Liedchen zu Ende gebracht, lachte mich aus, setz- te mir den Schatten wieder zurecht, und be- lehrte mich, er würde erst an mir festhangen und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie- derum als rechtmäßiges Eigenthum besitzen wür- de. "Ich halte Sie," fuhr er fort, "am Schatten fest, und Sie kommen mir nicht loß. Ein reicher Mann, wie Sie, braucht einmal einen Schatten, das ist nicht anders, Sie sind nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht früher eingesehen haben." --
Ich setzte meine Reise auf derselben Strasse fort; es fanden sich bei mir alle Bequemlich- keiten des Lebens, und selbst ihre Pracht wieder ein; ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich einen, obgleich nur erborgten, Schatten be- saß, und ich flößte überall die Ehrfurcht ein, die der Reichthum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen. Mein wundersamer Begleiter, der sich selbst für den unwürdigen Diener des reichsten Mannes in der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen Dienstfertigkeit, über die Maßen gewandt und geschickt, der wahre Inbe-
Liedchen zu Ende gebracht, lachte mich aus, ſetz- te mir den Schatten wieder zurecht, und be- lehrte mich, er würde erſt an mir feſthangen und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie- derum als rechtmäßiges Eigenthum beſitzen wür- de. “Ich halte Sie,„ fuhr er fort, “am Schatten feſt, und Sie kommen mir nicht loß. Ein reicher Mann, wie Sie, braucht einmal einen Schatten, das iſt nicht anders, Sie ſind nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht früher eingeſehen haben.„ —
Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straſſe fort; es fanden ſich bei mir alle Bequemlich- keiten des Lebens, und ſelbſt ihre Pracht wieder ein; ich konnte mich frei und leicht bewegen, da ich einen, obgleich nur erborgten, Schatten be- ſaß, und ich flößte überall die Ehrfurcht ein, die der Reichthum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen. Mein wunderſamer Begleiter, der ſich ſelbſt für den unwürdigen Diener des reichſten Mannes in der Welt ausgab, war von einer außerordentlichen Dienſtfertigkeit, über die Maßen gewandt und geſchickt, der wahre Inbe-
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Liedchen zu Ende gebracht, lachte mich aus, ſetz-
te mir den Schatten wieder zurecht, und be-
lehrte mich, er würde erſt an mir feſthangen
und bei mir bleiben wollen, wann ich ihn wie-
derum als rechtmäßiges Eigenthum beſitzen wür-
de. “Ich halte Sie,„ fuhr er fort, “am
Schatten feſt, und Sie kommen mir nicht loß.
Ein reicher Mann, wie Sie, braucht einmal
einen Schatten, das iſt nicht anders, Sie ſind
nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht früher
eingeſehen haben.„ —
Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straſſe
fort; es fanden ſich bei mir alle Bequemlich-
keiten des Lebens, und ſelbſt ihre Pracht wieder
ein; ich konnte mich frei und leicht bewegen, da
ich einen, obgleich nur erborgten, Schatten be-
ſaß, und ich flößte überall die Ehrfurcht ein,
die der Reichthum gebietet; aber ich hatte den
Tod im Herzen. Mein wunderſamer Begleiter,
der ſich ſelbſt für den unwürdigen Diener des
reichſten Mannes in der Welt ausgab, war von
einer außerordentlichen Dienſtfertigkeit, über die
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/124>, abgerufen am 16.02.2025.
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