Wohlſeelige bald in ihrer zarten Kindheit mit ihrem Exempel. Es ließ ſich bald Anfangs in Sechs-Wochen vor Sie ſehr ſchlecht an, Sie kam dergeſtalt ab, daß keine Krafft, ja kein Leben faſt mehr in Jhr zu ſpuͤren war; doch GOtt erhielt ihr nach ſeiner Allmacht noch das Leben, daß alle Menſchen, die es ſahen, mußten ſagen: Das hat GOtt gethan. Pſ. 64, 10. Die wohlſeelige Jungfer Chriſtiana war eine Cruciana in ihres Lebens Fortgange. Wie eine Meeres-Welle immer auf und nieder ſchlaͤget, immer ein Sturm auf den andern folget, ſo gehts hier gemeiniglich in dieſem Leben, es koͤmmt immer ein Ungluͤck nach dem andern, da geht kein Tag hin, der nicht ſeine eigene Plage hat, wie Da- vid daruͤber klaget Pſ. 73, 14. Jch bin geplaget taͤglich, und meine Straf- fe iſt alle Morgen da, und abermahl Pſ. 31, 12. ich bringe meine Jahre mit Seufzen zu. Eben dieſes Jammer-Liedlein muß ein ieder frommer Chriſt und Chriſtinnen mit David intoniren. Die Ungluͤcks-Wellen er- heben ſich offt dermaſſen, daß hie eine Tieffe und da eine Tieffe brauſen. Pſ. 42, 8. Bey der wohlſeeligen Jungfer blieb das liebe Creutze nicht auſſen. Jſts nicht ſo, ſind ihr nicht alle ihre lieben Geſchwiſter, auch ihre nahe Bluts-Freunde, an vaͤterlicher Seite beyde liebe Groß-Eltern, an muͤtterlicher Seite der liebe Herr Groß-Vater, ſeel. Andenckens, durch den zeitlichen Tod hingefallen? Zu geſchweigen anderer vieler Zufaͤlle und mannigfaltiger Gefahr, von welchen Chriſtliche Jungfern keines weges befreyet, deren Sie unterworffen geweſen, welche mir ſo genau nicht be- kandt. Und dabey iſts nicht blieben, ſondern GOtt ſetzte ihr ein recht bit- teres Myrrhen-Traͤncklein vor in ihres Lebens Ausgange, da war Sie ei- ne rechte Cruciana. Es beficlen Sie die Blattern, welche bißher ſo wohl kleine als erwachſene Kinder ſtarck angegriffen, dabey viele in Todes- Noth gerathen. Sie brachen bey der Wohlſeeligen in einer uͤberhaͤuften Menge anfangs gar gluͤcklich aus, man freute ſich uͤber den Anblick eines ſo gewuͤnſchten Anfangs, man hoffte, wenn Sie ſie nur uͤberſtanden, wuͤr- de Sie hernach deſto geſuͤnder ſeyn; maſſen die boͤſe Materia hinweg gehe, die ein jedes Kind in dem unreinen Gebluͤte mit ſich auf die Welt bringet, weils in Mutter-Leibe ſeine Nahrung ſo wohl von reinem als unreinem Ge- bluͤtte hat. Da hoffte man, dieſe Unreinigkeit wuͤrde die Staͤrcke der Na- tur, weil Sie doch bißher wenig gekranckt, wohl von ſich ſtoſſen, wie ein junger

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/36>, abgerufen am 23.11.2024.