Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adolph, Christian: mors beatorvm EXODUS MISERIÆ TERRESTRIS, ET PA RASCEVE GLORIÆ COELESTIS. Leipzig, 1636.

Bild:
<< vorherige Seite

Leichpredigt.
rorum, sed infantia dulcior. Das ist: Kleine Kinder
bringen Lust: grosse Kinder bringen Ehre vnd Nutz. Al-
so/ daß dannenhero vnsere Kinder sie sind Klein oder Groß
bertzlichen geliebet werden.

Wenn vnsere Kinder zur Welt gebohren werden/
so ist die Liebe gegen sie so bald groß/ daß eine Mutter nicht
mehr gedencket an die Angst/ vmb der Frewde willen/ daß der
Mensch zur Welt gebohren ist. Joh. 16.

Wenn sie anfangen ein wenig zu sitzen/ zu Kirmeln
vnd Liebäugeln; so sind sie in vnsern Augen wie die Spielrög-
lichen. Denn ob man einen Vogel gleich nicht verstehet/ hat
man doch Lust an seinem singen: also ob man gleich nicht weiß
was die lieben Kinder lallen/ ist es vns doch annehmlich sie zu
hören/ also daß ihm auch GOtt in dem Munde der Vnmün-
digen vnd Seuglingen eine Lust/ Lob/ vnd Macht bereitet hat/
wie die Schrifft redet/ Psal. 8. v. 3.

Wenn sie anfangen zu Lauffen vnd zu Reden/
vnd können alles Wercklich fürbringen/ da steiget gleich die Lie-
be bey den Eltern in einen höhern Grad/ also/ daß wir in sol-
cher Liebe offt selber gleich wie zu Kindern werden/ Kindisch
mit jhnen reden/ vnd rechte Kinderwercke mit jhnen fürneh-
men wie der Lacedemonier König Agesilaus/ der mit seinen
Kindern auff Stecken in der Stuben herumb ritte; Bat sei-
nen Diener/ der solches sahe nicht nach zusagen/ biß er auch ein-
mal würde Kinder haben.

Wenn vnsere Kinder nun erwachsen/ daß sie in die
Schule gehen
/ oder zu was andern können gehalten werden/
da machen wir vns allerley grosse Sperantz, vnd schreiben jh-
nen viel vnd grosse Ding zu/ welches alles die geschöpffte gros-
se Liebe vervrsachet. Daher nennt Menander die Kinder
Philtra oder Liebesträncke/ wenn er spricht: O Filii filii,

quan-

Leichpredigt.
rorum, ſed infantia dulcior. Das iſt: Kleine Kinder
bringen Luſt: groſſe Kinder bringen Ehre vnd Nutz. Al-
ſo/ daß dannenhero vnſere Kinder ſie ſind Klein oder Groß
bertzlichen geliebet werden.

Wenn vnſere Kinder zur Welt gebohren werden/
ſo iſt die Liebe gegen ſie ſo bald groß/ daß eine Mutter nicht
mehr gedencket an die Angſt/ vmb der Frewde willen/ daß der
Menſch zur Welt gebohren iſt. Joh. 16.

Wenn ſie anfangen ein wenig zu ſitzen/ zu Kirmeln
vnd Liebaͤugeln; ſo ſind ſie in vnſern Augen wie die Spielroͤg-
lichen. Denn ob man einen Vogel gleich nicht verſtehet/ hat
man doch Luſt an ſeinem ſingen: alſo ob man gleich nicht weiß
was die lieben Kinder lallen/ iſt es vns doch annehmlich ſie zu
hoͤren/ alſo daß ihm auch GOtt in dem Munde der Vnmuͤn-
digen vnd Seuglingen eine Luſt/ Lob/ vnd Macht bereitet hat/
wie die Schrifft redet/ Pſal. 8. v. 3.

Wenn ſie anfangen zu Lauffen vnd zu Reden/
vnd koͤnnen alles Wercklich fuͤrbringen/ da ſteiget gleich die Lie-
be bey den Eltern in einen hoͤhern Grad/ alſo/ daß wir in ſol-
cher Liebe offt ſelber gleich wie zu Kindern werden/ Kindiſch
mit jhnen reden/ vnd rechte Kinderwercke mit jhnen fuͤrneh-
men wie der Lacedemonier Koͤnig Ageſilaus/ der mit ſeinen
Kindern auff Stecken in der Stuben herumb ritte; Bat ſei-
nen Diener/ der ſolches ſahe nicht nach zuſagen/ biß er auch ein-
mal wuͤrde Kinder haben.

Wenn vnſere Kinder nun erwachſen/ daß ſie in die
Schule gehen
/ oder zu was andern koͤnnen gehalten werden/
da machen wir vns allerley groſſe Sperantz, vnd ſchreiben jh-
nen viel vnd groſſe Ding zu/ welches alles die geſchoͤpffte groſ-
ſe Liebe vervrſachet. Daher nennt Menander die Kinder
Philtra oder Liebestraͤncke/ wenn er ſpricht: O Filii filii,

quan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsExordium" n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="4"/><fw type="header" place="top">Leichpredigt.</fw><lb/><hi rendition="#aq">rorum, &#x017F;ed infantia dulcior</hi>. Das i&#x017F;t: Kleine Kinder<lb/>
bringen Lu&#x017F;t: gro&#x017F;&#x017F;e Kinder bringen Ehre vnd Nutz. Al-<lb/>
&#x017F;o/ daß dannenhero vn&#x017F;ere Kinder &#x017F;ie &#x017F;ind Klein oder Groß<lb/>
bertzlichen geliebet werden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Wenn vn&#x017F;ere Kinder zur Welt gebohren werden</hi>/<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t die Liebe gegen &#x017F;ie &#x017F;o bald groß/ daß eine Mutter nicht<lb/>
mehr gedencket an die Ang&#x017F;t/ vmb der Frewde willen/ daß der<lb/>
Men&#x017F;ch zur Welt gebohren i&#x017F;t. Joh. 16.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Wenn &#x017F;ie anfangen ein wenig zu &#x017F;itzen/ zu Kirmeln</hi><lb/>
vnd Lieba&#x0364;ugeln; &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie in vn&#x017F;ern Augen wie die Spielro&#x0364;g-<lb/>
lichen. Denn ob man einen Vogel gleich nicht ver&#x017F;tehet/ hat<lb/>
man doch Lu&#x017F;t an &#x017F;einem &#x017F;ingen: al&#x017F;o ob man gleich nicht weiß<lb/>
was die lieben Kinder lallen/ i&#x017F;t es vns doch annehmlich &#x017F;ie zu<lb/>
ho&#x0364;ren/ al&#x017F;o daß ihm auch GOtt in dem Munde der Vnmu&#x0364;n-<lb/>
digen vnd Seuglingen eine Lu&#x017F;t/ Lob/ vnd Macht bereitet hat/<lb/>
wie die Schrifft redet/ P&#x017F;al. 8. v. 3.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Wenn &#x017F;ie anfangen zu Lauffen vnd zu Reden</hi>/<lb/>
vnd ko&#x0364;nnen alles Wercklich fu&#x0364;rbringen/ da &#x017F;teiget gleich die Lie-<lb/>
be bey den Eltern in einen ho&#x0364;hern Grad/ al&#x017F;o/ daß wir in &#x017F;ol-<lb/>
cher Liebe offt &#x017F;elber gleich wie zu Kindern werden/ Kindi&#x017F;ch<lb/>
mit jhnen reden/ vnd rechte Kinderwercke mit jhnen fu&#x0364;rneh-<lb/>
men wie der <hi rendition="#aq">Lacedemonier</hi> Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Age&#x017F;ilaus</hi>/ der mit &#x017F;einen<lb/>
Kindern auff Stecken in der Stuben herumb ritte<hi rendition="#i">;</hi> Bat &#x017F;ei-<lb/>
nen Diener/ der &#x017F;olches &#x017F;ahe nicht nach zu&#x017F;agen/ biß er auch ein-<lb/>
mal wu&#x0364;rde Kinder haben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Wenn vn&#x017F;ere Kinder nun erwach&#x017F;en/ daß &#x017F;ie in die<lb/>
Schule gehen</hi>/ oder zu was andern ko&#x0364;nnen gehalten werden/<lb/>
da machen wir vns allerley gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Sperantz,</hi> vnd &#x017F;chreiben jh-<lb/>
nen viel vnd gro&#x017F;&#x017F;e Ding zu/ welches alles die ge&#x017F;cho&#x0364;pffte gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Liebe vervr&#x017F;achet. Daher nennt <hi rendition="#aq">Menander</hi> die Kinder<lb/><hi rendition="#aq">Philtra</hi> oder Liebestra&#x0364;ncke/ wenn er &#x017F;pricht: <hi rendition="#aq">O Filii filii,</hi><lb/>
<fw type="catch" place="bottom"><hi rendition="#aq">quan-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0006] Leichpredigt. rorum, ſed infantia dulcior. Das iſt: Kleine Kinder bringen Luſt: groſſe Kinder bringen Ehre vnd Nutz. Al- ſo/ daß dannenhero vnſere Kinder ſie ſind Klein oder Groß bertzlichen geliebet werden. Wenn vnſere Kinder zur Welt gebohren werden/ ſo iſt die Liebe gegen ſie ſo bald groß/ daß eine Mutter nicht mehr gedencket an die Angſt/ vmb der Frewde willen/ daß der Menſch zur Welt gebohren iſt. Joh. 16. Wenn ſie anfangen ein wenig zu ſitzen/ zu Kirmeln vnd Liebaͤugeln; ſo ſind ſie in vnſern Augen wie die Spielroͤg- lichen. Denn ob man einen Vogel gleich nicht verſtehet/ hat man doch Luſt an ſeinem ſingen: alſo ob man gleich nicht weiß was die lieben Kinder lallen/ iſt es vns doch annehmlich ſie zu hoͤren/ alſo daß ihm auch GOtt in dem Munde der Vnmuͤn- digen vnd Seuglingen eine Luſt/ Lob/ vnd Macht bereitet hat/ wie die Schrifft redet/ Pſal. 8. v. 3. Wenn ſie anfangen zu Lauffen vnd zu Reden/ vnd koͤnnen alles Wercklich fuͤrbringen/ da ſteiget gleich die Lie- be bey den Eltern in einen hoͤhern Grad/ alſo/ daß wir in ſol- cher Liebe offt ſelber gleich wie zu Kindern werden/ Kindiſch mit jhnen reden/ vnd rechte Kinderwercke mit jhnen fuͤrneh- men wie der Lacedemonier Koͤnig Ageſilaus/ der mit ſeinen Kindern auff Stecken in der Stuben herumb ritte; Bat ſei- nen Diener/ der ſolches ſahe nicht nach zuſagen/ biß er auch ein- mal wuͤrde Kinder haben. Wenn vnſere Kinder nun erwachſen/ daß ſie in die Schule gehen/ oder zu was andern koͤnnen gehalten werden/ da machen wir vns allerley groſſe Sperantz, vnd ſchreiben jh- nen viel vnd groſſe Ding zu/ welches alles die geſchoͤpffte groſ- ſe Liebe vervrſachet. Daher nennt Menander die Kinder Philtra oder Liebestraͤncke/ wenn er ſpricht: O Filii filii, quan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/343019
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/343019/6
Zitationshilfe: Adolph, Christian: mors beatorvm EXODUS MISERIÆ TERRESTRIS, ET PA RASCEVE GLORIÆ COELESTIS. Leipzig, 1636, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/343019/6>, abgerufen am 22.11.2024.