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Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720.

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Leichen-Carmina.
Wärs auch möglich, daß nur einer bey dir ohne
Regung sey?

Denn hie darf die Wahrheit reden und dem
Neid entgegen gehn:

Wie hat dieser fromme Knecht, der von Lieb und
Sanftmuth lebte,

Der bey seiner grossen Kraft nach der tieff sten
Demuth strebte,

Mit der innigsten Begierde auf dein wahres
Heil gesehn?

Honig trieften seine Lippen; und wie sich ein
Quell ergeußt,

Also floß die lautre Milch voller Kraft aus sei-
nem Munde:

Darum bist du manche Zeit, Glaucha, und
noch diese Stunde

Ein gelobtes Land zu nennen, worin Milch und
Honig fleußt.

Zwar jetzt schenckt der Höchste Wermuth in
den Trauerbecher ein;

Da dich deines Lehrers Tod billig bis zur Er-
den beuget:

Doch, was sein Gedächtniß lehrt und auch nach
dem Tode zeuget,

Kann in dir ein Strom des Segens und ein
Bach des Lebens seyn.

Denn kein Hertz wird in dir wohnen, wär es
gleich von Diamant:

Welchem sich der Sanfmuth Bild nicht leben-
dig eingepräget,

Das
Leichen-Carmina.
Waͤrs auch moͤglich, daß nur einer bey dir ohne
Regung ſey?

Denn hie darf die Wahrheit reden und dem
Neid entgegen gehn:

Wie hat dieſer fromme Knecht, der von Lieb und
Sanftmuth lebte,

Der bey ſeiner groſſen Kraft nach der tieff ſten
Demuth ſtrebte,

Mit der innigſten Begierde auf dein wahres
Heil geſehn?

Honig trieften ſeine Lippen; und wie ſich ein
Quell ergeußt,

Alſo floß die lautre Milch voller Kraft aus ſei-
nem Munde:

Darum biſt du manche Zeit, Glaucha, und
noch dieſe Stunde

Ein gelobtes Land zu nennen, worin Milch und
Honig fleußt.

Zwar jetzt ſchenckt der Hoͤchſte Wermuth in
den Trauerbecher ein;

Da dich deines Lehrers Tod billig bis zur Er-
den beuget:

Doch, was ſein Gedaͤchtniß lehrt und auch nach
dem Tode zeuget,

Kann in dir ein Strom des Segens und ein
Bach des Lebens ſeyn.

Denn kein Hertz wird in dir wohnen, waͤr es
gleich von Diamant:

Welchem ſich der Sanfmuth Bild nicht leben-
dig eingepraͤget,

Das
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[88/0088] Leichen-Carmina. Waͤrs auch moͤglich, daß nur einer bey dir ohne Regung ſey? Denn hie darf die Wahrheit reden und dem Neid entgegen gehn: Wie hat dieſer fromme Knecht, der von Lieb und Sanftmuth lebte, Der bey ſeiner groſſen Kraft nach der tieff ſten Demuth ſtrebte, Mit der innigſten Begierde auf dein wahres Heil geſehn? Honig trieften ſeine Lippen; und wie ſich ein Quell ergeußt, Alſo floß die lautre Milch voller Kraft aus ſei- nem Munde: Darum biſt du manche Zeit, Glaucha, und noch dieſe Stunde Ein gelobtes Land zu nennen, worin Milch und Honig fleußt. Zwar jetzt ſchenckt der Hoͤchſte Wermuth in den Trauerbecher ein; Da dich deines Lehrers Tod billig bis zur Er- den beuget: Doch, was ſein Gedaͤchtniß lehrt und auch nach dem Tode zeuget, Kann in dir ein Strom des Segens und ein Bach des Lebens ſeyn. Denn kein Hertz wird in dir wohnen, waͤr es gleich von Diamant: Welchem ſich der Sanfmuth Bild nicht leben- dig eingepraͤget, Das

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Zitationshilfe: Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/376914/88>, abgerufen am 09.05.2024.