Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Wesens Schicksal mich gedrängt: was blieb mir
übrig, als wo ich Verderben gesäet, wo schnelle
Rettung von mir geheischt ward, eben rettend
blindlings hinzuzuspringen? denn die letzte Stun-
de schlug. -- Denke nicht so niedrig von mir,
mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich
irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt,
ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war,
mehr als eben mit Gold gekargt. -- Nein,
Adelbert; aber mit unüberwindlichem Hasse
gegen diesen räthselhaften Schleicher auf krum-
men Wegen, war meine Seele angefüllt. Ich
mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich je-
de Gemeinschaft mit ihm. -- Auch hier trat,
wie so oft schon in mein Leben, und wie über-
haupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereig-
niß an die Stelle einer That. Später habe
ich mich mit mir selber versöhnt. Ich habe erst-
lich die Nothwendigkeit verehren lernen, und
was ist mehr, als die gethanene That, das ge-
schehene Ereigniß ihr Eigenthum! Dann hab'
ich auch diese Nothwendigkeit als eine weise
Fügung verehren lernen, die durch das gesamm-
te große Getrieb' weht, darin wir blos als mit-

6*

Weſens Schickſal mich gedrängt: was blieb mir
übrig, als wo ich Verderben geſäet, wo ſchnelle
Rettung von mir geheiſcht ward, eben rettend
blindlings hinzuzuſpringen? denn die letzte Stun-
de ſchlug. — Denke nicht ſo niedrig von mir,
mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich
irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt,
ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war,
mehr als eben mit Gold gekargt. — Nein,
Adelbert; aber mit unüberwindlichem Haſſe
gegen dieſen räthſelhaften Schleicher auf krum-
men Wegen, war meine Seele angefüllt. Ich
mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich je-
de Gemeinſchaft mit ihm. — Auch hier trat,
wie ſo oft ſchon in mein Leben, und wie über-
haupt ſo oft in die Weltgeſchichte, ein Ereig-
niß an die Stelle einer That. Später habe
ich mich mit mir ſelber verſöhnt. Ich habe erſt-
lich die Nothwendigkeit verehren lernen, und
was iſt mehr, als die gethanene That, das ge-
ſchehene Ereigniß ihr Eigenthum! Dann hab’
ich auch dieſe Nothwendigkeit als eine weiſe
Fügung verehren lernen, die durch das geſamm-
te große Getrieb’ weht, darin wir blos als mit-

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="83"/>
We&#x017F;ens Schick&#x017F;al mich gedrängt: was blieb mir<lb/>
übrig, als wo ich Verderben ge&#x017F;äet, wo &#x017F;chnelle<lb/>
Rettung von mir gehei&#x017F;cht ward, eben rettend<lb/>
blindlings hinzuzu&#x017F;pringen? denn die letzte Stun-<lb/>
de &#x017F;chlug. &#x2014; Denke nicht &#x017F;o niedrig von mir,<lb/>
mein <hi rendition="#g">Adelbert</hi>, als zu meinen, es hätte mich<lb/>
irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt,<lb/>
ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war,<lb/>
mehr als eben mit Gold gekargt. &#x2014; Nein,<lb/><hi rendition="#g">Adelbert;</hi> aber mit unüberwindlichem Ha&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gegen die&#x017F;en räth&#x017F;elhaften Schleicher auf krum-<lb/>
men Wegen, war meine Seele angefüllt. Ich<lb/>
mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich je-<lb/>
de Gemein&#x017F;chaft mit ihm. &#x2014; Auch hier trat,<lb/>
wie &#x017F;o oft &#x017F;chon in mein Leben, und wie über-<lb/>
haupt &#x017F;o oft in die Weltge&#x017F;chichte, ein Ereig-<lb/>
niß an die Stelle einer That. Später habe<lb/>
ich mich mit mir &#x017F;elber ver&#x017F;öhnt. Ich habe er&#x017F;t-<lb/>
lich die Nothwendigkeit verehren lernen, und<lb/>
was i&#x017F;t mehr, als die gethanene That, das ge-<lb/>
&#x017F;chehene Ereigniß ihr Eigenthum! Dann hab&#x2019;<lb/>
ich auch die&#x017F;e Nothwendigkeit als eine wei&#x017F;e<lb/>
Fügung verehren lernen, die durch das ge&#x017F;amm-<lb/>
te große Getrieb&#x2019; weht, darin wir blos als mit-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0111] Weſens Schickſal mich gedrängt: was blieb mir übrig, als wo ich Verderben geſäet, wo ſchnelle Rettung von mir geheiſcht ward, eben rettend blindlings hinzuzuſpringen? denn die letzte Stun- de ſchlug. — Denke nicht ſo niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. — Nein, Adelbert; aber mit unüberwindlichem Haſſe gegen dieſen räthſelhaften Schleicher auf krum- men Wegen, war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich je- de Gemeinſchaft mit ihm. — Auch hier trat, wie ſo oft ſchon in mein Leben, und wie über- haupt ſo oft in die Weltgeſchichte, ein Ereig- niß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir ſelber verſöhnt. Ich habe erſt- lich die Nothwendigkeit verehren lernen, und was iſt mehr, als die gethanene That, das ge- ſchehene Ereigniß ihr Eigenthum! Dann hab’ ich auch dieſe Nothwendigkeit als eine weiſe Fügung verehren lernen, die durch das geſamm- te große Getrieb’ weht, darin wir blos als mit- 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/111
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/111>, abgerufen am 24.11.2024.