Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Samuel: Die nach den Rettungs-Bergen erhabenen Augen. Görlitz, [1696].

Bild:
<< vorherige Seite

Lebens-Lauff.
Wohl-selige Frau Knorrin meritiret wegen
Jhrer Tugenden Vollkommenheit unter die Kostbar-
sten gerechnet zu werden: unterdessen hat Sie doch mit
Niemanden umb die Praerogativ gestritten: sondern hat-
te gelernet/ die/ so höhern Standes/ nach Gebühr zu
veneriren/ Jhres gleichen zu lieben/ und die Niedrigen
nicht zu verachten. Unter den Perlen sind sonderlich/
als Wunder der Natur/ berühmt/ diejenigen beyden:
auf welche Cleopatra den Antonium zu Gaste geladen:
davon sie die eine in Eßig zerlassen/ und auf Gesund-
heit Jhres Gastes verschlucket. Die Wohl-selige
Frau Knorrin
war mit einer gantzen Schnur
voll geistlicher Perlen aufs herrlichste geschmückt: de-
rer eine jede absonderlich/ denen beyden der Cleopatra
zugleich den Vorzug streitig machen kan. Es mögen
mir andre die Perlen rühmen/ wie sie wollen: an der
Wohl-seligen ist dennoch höher zu rühmen Jhre
freundliche Güttigkeit gegen die Armen/ welche sie reich-
lich begabet: Jhre ungemeine Demuth/ welche Sie
beständig geübt: Jhr hertzliches Mitleiden gegen die
Betrübten/ welche Sie nach Vermögen getröstet: Jh-
re bereit-willige Sanfftmuth/ auch das höchste Unrecht
mit grosser Geduld zu überwinden: Jhre heilige Ge-
lassenheit/ nach welcher Sie auch bey den grösten

Drang-

Lebens-Lauff.
Wohl-ſelige Frau Knorrin meritiret wegen
Jhrer Tugenden Vollkommenheit unter die Koſtbar-
ſten gerechnet zu werden: unterdeſſen hat Sie doch mit
Niemanden umb die Prærogativ geſtritten: ſondern hat-
te gelernet/ die/ ſo hoͤhern Standes/ nach Gebuͤhr zu
veneriren/ Jhres gleichen zu lieben/ und die Niedrigen
nicht zu verachten. Unter den Perlen ſind ſonderlich/
als Wunder der Natur/ beruͤhmt/ diejenigen beyden:
auf welche Cleopatra den Antonium zu Gaſte geladen:
davon ſie die eine in Eßig zerlaſſen/ und auf Geſund-
heit Jhres Gaſtes verſchlucket. Die Wohl-ſelige
Frau Knorrin
war mit einer gantzen Schnur
voll geiſtlicher Perlen aufs herꝛlichſte geſchmuͤckt: de-
rer eine jede abſonderlich/ denen beyden der Cleopatra
zugleich den Vorzug ſtreitig machen kan. Es moͤgen
mir andre die Perlen ruͤhmen/ wie ſie wollen: an der
Wohl-ſeligen iſt dennoch hoͤher zu ruͤhmen Jhre
freundliche Guͤttigkeit gegen die Armen/ welche ſie reich-
lich begabet: Jhre ungemeine Demuth/ welche Sie
beſtaͤndig geuͤbt: Jhr hertzliches Mitleiden gegen die
Betruͤbten/ welche Sie nach Vermoͤgen getroͤſtet: Jh-
re bereit-willige Sanfftmuth/ auch das hoͤchſte Unrecht
mit groſſer Geduld zu uͤberwinden: Jhre heilige Ge-
laſſenheit/ nach welcher Sie auch bey den groͤſten

Drang-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="fsPersonalia" n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="96"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Lebens-Lauff.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Wohl-&#x017F;elige Frau Knorrin</hi><hi rendition="#aq">meritir</hi>et wegen<lb/>
Jhrer Tugenden Vollkommenheit unter die Ko&#x017F;tbar-<lb/>
&#x017F;ten gerechnet zu werden: unterde&#x017F;&#x017F;en hat Sie doch mit<lb/>
Niemanden umb die <hi rendition="#aq">Prærogativ</hi> ge&#x017F;tritten: &#x017F;ondern hat-<lb/>
te gelernet/ die/ &#x017F;o ho&#x0364;hern Standes/ nach Gebu&#x0364;hr zu<lb/><hi rendition="#aq">venerir</hi>en/ Jhres gleichen zu lieben/ und die Niedrigen<lb/>
nicht zu verachten. Unter den Perlen &#x017F;ind &#x017F;onderlich/<lb/>
als Wunder der Natur/ beru&#x0364;hmt/ diejenigen beyden:<lb/>
auf welche <hi rendition="#aq">Cleopatra</hi> den <hi rendition="#aq">Antonium</hi> zu Ga&#x017F;te geladen:<lb/>
davon &#x017F;ie die eine in Eßig zerla&#x017F;&#x017F;en/ und auf Ge&#x017F;und-<lb/>
heit Jhres Ga&#x017F;tes ver&#x017F;chlucket. <hi rendition="#fr">Die Wohl-&#x017F;elige<lb/>
Frau Knorrin</hi> war mit einer gantzen Schnur<lb/>
voll gei&#x017F;tlicher Perlen aufs her&#xA75B;lich&#x017F;te ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt: de-<lb/>
rer eine jede ab&#x017F;onderlich/ denen beyden der <hi rendition="#aq">Cleopatra</hi><lb/>
zugleich den Vorzug &#x017F;treitig machen kan. Es mo&#x0364;gen<lb/>
mir andre die Perlen ru&#x0364;hmen/ wie &#x017F;ie wollen: an der<lb/><hi rendition="#fr">Wohl-&#x017F;eligen</hi> i&#x017F;t dennoch ho&#x0364;her zu ru&#x0364;hmen Jhre<lb/>
freundliche Gu&#x0364;ttigkeit gegen die Armen/ welche &#x017F;ie reich-<lb/>
lich begabet: Jhre ungemeine Demuth/ welche Sie<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig geu&#x0364;bt: Jhr hertzliches Mitleiden gegen die<lb/>
Betru&#x0364;bten/ welche Sie nach Vermo&#x0364;gen getro&#x0364;&#x017F;tet: Jh-<lb/>
re bereit-willige Sanfftmuth/ auch das ho&#x0364;ch&#x017F;te Unrecht<lb/>
mit gro&#x017F;&#x017F;er Geduld zu u&#x0364;berwinden: Jhre heilige Ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enheit/ nach welcher Sie auch bey den gro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">Drang-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0096] Lebens-Lauff. Wohl-ſelige Frau Knorrin meritiret wegen Jhrer Tugenden Vollkommenheit unter die Koſtbar- ſten gerechnet zu werden: unterdeſſen hat Sie doch mit Niemanden umb die Prærogativ geſtritten: ſondern hat- te gelernet/ die/ ſo hoͤhern Standes/ nach Gebuͤhr zu veneriren/ Jhres gleichen zu lieben/ und die Niedrigen nicht zu verachten. Unter den Perlen ſind ſonderlich/ als Wunder der Natur/ beruͤhmt/ diejenigen beyden: auf welche Cleopatra den Antonium zu Gaſte geladen: davon ſie die eine in Eßig zerlaſſen/ und auf Geſund- heit Jhres Gaſtes verſchlucket. Die Wohl-ſelige Frau Knorrin war mit einer gantzen Schnur voll geiſtlicher Perlen aufs herꝛlichſte geſchmuͤckt: de- rer eine jede abſonderlich/ denen beyden der Cleopatra zugleich den Vorzug ſtreitig machen kan. Es moͤgen mir andre die Perlen ruͤhmen/ wie ſie wollen: an der Wohl-ſeligen iſt dennoch hoͤher zu ruͤhmen Jhre freundliche Guͤttigkeit gegen die Armen/ welche ſie reich- lich begabet: Jhre ungemeine Demuth/ welche Sie beſtaͤndig geuͤbt: Jhr hertzliches Mitleiden gegen die Betruͤbten/ welche Sie nach Vermoͤgen getroͤſtet: Jh- re bereit-willige Sanfftmuth/ auch das hoͤchſte Unrecht mit groſſer Geduld zu uͤberwinden: Jhre heilige Ge- laſſenheit/ nach welcher Sie auch bey den groͤſten Drang-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/509978
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/509978/96
Zitationshilfe: Lange, Samuel: Die nach den Rettungs-Bergen erhabenen Augen. Görlitz, [1696], S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/509978/96>, abgerufen am 04.05.2024.