Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

ein Eheweib fähet das edle Leben. Wenn zuweilen durch göttliche Fü-
gung eine hohe und vornehme Standes-Person auf eine geringere eine ehr-
liche Affection geworffen, und sie zur Ehe genommen, so urtheilet ieder-
man, daß sie bey solcher Erhöhung ein edles und sehr glückseeliges Leben,
als ein angenehmes und rares Wildpret gefangen und gleichsam erjaget.
Der frommen Jüden-Tochter ist es mit solchem Fange überaus wohl ge-
glücket, der Esther, von welcher Esth. 2, 17. stehet: Es wäre der Persi-
sche Monarch Ahasverus, unter welchem nomine appellativo, das so viel
heißt als ein grosser HErr, ein grosses Haupt, die meisten Ausleger den
König Xerxes verstehen, von seiner Gemahlin, der Vasthi, sehr disgou-
stiret worden, weil sie auf sein Begehr bey dem angestellten Gast-Mahle
nicht erschienen und wie Jüdische Rabinen wollen, vor ihrem trunckenen
Gemahl dem Konige zu erscheinen, billig bey sich angestanden, weil er ihr
angemuthet, nackend vor der Taffel sich zu praesentiren, welches sie aus
Schamhafftigkeit nicht wollen thun, habe ihr der König nach siebenmah-
liger Einladung einen Scheide-Brieff gegeben, und mußte die Vasthi den
Hoff und das Königliche Ehe-Bette qvittiren. Es wurden die schönsten
Jungfern im gantzen Königreiche mit Fleiß aufgesucht, und ins Königliche
Frauen-Zimmer zum Schloß Susan gebracht, aus welchen allen die schöne
und wohlgebildete Esther das Glücke hatte, daß sie der König lieb gewan,
über alle Jungfrauen ihr die Crone auf ihr Haupt setzte, und sie zur Königin
an Vasthi statt machte. Vielleicht hält dieses von der erhöhten Esther man-
cher einer Fabel ähnlicher, als einer wahrhafften Geschichte; aber die
göttliche Vorsorge hat eben dergleichen erfreuliche Veränderung mit an-
dern auch vorgenommen. (d) Der Christliche Kayser Theodosius hatte
zur Gemahlin Eudociam, Leontis, eines Philosophi zu Athen, Tochter,
welche ihm seine tugendhaffte Schwester, die Pulcheria, vorgeschlagen,
als sich die Athenais, (so hieß die Eudocia, ehe sie getaufft wurde,) an sie
addressiret, da sie bey dem Kayser sich beschweren wolte über das Testa-
ment, welches ihr Vater in faveur seiner Söhne zu dieser Tochter
Nachtheil und Schaden aufgerichtet, und ihre ungemeine Qvalitaeten
wahrgenommen. Das war traun ein ungemeines Glück, aus eines ge-
ringen Schul-Manns Tochter eine Kayserin werden, wozu ihr das ver-

meinte
(d) Socrat, Hist. Eccles. L. VII. c. 21. Mich. Sachs Kays. K. P. I. 275.

ein Eheweib faͤhet das edle Leben. Wenn zuweilen durch goͤttliche Fuͤ-
gung eine hohe und vornehme Standes-Perſon auf eine geringere eine ehr-
liche Affection geworffen, und ſie zur Ehe genommen, ſo urtheilet ieder-
man, daß ſie bey ſolcher Erhoͤhung ein edles und ſehr gluͤckſeeliges Leben,
als ein angenehmes und rares Wildpret gefangen und gleichſam erjaget.
Der frommen Juͤden-Tochter iſt es mit ſolchem Fange uͤberaus wohl ge-
gluͤcket, der Eſther, von welcher Eſth. 2, 17. ſtehet: Es waͤre der Perſi-
ſche Monarch Ahasverus, unter welchem nomine appellativo, das ſo viel
heißt als ein groſſer HErr, ein groſſes Haupt, die meiſten Ausleger den
Koͤnig Xerxes verſtehen, von ſeiner Gemahlin, der Vaſthi, ſehr disgou-
ſtiret worden, weil ſie auf ſein Begehr bey dem angeſtellten Gaſt-Mahle
nicht erſchienen und wie Juͤdiſche Rabinen wollen, vor ihrem trunckenen
Gemahl dem Konige zu erſcheinen, billig bey ſich angeſtanden, weil er ihr
angemuthet, nackend vor der Taffel ſich zu præſentiren, welches ſie aus
Schamhafftigkeit nicht wollen thun, habe ihr der Koͤnig nach ſiebenmah-
liger Einladung einen Scheide-Brieff gegeben, und mußte die Vaſthi den
Hoff und das Koͤnigliche Ehe-Bette qvittiren. Es wurden die ſchoͤnſten
Jungfern im gantzen Koͤnigreiche mit Fleiß aufgeſucht, und ins Koͤnigliche
Frauen-Zimmer zum Schloß Suſan gebracht, aus welchen allen die ſchoͤne
und wohlgebildete Eſther das Gluͤcke hatte, daß ſie der Koͤnig lieb gewan,
uͤber alle Jungfrauen ihr die Crone auf ihr Haupt ſetzte, und ſie zur Koͤnigin
an Vaſthi ſtatt machte. Vielleicht haͤlt dieſes von der erhoͤhten Eſther man-
cher einer Fabel aͤhnlicher, als einer wahrhafften Geſchichte; aber die
goͤttliche Vorſorge hat eben dergleichen erfreuliche Veraͤnderung mit an-
dern auch vorgenommen. (d) Der Chriſtliche Kayſer Theodoſius hatte
zur Gemahlin Eudociam, Leontis, eines Philoſophi zu Athen, Tochter,
welche ihm ſeine tugendhaffte Schweſter, die Pulcheria, vorgeſchlagen,
als ſich die Athenais, (ſo hieß die Eudocia, ehe ſie getaufft wurde,) an ſie
addreſſiret, da ſie bey dem Kayſer ſich beſchweren wolte uͤber das Teſta-
ment, welches ihr Vater in faveur ſeiner Soͤhne zu dieſer Tochter
Nachtheil und Schaden aufgerichtet, und ihre ungemeine Qvalitæten
wahrgenommen. Das war traun ein ungemeines Gluͤck, aus eines ge-
ringen Schul-Manns Tochter eine Kayſerin werden, wozu ihr das ver-

meinte
(d) Socrat, Hiſt. Eccleſ. L. VII. c. 21. Mich. Sachs Kayſ. K. P. I. 275.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsThanks" n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="28"/><hi rendition="#fr">ein Eheweib fa&#x0364;het das edle Leben.</hi> Wenn zuweilen durch go&#x0364;ttliche Fu&#x0364;-<lb/>
gung eine hohe und vornehme Standes-Per&#x017F;on auf eine geringere eine ehr-<lb/>
liche <hi rendition="#aq">Affection</hi> geworffen, und &#x017F;ie zur Ehe genommen, &#x017F;o urtheilet ieder-<lb/>
man, daß &#x017F;ie bey &#x017F;olcher Erho&#x0364;hung ein edles und &#x017F;ehr glu&#x0364;ck&#x017F;eeliges Leben,<lb/>
als ein angenehmes und <hi rendition="#aq">rares</hi> Wildpret gefangen und gleich&#x017F;am erjaget.<lb/>
Der frommen Ju&#x0364;den-Tochter i&#x017F;t es mit &#x017F;olchem Fange u&#x0364;beraus wohl ge-<lb/>
glu&#x0364;cket, der <hi rendition="#aq">E&#x017F;ther,</hi> von welcher <hi rendition="#aq">E&#x017F;th.</hi> 2, 17. &#x017F;tehet: Es wa&#x0364;re der Per&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;che <hi rendition="#aq">Monarch Ahasverus,</hi> unter welchem <hi rendition="#aq">nomine appellativo,</hi> das &#x017F;o viel<lb/>
heißt als ein gro&#x017F;&#x017F;er HErr, ein gro&#x017F;&#x017F;es Haupt, die mei&#x017F;ten Ausleger den<lb/>
Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Xerxes</hi> ver&#x017F;tehen, von &#x017F;einer Gemahlin, der <hi rendition="#aq">Va&#x017F;thi,</hi> &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">disgou-<lb/>
&#x017F;tir</hi>et worden, weil &#x017F;ie auf &#x017F;ein Begehr bey dem ange&#x017F;tellten Ga&#x017F;t-Mahle<lb/>
nicht er&#x017F;chienen und wie Ju&#x0364;di&#x017F;che <hi rendition="#aq">Rabin</hi>en wollen, vor ihrem trunckenen<lb/>
Gemahl dem Konige zu er&#x017F;cheinen, billig bey &#x017F;ich ange&#x017F;tanden, weil er ihr<lb/>
angemuthet, nackend vor der Taffel &#x017F;ich zu <hi rendition="#aq">præ&#x017F;entir</hi>en, welches &#x017F;ie aus<lb/>
Schamhafftigkeit nicht wollen thun, habe ihr der Ko&#x0364;nig nach &#x017F;iebenmah-<lb/>
liger Einladung einen Scheide-Brieff gegeben, und mußte die <hi rendition="#aq">Va&#x017F;thi</hi> den<lb/>
Hoff und das Ko&#x0364;nigliche Ehe-Bette <hi rendition="#aq">qvittir</hi>en. Es wurden die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
Jungfern im gantzen Ko&#x0364;nigreiche mit Fleiß aufge&#x017F;ucht, und ins Ko&#x0364;nigliche<lb/>
Frauen-Zimmer zum Schloß <hi rendition="#aq">Su&#x017F;an</hi> gebracht, aus welchen allen die &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
und wohlgebildete <hi rendition="#aq">E&#x017F;ther</hi> das Glu&#x0364;cke hatte, daß &#x017F;ie der Ko&#x0364;nig lieb gewan,<lb/>
u&#x0364;ber alle Jungfrauen ihr die Crone auf ihr Haupt &#x017F;etzte, und &#x017F;ie zur Ko&#x0364;nigin<lb/>
an <hi rendition="#aq">Va&#x017F;thi</hi> &#x017F;tatt machte. Vielleicht ha&#x0364;lt die&#x017F;es von der erho&#x0364;hten <hi rendition="#aq">E&#x017F;ther</hi> man-<lb/>
cher einer <hi rendition="#aq">Fabel</hi> a&#x0364;hnlicher, als einer wahrhafften Ge&#x017F;chichte; aber die<lb/>
go&#x0364;ttliche Vor&#x017F;orge hat eben dergleichen erfreuliche Vera&#x0364;nderung mit an-<lb/>
dern auch vorgenommen. <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">Socrat, Hi&#x017F;t. Eccle&#x017F;. L. VII. c. 21. Mich.</hi> Sachs Kay&#x017F;. K. <hi rendition="#aq">P. I.</hi> 275.</note> Der Chri&#x017F;tliche Kay&#x017F;er <hi rendition="#aq">Theodo&#x017F;ius</hi> hatte<lb/>
zur Gemahlin <hi rendition="#aq">Eudociam, Leontis,</hi> eines <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi> zu Athen, Tochter,<lb/>
welche ihm &#x017F;eine tugendhaffte Schwe&#x017F;ter, die <hi rendition="#aq">Pulcheria,</hi> vorge&#x017F;chlagen,<lb/>
als &#x017F;ich die <hi rendition="#aq">Athenais,</hi> (&#x017F;o hieß die <hi rendition="#aq">Eudocia,</hi> ehe &#x017F;ie getaufft wurde,) an &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#aq">addre&#x017F;&#x017F;ir</hi>et, da &#x017F;ie bey dem Kay&#x017F;er &#x017F;ich be&#x017F;chweren wolte u&#x0364;ber das Te&#x017F;ta-<lb/>
ment, welches ihr Vater <hi rendition="#aq">in faveur</hi> &#x017F;einer So&#x0364;hne zu die&#x017F;er Tochter<lb/>
Nachtheil und Schaden aufgerichtet, und ihre ungemeine <hi rendition="#aq">Qvalitæt</hi>en<lb/>
wahrgenommen. Das war traun ein ungemeines Glu&#x0364;ck, aus eines ge-<lb/>
ringen Schul-Manns Tochter eine Kay&#x017F;erin werden, wozu ihr das ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">meinte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0028] ein Eheweib faͤhet das edle Leben. Wenn zuweilen durch goͤttliche Fuͤ- gung eine hohe und vornehme Standes-Perſon auf eine geringere eine ehr- liche Affection geworffen, und ſie zur Ehe genommen, ſo urtheilet ieder- man, daß ſie bey ſolcher Erhoͤhung ein edles und ſehr gluͤckſeeliges Leben, als ein angenehmes und rares Wildpret gefangen und gleichſam erjaget. Der frommen Juͤden-Tochter iſt es mit ſolchem Fange uͤberaus wohl ge- gluͤcket, der Eſther, von welcher Eſth. 2, 17. ſtehet: Es waͤre der Perſi- ſche Monarch Ahasverus, unter welchem nomine appellativo, das ſo viel heißt als ein groſſer HErr, ein groſſes Haupt, die meiſten Ausleger den Koͤnig Xerxes verſtehen, von ſeiner Gemahlin, der Vaſthi, ſehr disgou- ſtiret worden, weil ſie auf ſein Begehr bey dem angeſtellten Gaſt-Mahle nicht erſchienen und wie Juͤdiſche Rabinen wollen, vor ihrem trunckenen Gemahl dem Konige zu erſcheinen, billig bey ſich angeſtanden, weil er ihr angemuthet, nackend vor der Taffel ſich zu præſentiren, welches ſie aus Schamhafftigkeit nicht wollen thun, habe ihr der Koͤnig nach ſiebenmah- liger Einladung einen Scheide-Brieff gegeben, und mußte die Vaſthi den Hoff und das Koͤnigliche Ehe-Bette qvittiren. Es wurden die ſchoͤnſten Jungfern im gantzen Koͤnigreiche mit Fleiß aufgeſucht, und ins Koͤnigliche Frauen-Zimmer zum Schloß Suſan gebracht, aus welchen allen die ſchoͤne und wohlgebildete Eſther das Gluͤcke hatte, daß ſie der Koͤnig lieb gewan, uͤber alle Jungfrauen ihr die Crone auf ihr Haupt ſetzte, und ſie zur Koͤnigin an Vaſthi ſtatt machte. Vielleicht haͤlt dieſes von der erhoͤhten Eſther man- cher einer Fabel aͤhnlicher, als einer wahrhafften Geſchichte; aber die goͤttliche Vorſorge hat eben dergleichen erfreuliche Veraͤnderung mit an- dern auch vorgenommen. (d) Der Chriſtliche Kayſer Theodoſius hatte zur Gemahlin Eudociam, Leontis, eines Philoſophi zu Athen, Tochter, welche ihm ſeine tugendhaffte Schweſter, die Pulcheria, vorgeſchlagen, als ſich die Athenais, (ſo hieß die Eudocia, ehe ſie getaufft wurde,) an ſie addreſſiret, da ſie bey dem Kayſer ſich beſchweren wolte uͤber das Teſta- ment, welches ihr Vater in faveur ſeiner Soͤhne zu dieſer Tochter Nachtheil und Schaden aufgerichtet, und ihre ungemeine Qvalitæten wahrgenommen. Das war traun ein ungemeines Gluͤck, aus eines ge- ringen Schul-Manns Tochter eine Kayſerin werden, wozu ihr das ver- meinte (d) Socrat, Hiſt. Eccleſ. L. VII. c. 21. Mich. Sachs Kayſ. K. P. I. 275.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542451/28
Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/28>, abgerufen am 23.11.2024.