Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.einen Oelzweig und eine Rosenknospe in Dein Leben ge- Du kannst Dir denken, wie mir die Worte durch's Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu Einst sagte ich ihr: "Mina, der letzte Tag im künf- einen Oelzweig und eine Roſenknospe in Dein Leben ge- Du kannſt Dir denken, wie mir die Worte durch’s Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu Einſt ſagte ich ihr: 〟Mina, der letzte Tag im kuͤnf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="272"/> einen Oelzweig und eine Roſenknospe in Dein Leben ge-<lb/> flochten, wie in den Kranz, den ich Dir uͤberreichen durfte?<lb/> Habe Dich im Herzen, mein Geliebter, fuͤrchte nicht, von<lb/> mir zu gehen — werde ſterben, ach! ſo ſelig, ſo unaus-<lb/> ſprechlich ſelig durch Dich.〞 —</p><lb/> <p>Du kannſt Dir denken, wie mir die Worte durch’s<lb/> Herz ſchneiden mußten. Ich erklaͤrte ihr, ich ſei nicht das,<lb/> wofuͤr man mich anzuſehen ſchien; ich ſei nur ein reicher,<lb/> aber unendlich elender Mann. Auf mir ruhe ein Fluch,<lb/> der das einzige Geheimniß zwiſchen ihr und mir ſein ſolle,<lb/> weil ich noch nicht ohne Hoffnung ſei, daß er geloͤſt werde.<lb/> Dies ſei das Gift meiner Tage: daß ich ſie mit in den<lb/> Abgrund hinreißen koͤnne, ſie, die das einzige Licht, das<lb/> einzige Gluͤck, das einzige Herz meines Lebens ſei. Dann<lb/> weinte ſie wieder, daß ich ungluͤcklich war. Ach, ſie war<lb/> ſo liebevoll, ſo gut! Um Eine Thraͤne nur mir zu erkaufen,<lb/> haͤtte ſie, mit welcher Seligkeit, ſich ſelbſt ganz hingeopfert.</p><lb/> <p>Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu<lb/> deuten, ſie ahnete nun in mir irgend einen Fuͤrſten, den<lb/> ein ſchwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geaͤchtetes<lb/> Haupt, und ihre Einbildungskraft malte ſich geſchaͤftig<lb/> unter heroiſchen Bildern den Geliebten herrlich aus.</p><lb/> <p>Einſt ſagte ich ihr: 〟<hi rendition="#g">Mina</hi>, der letzte Tag im kuͤnf-<lb/> tigen Monat kann mein Schickſal aͤndern und entſcheiden —<lb/> geſchieht es nicht, ſo muß ich ſterben, weil ich Dich nicht<lb/> ungluͤcklich machen will.〞 — Sie verbarg weinend ihr<lb/> Haupt an meiner Bruſt. 〟Aendert ſich Dein Schickſal,<lb/> laß mich nur Dich gluͤcklich wiſſen, ich habe keinen An-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0058]
einen Oelzweig und eine Roſenknospe in Dein Leben ge-
flochten, wie in den Kranz, den ich Dir uͤberreichen durfte?
Habe Dich im Herzen, mein Geliebter, fuͤrchte nicht, von
mir zu gehen — werde ſterben, ach! ſo ſelig, ſo unaus-
ſprechlich ſelig durch Dich.〞 —
Du kannſt Dir denken, wie mir die Worte durch’s
Herz ſchneiden mußten. Ich erklaͤrte ihr, ich ſei nicht das,
wofuͤr man mich anzuſehen ſchien; ich ſei nur ein reicher,
aber unendlich elender Mann. Auf mir ruhe ein Fluch,
der das einzige Geheimniß zwiſchen ihr und mir ſein ſolle,
weil ich noch nicht ohne Hoffnung ſei, daß er geloͤſt werde.
Dies ſei das Gift meiner Tage: daß ich ſie mit in den
Abgrund hinreißen koͤnne, ſie, die das einzige Licht, das
einzige Gluͤck, das einzige Herz meines Lebens ſei. Dann
weinte ſie wieder, daß ich ungluͤcklich war. Ach, ſie war
ſo liebevoll, ſo gut! Um Eine Thraͤne nur mir zu erkaufen,
haͤtte ſie, mit welcher Seligkeit, ſich ſelbſt ganz hingeopfert.
Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu
deuten, ſie ahnete nun in mir irgend einen Fuͤrſten, den
ein ſchwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geaͤchtetes
Haupt, und ihre Einbildungskraft malte ſich geſchaͤftig
unter heroiſchen Bildern den Geliebten herrlich aus.
Einſt ſagte ich ihr: 〟Mina, der letzte Tag im kuͤnf-
tigen Monat kann mein Schickſal aͤndern und entſcheiden —
geſchieht es nicht, ſo muß ich ſterben, weil ich Dich nicht
ungluͤcklich machen will.〞 — Sie verbarg weinend ihr
Haupt an meiner Bruſt. 〟Aendert ſich Dein Schickſal,
laß mich nur Dich gluͤcklich wiſſen, ich habe keinen An-
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