Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

ein leises Geräusch auf, ich warf, zur Flucht bereit,
den Blick um mich her, ich sah Niemand: aber es
kam auf dem sonnigen Sande an mir vorbei ge-
glitten ein Menschenschatten, dem meinigen nicht
unähnlich, welcher, allein daher wandelnd, von
seinem Herrn abgekommen zu sein schien.

Da erwachte in mir ein mächtiger Trieb:
Schatten, dacht' ich, suchst du deinen Herrn? der
will ich sein. Und ich sprang hinzu, mich seiner
zu bemächtigen; ich dachte nämlich, daß, wenn es
mir glückte, in seine Spur zu treten, so, daß er
mir an die Füße käme, er wohl daran hängen blei-
ben würde, und sich mit der Zeit an mich gewöhnen.

Der Schatten, auf meine Bewegung, nahm
vor mir die Flucht, und ich mußte auf den leich-
ten Flüchtling eine angestrengte Jagd beginnen,
zu der mich allein der Gedanke, mich aus der
furchtbaren Lage, in der ich war, zu retten,
mit hinreichenden Kräften ausrüsten konnte. Er
floh einem freilich noch entfernten Walde zu, in
dessen Schatten ich ihn nothwendig hätte verlie-
ren müssen, -- ich sah's, ein Schreck durchzuckte

ein leiſes Geräuſch auf, ich warf, zur Flucht bereit,
den Blick um mich her, ich ſah Niemand: aber es
kam auf dem ſonnigen Sande an mir vorbei ge-
glitten ein Menſchenſchatten, dem meinigen nicht
unähnlich, welcher, allein daher wandelnd, von
ſeinem Herrn abgekommen zu ſein ſchien.

Da erwachte in mir ein mächtiger Trieb:
Schatten, dacht’ ich, ſuchſt du deinen Herrn? der
will ich ſein. Und ich ſprang hinzu, mich ſeiner
zu bemächtigen; ich dachte nämlich, daß, wenn es
mir glückte, in ſeine Spur zu treten, ſo, daß er
mir an die Füße käme, er wohl daran hängen blei-
ben würde, und ſich mit der Zeit an mich gewöhnen.

Der Schatten, auf meine Bewegung, nahm
vor mir die Flucht, und ich mußte auf den leich-
ten Flüchtling eine angeſtrengte Jagd beginnen,
zu der mich allein der Gedanke, mich aus der
furchtbaren Lage, in der ich war, zu retten,
mit hinreichenden Kräften ausrüſten konnte. Er
floh einem freilich noch entfernten Walde zu, in
deſſen Schatten ich ihn nothwendig hätte verlie-
ren müſſen, — ich ſah’s, ein Schreck durchzuckte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="72"/>
ein lei&#x017F;es Geräu&#x017F;ch auf, ich warf, zur Flucht bereit,<lb/>
den Blick um mich her, ich &#x017F;ah Niemand: aber es<lb/>
kam auf dem &#x017F;onnigen Sande an mir vorbei ge-<lb/>
glitten ein Men&#x017F;chen&#x017F;chatten, dem meinigen nicht<lb/>
unähnlich, welcher, allein daher wandelnd, von<lb/>
&#x017F;einem Herrn abgekommen zu &#x017F;ein &#x017F;chien.</p><lb/>
        <p>Da erwachte in mir ein mächtiger Trieb:<lb/>
Schatten, dacht&#x2019; ich, &#x017F;uch&#x017F;t du deinen Herrn? der<lb/>
will ich &#x017F;ein. Und ich &#x017F;prang hinzu, mich &#x017F;einer<lb/>
zu bemächtigen; ich dachte nämlich, daß, wenn es<lb/>
mir glückte, in &#x017F;eine Spur zu treten, &#x017F;o, daß er<lb/>
mir an die Füße käme, er wohl daran hängen blei-<lb/>
ben würde, und &#x017F;ich mit der Zeit an mich gewöhnen.</p><lb/>
        <p>Der Schatten, auf meine Bewegung, nahm<lb/>
vor mir die Flucht, und ich mußte auf den leich-<lb/>
ten Flüchtling eine ange&#x017F;trengte Jagd beginnen,<lb/>
zu der mich allein der Gedanke, mich aus der<lb/>
furchtbaren Lage, in der ich war, zu retten,<lb/>
mit hinreichenden Kräften ausrü&#x017F;ten konnte. Er<lb/>
floh einem freilich noch entfernten Walde zu, in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Schatten ich ihn nothwendig hätte verlie-<lb/>
ren mü&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; ich &#x017F;ah&#x2019;s, ein Schreck durchzuckte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0098] ein leiſes Geräuſch auf, ich warf, zur Flucht bereit, den Blick um mich her, ich ſah Niemand: aber es kam auf dem ſonnigen Sande an mir vorbei ge- glitten ein Menſchenſchatten, dem meinigen nicht unähnlich, welcher, allein daher wandelnd, von ſeinem Herrn abgekommen zu ſein ſchien. Da erwachte in mir ein mächtiger Trieb: Schatten, dacht’ ich, ſuchſt du deinen Herrn? der will ich ſein. Und ich ſprang hinzu, mich ſeiner zu bemächtigen; ich dachte nämlich, daß, wenn es mir glückte, in ſeine Spur zu treten, ſo, daß er mir an die Füße käme, er wohl daran hängen blei- ben würde, und ſich mit der Zeit an mich gewöhnen. Der Schatten, auf meine Bewegung, nahm vor mir die Flucht, und ich mußte auf den leich- ten Flüchtling eine angeſtrengte Jagd beginnen, zu der mich allein der Gedanke, mich aus der furchtbaren Lage, in der ich war, zu retten, mit hinreichenden Kräften ausrüſten konnte. Er floh einem freilich noch entfernten Walde zu, in deſſen Schatten ich ihn nothwendig hätte verlie- ren müſſen, — ich ſah’s, ein Schreck durchzuckte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/98
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/98>, abgerufen am 01.05.2024.