Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

einen gewissen Bendel, dessen treue und ver-
ständige Physiognomie mich gleich gewann. Der-
selbe war's, dessen Anhänglichkeit mich seither
tröstend durch das Elend des Lebens begleitete,
und mir mein düst'res Loos ertragen half. Ich
brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern,
mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern
und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein, und
kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und
Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespei-
cherten Goldes los zu werden; es schien aber
gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern.

Ich schwebte indeß über meinen Zustand
in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte kei-
nen Schritt aus meiner Thür' und ließ Abends
vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden,
bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich
gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrit-
tes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel
Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche
Meinung noch einmal zu prüfen. -- Die Nächte
waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf
ich einen weiten Mantel um, drückte mir den

einen gewiſſen Bendel, deſſen treue und ver-
ſtändige Phyſiognomie mich gleich gewann. Der-
ſelbe war’s, deſſen Anhänglichkeit mich ſeither
tröſtend durch das Elend des Lebens begleitete,
und mir mein düſt’res Loos ertragen half. Ich
brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern,
mit herrenloſen Knechten, Schuſtern, Schneidern
und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein, und
kaufte beſonders ſehr viele Koſtbarkeiten und
Edelſteine, um nur Etwas des vielen aufgeſpei-
cherten Goldes los zu werden; es ſchien aber
gar nicht, als könne der Haufen ſich vermindern.

Ich ſchwebte indeß über meinen Zuſtand
in den ängſtigendſten Zweifeln. Ich wagte kei-
nen Schritt aus meiner Thür’ und ließ Abends
vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden,
bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich
gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrit-
tes mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel
Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche
Meinung noch einmal zu prüfen. — Die Nächte
waren zu der Zeit mondhell. Abends ſpät warf
ich einen weiten Mantel um, drückte mir den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="20"/>
einen gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Bendel</hi>, de&#x017F;&#x017F;en treue und ver-<lb/>
&#x017F;tändige Phy&#x017F;iognomie mich gleich gewann. Der-<lb/>
&#x017F;elbe war&#x2019;s, de&#x017F;&#x017F;en Anhänglichkeit mich &#x017F;either<lb/>
trö&#x017F;tend durch das Elend des Lebens begleitete,<lb/>
und mir mein dü&#x017F;t&#x2019;res Loos ertragen half. Ich<lb/>
brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern,<lb/>
mit herrenlo&#x017F;en Knechten, Schu&#x017F;tern, Schneidern<lb/>
und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein, und<lb/>
kaufte be&#x017F;onders &#x017F;ehr viele Ko&#x017F;tbarkeiten und<lb/>
Edel&#x017F;teine, um nur Etwas des vielen aufge&#x017F;pei-<lb/>
cherten Goldes los zu werden; es &#x017F;chien aber<lb/>
gar nicht, als könne der Haufen &#x017F;ich vermindern.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chwebte indeß über meinen Zu&#x017F;tand<lb/>
in den äng&#x017F;tigend&#x017F;ten Zweifeln. Ich wagte kei-<lb/>
nen Schritt aus meiner Thür&#x2019; und ließ Abends<lb/>
vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden,<lb/>
bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich<lb/>
gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrit-<lb/>
tes mit den Schulknaben. Ich be&#x017F;chloß, &#x017F;o viel<lb/>
Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche<lb/>
Meinung noch einmal zu prüfen. &#x2014; Die Nächte<lb/>
waren zu der Zeit mondhell. Abends &#x017F;pät warf<lb/>
ich einen weiten Mantel um, drückte mir den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0044] einen gewiſſen Bendel, deſſen treue und ver- ſtändige Phyſiognomie mich gleich gewann. Der- ſelbe war’s, deſſen Anhänglichkeit mich ſeither tröſtend durch das Elend des Lebens begleitete, und mir mein düſt’res Loos ertragen half. Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern, mit herrenloſen Knechten, Schuſtern, Schneidern und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein, und kaufte beſonders ſehr viele Koſtbarkeiten und Edelſteine, um nur Etwas des vielen aufgeſpei- cherten Goldes los zu werden; es ſchien aber gar nicht, als könne der Haufen ſich vermindern. Ich ſchwebte indeß über meinen Zuſtand in den ängſtigendſten Zweifeln. Ich wagte kei- nen Schritt aus meiner Thür’ und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrit- tes mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. — Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends ſpät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/44
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/44>, abgerufen am 24.11.2024.