Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

denn meiner mußte ihm gleichfalls gehorchen und nach
allen seinen Bewegungen sich richten und bequemen.

Als ich nach so langer Zeit einmal meinen armen
Schatten wieder sah, und ihn zu solchem schnöden Dienst
herabgewürdigt fand, eben als ich um seinetwillen in so
namenloser Noth war, da brach mir das Herz, und ich
fing bitterlich zu weinen an. Der Verhaßte stolzierte mit
dem mir abgejagten Raub, und erneuerte unverschämt
seinen Antrag:

"Noch ist er für Sie zu haben, ein Federzug, und
Sie retten damit die arme unglückliche Mina aus des
Schuftes Klauen in des hochgeehrten Herrn Grafen Arme
-- wie gesagt, nur ein Federzug." Meine Thränen bra-
chen mit erneuter Kraft hervor, aber ich wandte mich weg,
und winkte ihm, sich zu entfernen.

Bendel, der voller Sorgen meine Spuren bis hieher
verfolgt hatte, traf in diesem Augenblick ein. Als mich
die treue, fromme Seele weinend fand, und meinen Schat-
ten, denn er war nicht zu verkennen, in der Gewalt des
wunderlichen grauen Unbekannten sah, beschloß er gleich,
sei es auch mit Gewalt, mich in den Besitz meines Ei-
genthums wieder herzustellen, und da er selbst mit dem
zarten Dinge nicht umzugehen verstand, griff er gleich den
Mann mit Worten an, und ohne vieles Fragen, gebot
er ihm stracks, mir das Meine unverzüglich verabfolgen
zu lassen. Dieser, statt aller Antwort, kehrte dem unschul-
digen Burschen den Rücken und ging. Bendel aber er-
hob den Kreuzdornknüttel, den er trug, und, ihm auf

denn meiner mußte ihm gleichfalls gehorchen und nach
allen ſeinen Bewegungen ſich richten und bequemen.

Als ich nach ſo langer Zeit einmal meinen armen
Schatten wieder ſah, und ihn zu ſolchem ſchnoͤden Dienſt
herabgewuͤrdigt fand, eben als ich um ſeinetwillen in ſo
namenloſer Noth war, da brach mir das Herz, und ich
fing bitterlich zu weinen an. Der Verhaßte ſtolzierte mit
dem mir abgejagten Raub, und erneuerte unverſchaͤmt
ſeinen Antrag:

〟Noch iſt er fuͤr Sie zu haben, ein Federzug, und
Sie retten damit die arme ungluͤckliche Mina aus des
Schuftes Klauen in des hochgeehrten Herrn Grafen Arme
— wie geſagt, nur ein Federzug.〞 Meine Thraͤnen bra-
chen mit erneuter Kraft hervor, aber ich wandte mich weg,
und winkte ihm, ſich zu entfernen.

Bendel, der voller Sorgen meine Spuren bis hieher
verfolgt hatte, traf in dieſem Augenblick ein. Als mich
die treue, fromme Seele weinend fand, und meinen Schat-
ten, denn er war nicht zu verkennen, in der Gewalt des
wunderlichen grauen Unbekannten ſah, beſchloß er gleich,
ſei es auch mit Gewalt, mich in den Beſitz meines Ei-
genthums wieder herzuſtellen, und da er ſelbſt mit dem
zarten Dinge nicht umzugehen verſtand, griff er gleich den
Mann mit Worten an, und ohne vieles Fragen, gebot
er ihm ſtracks, mir das Meine unverzuͤglich verabfolgen
zu laſſen. Dieſer, ſtatt aller Antwort, kehrte dem unſchul-
digen Burſchen den Ruͤcken und ging. Bendel aber er-
hob den Kreuzdornknuͤttel, den er trug, und, ihm auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0070" n="284"/>
denn meiner mußte ihm gleichfalls gehorchen und nach<lb/>
allen &#x017F;einen Bewegungen &#x017F;ich richten und bequemen.</p><lb/>
          <p>Als ich nach &#x017F;o langer Zeit einmal meinen armen<lb/>
Schatten wieder &#x017F;ah, und ihn zu &#x017F;olchem &#x017F;chno&#x0364;den Dien&#x017F;t<lb/>
herabgewu&#x0364;rdigt fand, eben als ich um &#x017F;einetwillen in &#x017F;o<lb/>
namenlo&#x017F;er Noth war, da brach mir das Herz, und ich<lb/>
fing bitterlich zu weinen an. Der Verhaßte &#x017F;tolzierte mit<lb/>
dem mir abgejagten Raub, und erneuerte unver&#x017F;cha&#x0364;mt<lb/>
&#x017F;einen Antrag:</p><lb/>
          <p>&#x301F;Noch i&#x017F;t er fu&#x0364;r Sie zu haben, ein Federzug, und<lb/>
Sie retten damit die arme unglu&#x0364;ckliche <hi rendition="#g">Mina</hi> aus des<lb/>
Schuftes Klauen in des hochgeehrten Herrn Grafen Arme<lb/>
&#x2014; wie ge&#x017F;agt, nur ein Federzug.&#x301E; Meine Thra&#x0364;nen bra-<lb/>
chen mit erneuter Kraft hervor, aber ich wandte mich weg,<lb/>
und winkte ihm, &#x017F;ich zu entfernen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Bendel</hi>, der voller Sorgen meine Spuren bis hieher<lb/>
verfolgt hatte, traf in die&#x017F;em Augenblick ein. Als mich<lb/>
die treue, fromme Seele weinend fand, und meinen Schat-<lb/>
ten, denn er war nicht zu verkennen, in der Gewalt des<lb/>
wunderlichen grauen Unbekannten &#x017F;ah, be&#x017F;chloß er gleich,<lb/>
&#x017F;ei es auch mit Gewalt, mich in den Be&#x017F;itz meines Ei-<lb/>
genthums wieder herzu&#x017F;tellen, und da er &#x017F;elb&#x017F;t mit dem<lb/>
zarten Dinge nicht umzugehen ver&#x017F;tand, griff er gleich den<lb/>
Mann mit Worten an, und ohne vieles Fragen, gebot<lb/>
er ihm &#x017F;tracks, mir das Meine unverzu&#x0364;glich verabfolgen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;er, &#x017F;tatt aller Antwort, kehrte dem un&#x017F;chul-<lb/>
digen Bur&#x017F;chen den Ru&#x0364;cken und ging. <hi rendition="#g">Bendel</hi> aber er-<lb/>
hob den Kreuzdornknu&#x0364;ttel, den er trug, und, ihm auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0070] denn meiner mußte ihm gleichfalls gehorchen und nach allen ſeinen Bewegungen ſich richten und bequemen. Als ich nach ſo langer Zeit einmal meinen armen Schatten wieder ſah, und ihn zu ſolchem ſchnoͤden Dienſt herabgewuͤrdigt fand, eben als ich um ſeinetwillen in ſo namenloſer Noth war, da brach mir das Herz, und ich fing bitterlich zu weinen an. Der Verhaßte ſtolzierte mit dem mir abgejagten Raub, und erneuerte unverſchaͤmt ſeinen Antrag: 〟Noch iſt er fuͤr Sie zu haben, ein Federzug, und Sie retten damit die arme ungluͤckliche Mina aus des Schuftes Klauen in des hochgeehrten Herrn Grafen Arme — wie geſagt, nur ein Federzug.〞 Meine Thraͤnen bra- chen mit erneuter Kraft hervor, aber ich wandte mich weg, und winkte ihm, ſich zu entfernen. Bendel, der voller Sorgen meine Spuren bis hieher verfolgt hatte, traf in dieſem Augenblick ein. Als mich die treue, fromme Seele weinend fand, und meinen Schat- ten, denn er war nicht zu verkennen, in der Gewalt des wunderlichen grauen Unbekannten ſah, beſchloß er gleich, ſei es auch mit Gewalt, mich in den Beſitz meines Ei- genthums wieder herzuſtellen, und da er ſelbſt mit dem zarten Dinge nicht umzugehen verſtand, griff er gleich den Mann mit Worten an, und ohne vieles Fragen, gebot er ihm ſtracks, mir das Meine unverzuͤglich verabfolgen zu laſſen. Dieſer, ſtatt aller Antwort, kehrte dem unſchul- digen Burſchen den Ruͤcken und ging. Bendel aber er- hob den Kreuzdornknuͤttel, den er trug, und, ihm auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/70
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/70>, abgerufen am 24.11.2024.