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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Eigenschaften der Körper.
ausmacht, auf Sätzen beruht, die wir nicht streng beweisen, son-
dern vielmehr nur als Axiome annehmen können, zufrieden, wenn
die darauf gebauten Folgerungen den äußern Erscheinungen der
Natur, d. h. unsern Beobachtungen derselben vollkommen ent-
sprechen. Daß ein Körper ruht, so lange keine äußere Kraft auf
ihn wirkt, und daß ein Körper, der, auch nur durch einen augen-
blicklichen Impuls in Bewegung gesetzt, sich immerfort gleich-
förmig und in einer geraden Linie bewegen muß, so lange er
durch keine andere Kraft daran gehindert wird -- dieses Axiom,
das unter der sonderbaren Benennung des Princips der Träg-
heit
der Materie bekannt ist; daß jede Aenderung einer schon
statt habenden Bewegung der sie erzeugenden Kraft proportional
ist; daß bei jeder solchen Kraftäußerung zwischen zwei Körpern
die Wirkung des einen immer der Gegenwirkung des anderen
gleich seyn soll -- diese und mehrere andere Sätze, welche man
als die Grundsätze unserer Dynamik ausstellt, sind, so wahr sie
auch an sich seyn mögen, keines eigentlichen Beweises fähig und
in sich selbst noch manchen Dunkelheiten unterworfen. Da die
Körper, wie wir annehmen, ohne die Wirkung einer äußern Kraft
sich nicht bewegen können, wie sollen sie sich doch, derselben An-
nahme gemäß, ohne äußere Kraft in dieser Bewegung erhalten?
Nehmen wir vielleicht dabei stillschweigend an, daß die Bewe-
gung etwas der Materie Eigenthümliches sey? Es mag so seyn,
immerhin: aber -- muß es auch so seyn? Ist dieses auf den Kör-
per einwirkende Wesen selbst nichts Körperliches mehr, oder ge-
hören beide ihrer innern Natur nach zusammen, oder ist das,
was dem Körper seine Bewegung, gleichsam sein Leben mittheilt,
etwas Analoges mit derjenigen, uns eben so wenig bekannten
Kraft, die, nur anders modificirt, auch die Ursache des organischen
Lebens, der Pflanzen und Thiere, die Ursache des Wachsthums
und der Gährung und vielleicht selbst die eigentliche Quelle aller
unserer geistigen Operationen bildet? -- Was wissen wir von allen
diesen Dingen, über die wir nur noch fragen können, und wie
viel mehr mag noch zurück seyn, von dem uns unsere Sinne und
selbst unsere lebhafteste Phantasie gar nichts mehr vorstellen
können? Auch andere Wissenschaften, ja selbst die Mathematik,
geht von solchen Axiomen, von ersten Grundsätzen aus, über die

Eigenſchaften der Körper.
ausmacht, auf Sätzen beruht, die wir nicht ſtreng beweiſen, ſon-
dern vielmehr nur als Axiome annehmen können, zufrieden, wenn
die darauf gebauten Folgerungen den äußern Erſcheinungen der
Natur, d. h. unſern Beobachtungen derſelben vollkommen ent-
ſprechen. Daß ein Körper ruht, ſo lange keine äußere Kraft auf
ihn wirkt, und daß ein Körper, der, auch nur durch einen augen-
blicklichen Impuls in Bewegung geſetzt, ſich immerfort gleich-
förmig und in einer geraden Linie bewegen muß, ſo lange er
durch keine andere Kraft daran gehindert wird — dieſes Axiom,
das unter der ſonderbaren Benennung des Princips der Träg-
heit
der Materie bekannt iſt; daß jede Aenderung einer ſchon
ſtatt habenden Bewegung der ſie erzeugenden Kraft proportional
iſt; daß bei jeder ſolchen Kraftäußerung zwiſchen zwei Körpern
die Wirkung des einen immer der Gegenwirkung des anderen
gleich ſeyn ſoll — dieſe und mehrere andere Sätze, welche man
als die Grundſätze unſerer Dynamik auſſtellt, ſind, ſo wahr ſie
auch an ſich ſeyn mögen, keines eigentlichen Beweiſes fähig und
in ſich ſelbſt noch manchen Dunkelheiten unterworfen. Da die
Körper, wie wir annehmen, ohne die Wirkung einer äußern Kraft
ſich nicht bewegen können, wie ſollen ſie ſich doch, derſelben An-
nahme gemäß, ohne äußere Kraft in dieſer Bewegung erhalten?
Nehmen wir vielleicht dabei ſtillſchweigend an, daß die Bewe-
gung etwas der Materie Eigenthümliches ſey? Es mag ſo ſeyn,
immerhin: aber — muß es auch ſo ſeyn? Iſt dieſes auf den Kör-
per einwirkende Weſen ſelbſt nichts Körperliches mehr, oder ge-
hören beide ihrer innern Natur nach zuſammen, oder iſt das,
was dem Körper ſeine Bewegung, gleichſam ſein Leben mittheilt,
etwas Analoges mit derjenigen, uns eben ſo wenig bekannten
Kraft, die, nur anders modificirt, auch die Urſache des organiſchen
Lebens, der Pflanzen und Thiere, die Urſache des Wachsthums
und der Gährung und vielleicht ſelbſt die eigentliche Quelle aller
unſerer geiſtigen Operationen bildet? — Was wiſſen wir von allen
dieſen Dingen, über die wir nur noch fragen können, und wie
viel mehr mag noch zurück ſeyn, von dem uns unſere Sinne und
ſelbſt unſere lebhafteſte Phantaſie gar nichts mehr vorſtellen
können? Auch andere Wiſſenſchaften, ja ſelbſt die Mathematik,
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[27/0039] Eigenſchaften der Körper. ausmacht, auf Sätzen beruht, die wir nicht ſtreng beweiſen, ſon- dern vielmehr nur als Axiome annehmen können, zufrieden, wenn die darauf gebauten Folgerungen den äußern Erſcheinungen der Natur, d. h. unſern Beobachtungen derſelben vollkommen ent- ſprechen. Daß ein Körper ruht, ſo lange keine äußere Kraft auf ihn wirkt, und daß ein Körper, der, auch nur durch einen augen- blicklichen Impuls in Bewegung geſetzt, ſich immerfort gleich- förmig und in einer geraden Linie bewegen muß, ſo lange er durch keine andere Kraft daran gehindert wird — dieſes Axiom, das unter der ſonderbaren Benennung des Princips der Träg- heit der Materie bekannt iſt; daß jede Aenderung einer ſchon ſtatt habenden Bewegung der ſie erzeugenden Kraft proportional iſt; daß bei jeder ſolchen Kraftäußerung zwiſchen zwei Körpern die Wirkung des einen immer der Gegenwirkung des anderen gleich ſeyn ſoll — dieſe und mehrere andere Sätze, welche man als die Grundſätze unſerer Dynamik auſſtellt, ſind, ſo wahr ſie auch an ſich ſeyn mögen, keines eigentlichen Beweiſes fähig und in ſich ſelbſt noch manchen Dunkelheiten unterworfen. Da die Körper, wie wir annehmen, ohne die Wirkung einer äußern Kraft ſich nicht bewegen können, wie ſollen ſie ſich doch, derſelben An- nahme gemäß, ohne äußere Kraft in dieſer Bewegung erhalten? Nehmen wir vielleicht dabei ſtillſchweigend an, daß die Bewe- gung etwas der Materie Eigenthümliches ſey? Es mag ſo ſeyn, immerhin: aber — muß es auch ſo ſeyn? Iſt dieſes auf den Kör- per einwirkende Weſen ſelbſt nichts Körperliches mehr, oder ge- hören beide ihrer innern Natur nach zuſammen, oder iſt das, was dem Körper ſeine Bewegung, gleichſam ſein Leben mittheilt, etwas Analoges mit derjenigen, uns eben ſo wenig bekannten Kraft, die, nur anders modificirt, auch die Urſache des organiſchen Lebens, der Pflanzen und Thiere, die Urſache des Wachsthums und der Gährung und vielleicht ſelbſt die eigentliche Quelle aller unſerer geiſtigen Operationen bildet? — Was wiſſen wir von allen dieſen Dingen, über die wir nur noch fragen können, und wie viel mehr mag noch zurück ſeyn, von dem uns unſere Sinne und ſelbſt unſere lebhafteſte Phantaſie gar nichts mehr vorſtellen können? Auch andere Wiſſenſchaften, ja ſelbſt die Mathematik, geht von ſolchen Axiomen, von erſten Grundſätzen aus, über die

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/39>, abgerufen am 27.12.2024.