Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.Die bittere Klage Als wenn arme Wittwen werden/Und verlaßne Wäysen stehn Ohne Vater/ ohne Muth/ Ohne Freunde/ ohne Guth/ Wittwen sind verlaßne Frauen/ Wer thut auff die Wäysen schauen. Tage des Trübsals sind sie dreyen alten verlebten Eltern/ einem Vater und Aber auch Tage des Scheltens und Lästerns sind sie/ indem der Thäter Nun diesen Tagen des Trübsals/ Scheltens und Lästerns/ und Der
Die bittere Klage Als wenn arme Wittwen werden/Und verlaßne Waͤyſen ſtehn Ohne Vater/ ohne Muth/ Ohne Freunde/ ohne Guth/ Wittwen ſind verlaßne Frauen/ Wer thut auff die Waͤyſen ſchauen. Tage des Truͤbſals ſind ſie dreyen alten verlebten Eltern/ einem Vater und Aber auch Tage des Scheltens und Laͤſterns ſind ſie/ indem der Thaͤter Nun dieſen Tagen des Truͤbſals/ Scheltens und Laͤſterns/ und Der
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Die bittere Klage
Als wenn arme Wittwen werden/
Und verlaßne Waͤyſen ſtehn
Ohne Vater/ ohne Muth/
Ohne Freunde/ ohne Guth/
Wittwen ſind verlaßne Frauen/
Wer thut auff die Waͤyſen ſchauen.
Tage des Truͤbſals ſind ſie dreyen alten verlebten Eltern/ einem Vater und
zweyen Muͤttern/ welche aͤngſtlich winſeln: Unſer lieber Schwieger-Sohn
iſt dahin/ und jaͤmmerlich ums Leben kommen; unſern leiblichen Sohn
wird man uns auch dahin nehmen/ und gehet alles uͤber uns/ (Gen. XLII,
36.) wir werden mit Hertzeleid hinunter fahren in die Grube zu unſerm
Schwieger-Sohn/ (Gen. XXXVII, 35.) Tage des Truͤbſals ſind ſie dem
hinterbliebenen Geſchwiſter/ als welches klaget: Ach Bruder! ach Vetter!
wie geſchwind ſind wir von einander getrennet? (Jer. XXII, 18.) Tage des
Truͤbſals ſind ſie endlich auch uns allen mit einander/ weil in unſern Graͤntzen
Menſchen-Blutvergoſſen/ welches zu GOtt um Rache ſchreyet/ (Gen. IV, 10.)
Aber auch Tage des Scheltens und Laͤſterns ſind ſie/ indem der Thaͤter
allenthalben vor einen Moͤrder und Todtſchlaͤger ausgegeben und geſchol-
ten; wir aber alle mit einander vor Leute ausgeſchrien werden/ als die mit
gefaͤhrlichen Gewehr und Inſtrumenten unvorſichtig umgehen/ und Leuten
und Viehe nach dem Leben trachten. Will jemand die Urſache dieſes
Truͤbſals/ Scheltens und Laͤſterns wiſſen/ dem dienet zur Antwort: Ein
Schwager hat den andern jaͤm̃erlich erſchoſſen/ ein Bruder hat die Schwe-
ſter zu einer betruͤbten Wittibe/ ein Ehe-Gatte ſein Weib zu einem verlaſ-
ſenen Weibe/ ein Vater ſeine und ſeines Schwagers Kinder zu Vater-lo-
ſen Waͤyſen gemacht; ein ſonſt frommer und gehorſamer Sohn hat ſeine
Eltern ſchmertzlich betruͤbet. Ach! ſolten wir dann dahero nicht daruͤber
ausruffen: Das ſind Tage des Truͤbſals/ Scheltens und Laͤſterns!
& defun-
ctum.
Nun dieſen Tagen des Truͤbſals/ Scheltens und Laͤſterns/ und
dem darinnen zugetragenen Caſui tragico, oder ungluͤckſeligen Trauer- und
Todtes-Fall etwas weiter nachzuſinnen/ und unſere bittere Klage weh-
muͤthig daruͤber zu fuͤhren/ ſind wir in dieſem Klag- und Trauer-Hauß
verſamlet; Wir erinnern uns aber alſobald unſerer menſchlichen Schwach-
heit/ daß wir zu dieſem heiligen Vorhaben untuͤchtig ſind/ demuͤthigen uns
vor dem Throne Goͤttlicher Majeſtaͤt/ und ruffen dieſelbe um den kraͤfftigen
Beyſtand GOttes des werthen Heil. Geiſtes in einem andaͤchtigen/ glaͤu-
bigen Vater Unſer hierzu inbruͤnſtig an.
Der
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