Kleiner, Johann Georg: Die doppelte Glückseligkeit der Gerechten. Brieg, 1722.Die doppelte Glückseligkeit würdigten Hohen Gnaden-Thränen/ mein schuldigstes Danck-Opffer in gleichfalls vergiessenden Thränen/ als ein Zeichen der danckbahrsten Erkänntlichkeit vor alle genossene hohe Gna- de und alles Gute erstatte. Fürnehmlich aber habe ich Ursa- che Thränen zu lassen/ wenn ich bedencke/ was ich in diesem Hause des HErrn an der Wohl-Seligen vor eine auf ihren Knien offtmals die längste Zeit gelegene und andächtig betende Hanna: bey Anhörung Göttlichen Worts/ eine fromme auf- Actor. 16.mercksame Lydia, und bey Jhrer jedesmal angestellten H. Buß- und Communion-Andacht eine nach Jhrem andern geführ- ten Tauff-Namen bußfertig weinende Magdalena verlohren. Sie wuste/ daß die Thränen rechtschaffener Busse der rechte Engel-Wein seyn/ wodurch sie erfreuet würden/ darum ließ Jer. 9. v. 1.Sie mit Jeremia öffters Jhre Augen zu Thränen-Quellen werden/ und streuete mit David über Jhre anklebende Schwach- Ps. 126. v. 5.heiten/ und täglich begehende Fehler/ Jhre Thränen-Saat aus/ womit Sie dermaleins/ wie alle Gerechten/ dort mit Freuden erndten möchte. Nun diese weggeraffte Gerechte nehme ich nach dem Befehl des Allerhöchsten beym Propheten Esaia am Es. 57. v. 1.57. Capitel recht zu Hertzen/ und stimme über Jhrem Unter- gang kläglich/ und winselnde mit dem Könige David/ aus sei- nem 12. Psalm an: Hilff HErr! die Heiligen nehmen ab/ und der Gläubigen meiner Zuhörer wird immer weniger! Was aber zu thun? Gleichwie Jener erlangtes Glück/ als auch unser aller hierüber verspührendes Unglück einerley Grund und Ur- Syr. 11. v. 14.sprung hat/ und beydes von GOtt kömmt/ nach dem 11. Ca- pitel Syrachs; So muß es uns auch gefallen. Massen der fromme Bischoff Isidorus gar nachdencklich saget: Illi deplorandi non sunt, quos Curia coelestis laetificandos includit. d. i. Diejenigen solle man nicht beweinen/ die schon der Himmel auf ewig zu erfreuen/ angenommen. Wir wollen uns demnach an den un- erforschlichen Gerichten des allein gerechten GOttes nicht ver- greiffen/
Die doppelte Gluͤckſeligkeit wuͤrdigten Hohen Gnaden-Thraͤnen/ mein ſchuldigſtes Danck-Opffer in gleichfalls vergieſſenden Thraͤnen/ als ein Zeichen der danckbahrſten Erkaͤnntlichkeit vor alle genoſſene hohe Gna- de und alles Gute erſtatte. Fuͤrnehmlich aber habe ich Urſa- che Thraͤnen zu laſſen/ wenn ich bedencke/ was ich in dieſem Hauſe des HErrn an der Wohl-Seligen vor eine auf ihren Knien offtmals die laͤngſte Zeit gelegene und andaͤchtig betende Hanna: bey Anhoͤrung Goͤttlichen Worts/ eine fromme auf- Actor. 16.merckſame Lydia, und bey Jhrer jedesmal angeſtellten H. Buß- und Communion-Andacht eine nach Jhrem andern gefuͤhr- ten Tauff-Namen bußfertig weinende Magdalena verlohren. Sie wuſte/ daß die Thraͤnen rechtſchaffener Buſſe der rechte Engel-Wein ſeyn/ wodurch ſie erfreuet wuͤrden/ darum ließ Jer. 9. v. 1.Sie mit Jeremia oͤffters Jhre Augen zu Thraͤnen-Quellen werden/ und ſtreuete mit David uͤber Jhre anklebende Schwach- Pſ. 126. v. 5.heiten/ und taͤglich begehende Fehler/ Jhre Thraͤnen-Saat aus/ womit Sie dermaleins/ wie alle Gerechten/ dort mit Freuden erndten moͤchte. Nun dieſe weggeraffte Gerechte nehme ich nach dem Befehl des Allerhoͤchſten beym Propheten Eſaia am Eſ. 57. v. 1.57. Capitel recht zu Hertzen/ und ſtimme uͤber Jhrem Unter- gang klaͤglich/ und winſelnde mit dem Koͤnige David/ aus ſei- nem 12. Pſalm an: Hilff HErr! die Heiligen nehmen ab/ und der Glaͤubigen meiner Zuhoͤrer wird immer weniger! Was aber zu thun? Gleichwie Jener erlangtes Gluͤck/ als auch unſer aller hieruͤber verſpuͤhrendes Ungluͤck einerley Grund und Ur- Syr. 11. v. 14.ſprung hat/ und beydes von GOtt koͤmmt/ nach dem 11. Ca- pitel Syrachs; So muß es uns auch gefallen. Maſſen der fromme Biſchoff Iſidorus gar nachdencklich ſaget: Illi deplorandi non ſunt, quos Curia cœleſtis lætificandos includit. d. i. Diejenigen ſolle man nicht beweinen/ die ſchon der Himmel auf ewig zu erfreuen/ angenommen. Wir wollen uns demnach an den un- erforſchlichen Gerichten des allein gerechten GOttes nicht ver- greiffen/
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Die doppelte Gluͤckſeligkeit
wuͤrdigten Hohen Gnaden-Thraͤnen/ mein ſchuldigſtes Danck-
Opffer in gleichfalls vergieſſenden Thraͤnen/ als ein Zeichen
der danckbahrſten Erkaͤnntlichkeit vor alle genoſſene hohe Gna-
de und alles Gute erſtatte. Fuͤrnehmlich aber habe ich Urſa-
che Thraͤnen zu laſſen/ wenn ich bedencke/ was ich in dieſem
Hauſe des HErrn an der Wohl-Seligen vor eine auf ihren
Knien offtmals die laͤngſte Zeit gelegene und andaͤchtig betende
Hanna: bey Anhoͤrung Goͤttlichen Worts/ eine fromme auf-
merckſame Lydia, und bey Jhrer jedesmal angeſtellten H. Buß-
und Communion-Andacht eine nach Jhrem andern gefuͤhr-
ten Tauff-Namen bußfertig weinende Magdalena verlohren.
Sie wuſte/ daß die Thraͤnen rechtſchaffener Buſſe der rechte
Engel-Wein ſeyn/ wodurch ſie erfreuet wuͤrden/ darum ließ
Sie mit Jeremia oͤffters Jhre Augen zu Thraͤnen-Quellen
werden/ und ſtreuete mit David uͤber Jhre anklebende Schwach-
heiten/ und taͤglich begehende Fehler/ Jhre Thraͤnen-Saat aus/
womit Sie dermaleins/ wie alle Gerechten/ dort mit Freuden
erndten moͤchte. Nun dieſe weggeraffte Gerechte nehme ich
nach dem Befehl des Allerhoͤchſten beym Propheten Eſaia am
57. Capitel recht zu Hertzen/ und ſtimme uͤber Jhrem Unter-
gang klaͤglich/ und winſelnde mit dem Koͤnige David/ aus ſei-
nem 12. Pſalm an: Hilff HErr! die Heiligen nehmen ab/ und
der Glaͤubigen meiner Zuhoͤrer wird immer weniger! Was
aber zu thun? Gleichwie Jener erlangtes Gluͤck/ als auch unſer
aller hieruͤber verſpuͤhrendes Ungluͤck einerley Grund und Ur-
ſprung hat/ und beydes von GOtt koͤmmt/ nach dem 11. Ca-
pitel Syrachs; So muß es uns auch gefallen. Maſſen der
fromme Biſchoff Iſidorus gar nachdencklich ſaget: Illi deplorandi
non ſunt, quos Curia cœleſtis lætificandos includit. d. i. Diejenigen
ſolle man nicht beweinen/ die ſchon der Himmel auf ewig zu
erfreuen/ angenommen. Wir wollen uns demnach an den un-
erforſchlichen Gerichten des allein gerechten GOttes nicht ver-
greiffen/
Actor. 16.
Jer. 9. v. 1.
Pſ. 126. v. 5.
Eſ. 57. v. 1.
Syr. 11.
v. 14.
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Zitationshilfe: | Kleiner, Johann Georg: Die doppelte Glückseligkeit der Gerechten. Brieg, 1722, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358654/10>, abgerufen am 16.02.2025. |