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Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.

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Andanckungs-Rede.

Die mit Thränen säen/ werden mit freuden ge-
erndtet. Wo man in täglicher Busse über seine angebor-
ne Fehler stets geweinet/ oder getrauret/ da gehet man den
nassen Augen GOttes und darauff erfolgendem Donner-
Schläge Göttlicher Rache auß dem Gesichte. Die Ge-
rechten kommen vor dem Ungewitter zur Ruhe/ nullis la-
chrymis componuntur.
Unsere Hochseelige Jungfr.
das Bußfertige Hertze wurde von jhrem Erlöser ohne und
vor Seinen Thränen zur Ruhe bracht/ als Sie an dem
Freytage zuvor aller Ursache zu Weinen/ der Sünden und
des Creutzes/ zugleich loß worden. Es ist aber nichts un-
gemeines/ daß an einem Orthe die Sonne scheinet/ wenn
an dem andern die Wolcken mit Strömen giessen. Freie
Seele/ sie gehet in Freuden/ jhr Erretter neben jhr mit
trockenen Augen über alle Wolcken/ Regen und Donner
nach Jerusalem an einen Orth/ von dem wir nur mit
Seneca sagen müssen: Semper ibi serenum est, es reg-
net daselbst/ weder in der kleinen/ noch grossen Welt. Al-
lein uns ist Jhre Sonne/ Jhr Rath/ Jhre Treue/ Jhre
Wohlthat/ kurtz jhre Tugend gar zu Wäßrich unter gegan-
gen/ massen indem jenigen Abend/ in welchem Sie uns
jhren Schein entzogen/ und der darauff folgenden Nacht
eine solche dicke und finstere Wolcke in Unseren Hertzen
auffgestiegen/ welche nachmahls in folgenden Tagen mit
Thränen-reichen Bächen unsere Wangen gäntzlich über-
schwemmet. Wie den die Traurigkeit so wohl von denen
Grichischen/ als Lateinischen Scribenten unter der Meta-
phora
einer Wolcken gar recht erkläret wird/ als welche
die Qvellen der kleineren Welt ziemlich Wasserreich und
Fruchtbar machet/ wie Petrus Victorius in seinen Variis

Lecti-
Andanckungs-Rede.

Die mit Thraͤnen ſaͤen/ werden mit freuden ge-
erndtet. Wo man in taͤglicher Buſſe uͤber ſeine angebor-
ne Fehler ſtets geweinet/ oder getrauret/ da gehet man den
naſſen Augen GOttes und darauff erfolgendem Donner-
Schlaͤge Goͤttlicher Rache auß dem Geſichte. Die Ge-
rechten kommen vor dem Ungewitter zur Ruhe/ nullis la-
chrymis componuntur.
Unſere Hochſeelige Jungfr.
das Bußfertige Hertze wurde von jhrem Erloͤſer ohne und
vor Seinen Thraͤnen zur Ruhe bracht/ als Sie an dem
Freytage zuvor aller Urſache zu Weinen/ der Suͤnden und
des Creutzes/ zugleich loß worden. Es iſt aber nichts un-
gemeines/ daß an einem Orthe die Sonne ſcheinet/ wenn
an dem andern die Wolcken mit Stroͤmen gieſſen. Freie
Seele/ ſie gehet in Freuden/ jhr Erretter neben jhr mit
trockenen Augen uͤber alle Wolcken/ Regen und Donner
nach Jeruſalem an einen Orth/ von dem wir nur mit
Seneca ſagen muͤſſen: Semper ibi ſerenum eſt, es reg-
net daſelbſt/ weder in der kleinen/ noch groſſen Welt. Al-
lein uns iſt Jhre Sonne/ Jhr Rath/ Jhre Treue/ Jhre
Wohlthat/ kurtz jhre Tugend gar zu Waͤßrich unter gegan-
gen/ maſſen indem jenigen Abend/ in welchem Sie uns
jhren Schein entzogen/ und der darauff folgenden Nacht
eine ſolche dicke und finſtere Wolcke in Unſeren Hertzen
auffgeſtiegen/ welche nachmahls in folgenden Tagen mit
Thraͤnen-reichen Baͤchen unſere Wangen gaͤntzlich uͤber-
ſchwemmet. Wie den die Traurigkeit ſo wohl von denen
Grichiſchen/ als Lateiniſchen Scribenten unter der Meta-
phora
einer Wolcken gar recht erklaͤret wird/ als welche
die Qvellen der kleineren Welt ziemlich Waſſerreich und
Fruchtbar machet/ wie Petrus Victorius in ſeinen Variis

Lecti-
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[90[98]/0098] Andanckungs-Rede. Die mit Thraͤnen ſaͤen/ werden mit freuden ge- erndtet. Wo man in taͤglicher Buſſe uͤber ſeine angebor- ne Fehler ſtets geweinet/ oder getrauret/ da gehet man den naſſen Augen GOttes und darauff erfolgendem Donner- Schlaͤge Goͤttlicher Rache auß dem Geſichte. Die Ge- rechten kommen vor dem Ungewitter zur Ruhe/ nullis la- chrymis componuntur. Unſere Hochſeelige Jungfr. das Bußfertige Hertze wurde von jhrem Erloͤſer ohne und vor Seinen Thraͤnen zur Ruhe bracht/ als Sie an dem Freytage zuvor aller Urſache zu Weinen/ der Suͤnden und des Creutzes/ zugleich loß worden. Es iſt aber nichts un- gemeines/ daß an einem Orthe die Sonne ſcheinet/ wenn an dem andern die Wolcken mit Stroͤmen gieſſen. Freie Seele/ ſie gehet in Freuden/ jhr Erretter neben jhr mit trockenen Augen uͤber alle Wolcken/ Regen und Donner nach Jeruſalem an einen Orth/ von dem wir nur mit Seneca ſagen muͤſſen: Semper ibi ſerenum eſt, es reg- net daſelbſt/ weder in der kleinen/ noch groſſen Welt. Al- lein uns iſt Jhre Sonne/ Jhr Rath/ Jhre Treue/ Jhre Wohlthat/ kurtz jhre Tugend gar zu Waͤßrich unter gegan- gen/ maſſen indem jenigen Abend/ in welchem Sie uns jhren Schein entzogen/ und der darauff folgenden Nacht eine ſolche dicke und finſtere Wolcke in Unſeren Hertzen auffgeſtiegen/ welche nachmahls in folgenden Tagen mit Thraͤnen-reichen Baͤchen unſere Wangen gaͤntzlich uͤber- ſchwemmet. Wie den die Traurigkeit ſo wohl von denen Grichiſchen/ als Lateiniſchen Scribenten unter der Meta- phora einer Wolcken gar recht erklaͤret wird/ als welche die Qvellen der kleineren Welt ziemlich Waſſerreich und Fruchtbar machet/ wie Petrus Victorius in ſeinen Variis Lecti-

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Zitationshilfe: Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686, S. 90[98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358833/98>, abgerufen am 24.11.2024.