Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.Die bittere Klage ter einander/ nicht dem Geblüte/ sondern dem Gemüthe/ nicht der Bluts-Frundschafft/ sondern der Gemüths-Freundschafft nach. Wie denn nicht zu läugnen/ däß solche Gemüths-Freundschafft der Geblüts- Freundschafft offt vorzuziehen/ und hefftiger/ als diese ist/ auch vielmahl einander mehr Gutes thut/ als jene. Der selige Herr Breme/ gewesener Bürgermeister in Dreßden/ gedencket in seinen Schrifften/ (P. III. p. 133.) daß einstens zwey Brüder in eine solche un- versöhnliche Verbitterung gerathen/ daß sie einander nicht nur allein die Zeit ihres Lebens als die ärgsten Feinde gehasset/ und Schaden gethan/ sondern auch ihren Groll auf ihre Kinder fortgepflantzet/ und ihnen anbefoh- len/ sich nach ihrem Todte an einander nachdrücklich zu rächen; Und füh- ren die Spanier im Sprichwort: Der Bruder-Zorn ist ein rechter Teuf- fels-Zorn. Hingegen ist von Demetrio, dem Sohne des Königes An- tigoni, bekannt/ daß/ da sein Vater seinen Freund/ Mithridatem, erwür- gen wollen/ und ihm solches mit einem Eyd zu offenbahren verbothen/ ha- be er seinen Hertzens-Freund/ so bald er ihm begegnet/ bey der Hand ge- nommen/ von andern Freunden abe/ und ihn beyseit geführet/ und wie sie alleine gewesen/ diese Worte mit einem Spieß auff die Erde geschrieben: Fleug Mithridates; ihn dadurch von dem Haß des Vaters errettet/ und beym Leben erhälten. (Vid. Horolog Princip. L. 3. c. 15. §. 506.) Eine solche redliche Freundschafft hatte auch David zu Jonathan/ und nennet ihn seinen Bruder/ ward auch durch solche Freundschafft bewogen/ biner- lich über seinen Todt zu weinen. Welche Freundschafft und Liebe desto grösser wurde/ ie grösseres Ver- drum
Die bittere Klage ter einander/ nicht dem Gebluͤte/ ſondern dem Gemuͤthe/ nicht der Bluts-Frundſchafft/ ſondern der Gemuͤths-Freundſchafft nach. Wie denn nicht zu laͤugnen/ daͤß ſolche Gemuͤths-Freundſchafft der Gebluͤts- Freundſchafft offt vorzuziehen/ und hefftiger/ als dieſe iſt/ auch vielmahl einander mehr Gutes thut/ als jene. Der ſelige Herr Breme/ geweſener Buͤrgermeiſter in Dreßden/ gedencket in ſeinen Schrifften/ (P. III. p. 133.) daß einſtens zwey Bruͤder in eine ſolche un- verſoͤhnliche Verbitterung gerathen/ daß ſie einander nicht nur allein die Zeit ihres Lebens als die aͤrgſten Feinde gehaſſet/ und Schaden gethan/ ſondern auch ihren Groll auf ihre Kinder fortgepflantzet/ und ihnen anbefoh- len/ ſich nach ihrem Todte an einander nachdruͤcklich zu raͤchen; Und fuͤh- ren die Spanier im Sprichwort: Der Bruder-Zorn iſt ein rechter Teuf- fels-Zorn. Hingegen iſt von Demetrio, dem Sohne des Koͤniges An- tigoni, bekannt/ daß/ da ſein Vater ſeinen Freund/ Mithridatem, erwuͤr- gen wollen/ und ihm ſolches mit einem Eyd zu offenbahren verbothen/ ha- be er ſeinen Hertzens-Freund/ ſo bald er ihm begegnet/ bey der Hand ge- nommen/ von andern Freunden abe/ und ihn beyſeit gefuͤhret/ und wie ſie alleine geweſen/ dieſe Worte mit einem Spieß auff die Erde geſchrieben: Fleug Mithridates; ihn dadurch von dem Haß des Vaters errettet/ und beym Leben erhaͤlten. (Vid. Horolog Princip. L. 3. c. 15. §. 506.) Eine ſolche redliche Freundſchafft hatte auch David zu Jonathan/ und nennet ihn ſeinen Bruder/ ward auch durch ſolche Freundſchafft bewogen/ biner- lich uͤber ſeinen Todt zu weinen. Welche Freundſchafft und Liebe deſto groͤſſer wurde/ ie groͤſſeres Ver- drum
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Die bittere Klage
ter einander/ nicht dem Gebluͤte/ ſondern dem Gemuͤthe/ nicht der Bluts-
Frundſchafft/ ſondern der Gemuͤths-Freundſchafft nach. Wie denn
nicht zu laͤugnen/ daͤß ſolche Gemuͤths-Freundſchafft der Gebluͤts-
Freundſchafft offt vorzuziehen/ und hefftiger/ als dieſe iſt/ auch
vielmahl einander mehr Gutes thut/ als jene. Der ſelige Herr
Breme/ geweſener Buͤrgermeiſter in Dreßden/ gedencket in ſeinen
Schrifften/ (P. III. p. 133.) daß einſtens zwey Bruͤder in eine ſolche un-
verſoͤhnliche Verbitterung gerathen/ daß ſie einander nicht nur allein die
Zeit ihres Lebens als die aͤrgſten Feinde gehaſſet/ und Schaden gethan/
ſondern auch ihren Groll auf ihre Kinder fortgepflantzet/ und ihnen anbefoh-
len/ ſich nach ihrem Todte an einander nachdruͤcklich zu raͤchen; Und fuͤh-
ren die Spanier im Sprichwort: Der Bruder-Zorn iſt ein rechter Teuf-
fels-Zorn. Hingegen iſt von Demetrio, dem Sohne des Koͤniges An-
tigoni, bekannt/ daß/ da ſein Vater ſeinen Freund/ Mithridatem, erwuͤr-
gen wollen/ und ihm ſolches mit einem Eyd zu offenbahren verbothen/ ha-
be er ſeinen Hertzens-Freund/ ſo bald er ihm begegnet/ bey der Hand ge-
nommen/ von andern Freunden abe/ und ihn beyſeit gefuͤhret/ und wie ſie
alleine geweſen/ dieſe Worte mit einem Spieß auff die Erde geſchrieben:
Fleug Mithridates; ihn dadurch von dem Haß des Vaters errettet/ und
beym Leben erhaͤlten. (Vid. Horolog Princip. L. 3. c. 15. §. 506.) Eine
ſolche redliche Freundſchafft hatte auch David zu Jonathan/ und nennet
ihn ſeinen Bruder/ ward auch durch ſolche Freundſchafft bewogen/ biner-
lich uͤber ſeinen Todt zu weinen.
Welche Freundſchafft und Liebe deſto groͤſſer wurde/ ie groͤſſeres Ver-
gnuͤgen er an derſelben hatte und genoß/ wie er denn von derſelben ruͤhmen ich
habe groſſe Freude und Wonne an dir gehabt. ᒑᒈᔂᑖ ᒗᔀᑠ ᔔᑤᔂᑖᔆ_ Jucundus,
amœnus & amabilis mihi fuiſti valde, du biſt mir ſehr lieb/ angenehm und
liebreich geweſen. Die geiſtliche Seelen-Braut iſt ihrem Braͤutigam ſo
angenehm/ daß er ſich von ſie laͤſt vernehmen: Wie ſchoͤn und lieblich biſt
du/ du Liebe in Wolluͤſten/ (Cant. VIII, 6.) Wie fein und lieblich iſt es/
ſchreibet David/ wenn Bruͤder eintraͤchtig bey einander wohnen/ (Pſalm
CXXXIII, 1.) Was vor Freud und Wonne der alte Zacharias an ſeinem
Sohne Johanne haben ſolte; (Luc. I, 4.) eben dergleichen Ergetzligkeit/
Vergnuͤgung und Wolluſt empfunde auch David an ſeinem auffrichti-
gen Freunde/ dem Jonathan. Auffrichtige Freundſchafft iſt eine rechte in-
nigliche Seelen-Vergnuͤgung/ welche uns vielmehr/ als alles Gold und
Geld/ und alle nichtige Sachen ergetzen kan. Salomon wuſte ſolches/
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