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Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692].

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Die itzt abfallende
ten/ welche einige Blätter in Ost-Jndien an einem Orte an
sich haben sollen. Denn da sollen in der Jnsul Borneo sol-
che Blätter seyn/ die/ wenn sie gleich schon einmahl abge-
fallen/ dennoch leben und auff dem Stiele wie auff einem
Fusse wandeln/ und noch einige Zeit-Länge bestehen. Wie
das zugehe/ will ich wohl nicht sagen; Gleichwohl auch vor-
nehmer Leute Zeugnüß als des Majoli, Schotti, Pincieri, E-
rasmi Francisci
und anderer nicht in Zweiffel ziehen (Vid. E-
rasmus Francisci
in des Lust-Gartens vorgesprächen P. I. p.
36. Majolus Dierum Canicularium Colloqu. 6. & 21. part. 4.
Casp. Schottus l. 4. Magiae Natural. p. 435. & 441. &c.) Forerus

meinet/ daß wenn diese Blätter abfallen/ etwan ein Wür-
michen oder ander neu-gebohrnes Thierchen dahin krieche/
sich darein logire, und das umb sich gehüllte Blat nachmals
wie ein Hauß mit sichfortziehe. Schottus will dagegen ger-
ne gläuben/ daß selbte Blätter an dem Baume selbsten all-
gemach mit einem sinnlichen Leben belebet wären/ nach sol-
cher empfangenen Sinn-Lebigkeit etlicher massen ferner
in die Gestalt eines Vögleins gebildet würden/ und anwach-
sende Füsse bekämen/ hiernechst abfielen und also fortwan-
derten und walleten. Alleine so ein Gleiches gleich gewünt-
schet solte werden; Res saltem voti esset, non tamen Spei;
So würde es doch nur zu wüntschen und nicht zu hoffen
stehen oder zu erwarten seyn: Daß nemlich die abgefallene
Blätter/ die erstorbene Leiber der Christen/ wenn sie ein-
mahl abgelebet und in die Erde gefallen/ wiederumb zu der
Erden belebet solten werden/ auff derselben wieder einher
gehen und wandeln. Es wäre auch gewiß kein Glücke vor
sie/ wenn es geschehen und erfolgen solte/ und sie diß elende

Leben

Die itzt abfallende
ten/ welche einige Blaͤtter in Oſt-Jndien an einem Orte an
ſich haben ſollen. Denn da ſollen in der Jnſul Borneo ſol-
che Blaͤtter ſeyn/ die/ wenn ſie gleich ſchon einmahl abge-
fallen/ dennoch leben und auff dem Stiele wie auff einem
Fuſſe wandeln/ und noch einige Zeit-Laͤnge beſtehen. Wie
das zugehe/ will ich wohl nicht ſagen; Gleichwohl auch vor-
nehmer Leute Zeugnuͤß als des Majoli, Schotti, Pincieri, E-
rasmi Franciſci
und anderer nicht in Zweiffel ziehen (Vid. E-
rasmus Franciſci
in des Luſt-Gartens vorgeſpraͤchen P. I. p.
36. Majolus Dierum Canicularium Colloqu. 6. & 21. part. 4.
Caſp. Schottus l. 4. Magiæ Natural. p. 435. & 441. &c.) Forerus

meinet/ daß wenn dieſe Blaͤtter abfallen/ etwan ein Wuͤr-
michen oder ander neu-gebohrnes Thierchen dahin krieche/
ſich darein logire, und das umb ſich gehuͤllte Blat nachmals
wie ein Hauß mit ſichfortziehe. Schottus will dagegen ger-
ne glaͤuben/ daß ſelbte Blaͤtter an dem Baume ſelbſten all-
gemach mit einem ſinnlichen Leben belebet waͤren/ nach ſol-
cher empfangenen Sinn-Lebigkeit etlicher maſſen ferner
in die Geſtalt eines Voͤgleins gebildet wuͤrden/ und anwach-
ſende Fuͤſſe bekaͤmen/ hiernechſt abfielen und alſo fortwan-
derten und walleten. Alleine ſo ein Gleiches gleich gewuͤnt-
ſchet ſolte werden; Res ſaltem voti eſſet, non tamen Spei;
So wuͤrde es doch nur zu wuͤntſchen und nicht zu hoffen
ſtehen oder zu erwarten ſeyn: Daß nemlich die abgefallene
Blaͤtter/ die erſtorbene Leiber der Chriſten/ wenn ſie ein-
mahl abgelebet und in die Erde gefallen/ wiederumb zu der
Erden belebet ſolten werden/ auff derſelben wieder einher
gehen und wandeln. Es waͤre auch gewiß kein Gluͤcke vor
ſie/ wenn es geſchehen und erfolgen ſolte/ und ſie diß elende

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[38/0038] Die itzt abfallende ten/ welche einige Blaͤtter in Oſt-Jndien an einem Orte an ſich haben ſollen. Denn da ſollen in der Jnſul Borneo ſol- che Blaͤtter ſeyn/ die/ wenn ſie gleich ſchon einmahl abge- fallen/ dennoch leben und auff dem Stiele wie auff einem Fuſſe wandeln/ und noch einige Zeit-Laͤnge beſtehen. Wie das zugehe/ will ich wohl nicht ſagen; Gleichwohl auch vor- nehmer Leute Zeugnuͤß als des Majoli, Schotti, Pincieri, E- rasmi Franciſci und anderer nicht in Zweiffel ziehen (Vid. E- rasmus Franciſci in des Luſt-Gartens vorgeſpraͤchen P. I. p. 36. Majolus Dierum Canicularium Colloqu. 6. & 21. part. 4. Caſp. Schottus l. 4. Magiæ Natural. p. 435. & 441. &c.) Forerus meinet/ daß wenn dieſe Blaͤtter abfallen/ etwan ein Wuͤr- michen oder ander neu-gebohrnes Thierchen dahin krieche/ ſich darein logire, und das umb ſich gehuͤllte Blat nachmals wie ein Hauß mit ſichfortziehe. Schottus will dagegen ger- ne glaͤuben/ daß ſelbte Blaͤtter an dem Baume ſelbſten all- gemach mit einem ſinnlichen Leben belebet waͤren/ nach ſol- cher empfangenen Sinn-Lebigkeit etlicher maſſen ferner in die Geſtalt eines Voͤgleins gebildet wuͤrden/ und anwach- ſende Fuͤſſe bekaͤmen/ hiernechſt abfielen und alſo fortwan- derten und walleten. Alleine ſo ein Gleiches gleich gewuͤnt- ſchet ſolte werden; Res ſaltem voti eſſet, non tamen Spei; So wuͤrde es doch nur zu wuͤntſchen und nicht zu hoffen ſtehen oder zu erwarten ſeyn: Daß nemlich die abgefallene Blaͤtter/ die erſtorbene Leiber der Chriſten/ wenn ſie ein- mahl abgelebet und in die Erde gefallen/ wiederumb zu der Erden belebet ſolten werden/ auff derſelben wieder einher gehen und wandeln. Es waͤre auch gewiß kein Gluͤcke vor ſie/ wenn es geſchehen und erfolgen ſolte/ und ſie diß elende Leben

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Zitationshilfe: Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692], S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/359521/38>, abgerufen am 28.03.2024.