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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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sammelt hatte, wandelte ich mit der Herrin Arm
in Arm, in einiger Entfernung von den übrigen
Gästen, und bemühte mich, ihr Redensarten
vorzudrechseln. Sie sah sittig vor sich nieder
und erwiederte leise den Druck meiner Hand; da
trat unversehens hinter uns der Mond aus den
Wolken hervor -- und sie sah nur ihren Schat-
ten vor sich hinfallen. Sie fuhr zusammen und
blickte bestürzt mich an, dann wieder auf die Erde,
mit dem Auge meinen Schatten begehrend; und
was in ihr vorging, malte sich so sonderbar in ih-
ren Mienen, daß ich in ein lautes Gelächter hätte
ausbrechen mögen, wenn es mir nicht selber eis-
kalt über den Rücken gelaufen wäre.

Ich ließ sie aus meinem Arm in eine Ohn-
macht sinken, schoß wie ein Pfeil durch die ent-
setzten Gäste, erreichte die Thür', warf mich in
den ersten Wagen, den ich da haltend fand, und
fuhr nach der Stadt zurück, wo ich diesmal zu
meinem Unheil den vorsichtigen Bendel gelassen
hatte. Er erschrak, als er mich sah, ein Wort
entdeckte ihm Alles. Es wurden auf der Stelle
Postpferde geholt. Ich nahm nur einen meiner
Leute mit mir, einen abgefeimten Spitzbuben,

*

ſammelt hatte, wandelte ich mit der Herrin Arm
in Arm, in einiger Entfernung von den übrigen
Gäſten, und bemühte mich, ihr Redensarten
vorzudrechſeln. Sie ſah ſittig vor ſich nieder
und erwiederte leiſe den Druck meiner Hand; da
trat unverſehens hinter uns der Mond aus den
Wolken hervor — und ſie ſah nur ihren Schat-
ten vor ſich hinfallen. Sie fuhr zuſammen und
blickte beſtürzt mich an, dann wieder auf die Erde,
mit dem Auge meinen Schatten begehrend; und
was in ihr vorging, malte ſich ſo ſonderbar in ih-
ren Mienen, daß ich in ein lautes Gelächter hätte
ausbrechen mögen, wenn es mir nicht ſelber eis-
kalt über den Rücken gelaufen wäre.

Ich ließ ſie aus meinem Arm in eine Ohn-
macht ſinken, ſchoß wie ein Pfeil durch die ent-
ſetzten Gäſte, erreichte die Thür’, warf mich in
den erſten Wagen, den ich da haltend fand, und
fuhr nach der Stadt zurück, wo ich diesmal zu
meinem Unheil den vorſichtigen Bendel gelaſſen
hatte. Er erſchrak, als er mich ſah, ein Wort
entdeckte ihm Alles. Es wurden auf der Stelle
Poſtpferde geholt. Ich nahm nur einen meiner
Leute mit mir, einen abgefeimten Spitzbuben,

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[51/0061] ſammelt hatte, wandelte ich mit der Herrin Arm in Arm, in einiger Entfernung von den übrigen Gäſten, und bemühte mich, ihr Redensarten vorzudrechſeln. Sie ſah ſittig vor ſich nieder und erwiederte leiſe den Druck meiner Hand; da trat unverſehens hinter uns der Mond aus den Wolken hervor — und ſie ſah nur ihren Schat- ten vor ſich hinfallen. Sie fuhr zuſammen und blickte beſtürzt mich an, dann wieder auf die Erde, mit dem Auge meinen Schatten begehrend; und was in ihr vorging, malte ſich ſo ſonderbar in ih- ren Mienen, daß ich in ein lautes Gelächter hätte ausbrechen mögen, wenn es mir nicht ſelber eis- kalt über den Rücken gelaufen wäre. Ich ließ ſie aus meinem Arm in eine Ohn- macht ſinken, ſchoß wie ein Pfeil durch die ent- ſetzten Gäſte, erreichte die Thür’, warf mich in den erſten Wagen, den ich da haltend fand, und fuhr nach der Stadt zurück, wo ich diesmal zu meinem Unheil den vorſichtigen Bendel gelaſſen hatte. Er erſchrak, als er mich ſah, ein Wort entdeckte ihm Alles. Es wurden auf der Stelle Poſtpferde geholt. Ich nahm nur einen meiner Leute mit mir, einen abgefeimten Spitzbuben, *

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/61>, abgerufen am 25.04.2024.