Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Der Urstand nach kirchlicher Ueberlieferung.
nisten, auch von Dante, laut C. 26 seines "Paradieses", (V. 139
ff.), wo er den Adam berichten läßt:

"Auf jenem Berge, der am höchsten steigt
Hab ich, rein und befleckt, mich sieben Stunden
Von früh bis wieder sich die Sonne neigt,
Wenn sie im zweiten Viertel steht, befunden".

Daß Luther dieser Meinung zwar nicht unbedingt beipflichtete,
aber ihr doch ganz nahe stand, zeigt eine Stelle seines großen lat.
Commentars zur Genesis, wo er es für das Wahrscheinlichste er-
klärt, daß Adam am sechsten Tage geschaffen worden sei, gegen den
Abend dieses Tages die Eva zur Lebensgefährtin erhalten habe und
mit derselben bis zum Nachmittage des siebenten Tags oder Sab-
baths, wo das göttliche Verbot von ihnen übertreten ward, im
Paradiese verweilt sei.1) -- Daß ferner auch jene Josephussche An-
nahme von einem zwar nicht genau bestimmten, aber jedeufalls
mehrtägigen Paradieses-Aufenthalte der Stammeltern Liebhaber in
der Kirche fand, ergibt sich aus den ihr beipflichtenden Aeußerungen
griechischer Väter wie Pseudo-Basilius (De Paradiso) und Johannes
von Damaskus. Auch Augustin hat dieser Meinung sich vorzugs-
weise geneigt ausgesprochen; deßgleichen Gregor der Große; von
Späteren z. B. der Jesuit Pererius, welcher Letztere mit ebenso
gelehrtem als subtilem Räsonnement und unter Zustimmung auch
einiger Evangelischer wie Ursinus, Philipp Nicolai etc. zu zeigen
suchte, der Aufenthalt im Paradiese müsse wohl genau acht Tage,
nämlich vom Schöpfungsfreitag bis zum Sündenfallsfreitag gewährt
haben. Anders der berühmte Chronologe Erzbischof Usher, der
Adam und Eva erst drei Tage nach ihrer Erschaffung, am 10.
Tage nach Beginn der Weltschöpfung, in's Paradies versetzt werden,

1) Luther, in Genes. 2, 2. (Ed. Erlang. I, p. 102). Der Gewährs-
mann, dem Luther hier folgt, ist Alfr. Tostatutus (Quaestt. in Genes. cap.
XIII, qu.
606. 607); vgl. Bened. Pererius Comment. in Genes., Colon.
1606, p.
226.

I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung.
niſten, auch von Dante, laut C. 26 ſeines „Paradieſes‟, (V. 139
ff.), wo er den Adam berichten läßt:

„Auf jenem Berge, der am höchſten ſteigt
Hab ich, rein und befleckt, mich ſieben Stunden
Von früh bis wieder ſich die Sonne neigt,
Wenn ſie im zweiten Viertel ſteht, befunden‟.

Daß Luther dieſer Meinung zwar nicht unbedingt beipflichtete,
aber ihr doch ganz nahe ſtand, zeigt eine Stelle ſeines großen lat.
Commentars zur Geneſis, wo er es für das Wahrſcheinlichſte er-
klärt, daß Adam am ſechsten Tage geſchaffen worden ſei, gegen den
Abend dieſes Tages die Eva zur Lebensgefährtin erhalten habe und
mit derſelben bis zum Nachmittage des ſiebenten Tags oder Sab-
baths, wo das göttliche Verbot von ihnen übertreten ward, im
Paradieſe verweilt ſei.1) — Daß ferner auch jene Joſephusſche An-
nahme von einem zwar nicht genau beſtimmten, aber jedeufalls
mehrtägigen Paradieſes-Aufenthalte der Stammeltern Liebhaber in
der Kirche fand, ergibt ſich aus den ihr beipflichtenden Aeußerungen
griechiſcher Väter wie Pſeudo-Baſilius (De Paradiso) und Johannes
von Damaskus. Auch Auguſtin hat dieſer Meinung ſich vorzugs-
weiſe geneigt ausgeſprochen; deßgleichen Gregor der Große; von
Späteren z. B. der Jeſuit Pererius, welcher Letztere mit ebenſo
gelehrtem als ſubtilem Räſonnement und unter Zuſtimmung auch
einiger Evangeliſcher wie Urſinus, Philipp Nicolai ꝛc. zu zeigen
ſuchte, der Aufenthalt im Paradieſe müſſe wohl genau acht Tage,
nämlich vom Schöpfungsfreitag bis zum Sündenfallsfreitag gewährt
haben. Anders der berühmte Chronologe Erzbiſchof Uſher, der
Adam und Eva erſt drei Tage nach ihrer Erſchaffung, am 10.
Tage nach Beginn der Weltſchöpfung, in’s Paradies verſetzt werden,

1) Luther, in Genes. 2, 2. (Ed. Erlang. I, p. 102). Der Gewährs-
mann, dem Luther hier folgt, iſt Alfr. Toſtatutus (Quaestt. in Genes. cap.
XIII, qu.
606. 607); vgl. Bened. Pererius Comment. in Genes., Colon.
1606, p.
226.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Der Ur&#x017F;tand nach kirchlicher Ueberlieferung.</fw><lb/>
ni&#x017F;ten, auch von Dante, laut C. 26 &#x017F;eines &#x201E;Paradie&#x017F;es&#x201F;, (V. 139<lb/>
ff.), wo er den Adam berichten läßt:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Auf jenem Berge, der am höch&#x017F;ten &#x017F;teigt</l><lb/>
          <l>Hab ich, rein und befleckt, mich &#x017F;ieben Stunden</l><lb/>
          <l>Von früh bis wieder &#x017F;ich die Sonne neigt,</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie im zweiten Viertel &#x017F;teht, befunden&#x201F;.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Daß Luther die&#x017F;er Meinung zwar nicht unbedingt beipflichtete,<lb/>
aber ihr doch ganz nahe &#x017F;tand, zeigt eine Stelle &#x017F;eines großen lat.<lb/>
Commentars zur Gene&#x017F;is, wo er es für das Wahr&#x017F;cheinlich&#x017F;te er-<lb/>
klärt, daß Adam am &#x017F;echsten Tage ge&#x017F;chaffen worden &#x017F;ei, gegen den<lb/>
Abend die&#x017F;es Tages die Eva zur Lebensgefährtin erhalten habe und<lb/>
mit der&#x017F;elben bis zum Nachmittage des &#x017F;iebenten Tags oder Sab-<lb/>
baths, wo das göttliche Verbot von ihnen übertreten ward, im<lb/>
Paradie&#x017F;e verweilt &#x017F;ei.<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Luther,</hi><hi rendition="#aq">in Genes. 2, 2. (Ed. Erlang. I, p. 102).</hi> Der Gewährs-<lb/>
mann, dem Luther hier folgt, i&#x017F;t Alfr. To&#x017F;tatutus (<hi rendition="#aq">Quaestt. in Genes. cap.<lb/>
XIII, qu.</hi> 606. 607); vgl. Bened. Pererius <hi rendition="#aq">Comment. in Genes., Colon.<lb/>
1606, p.</hi> 226.</note> &#x2014; Daß ferner auch jene Jo&#x017F;ephus&#x017F;che An-<lb/>
nahme von einem zwar nicht genau be&#x017F;timmten, aber jedeufalls<lb/>
mehrtägigen Paradie&#x017F;es-Aufenthalte der Stammeltern Liebhaber in<lb/>
der Kirche fand, ergibt &#x017F;ich aus den ihr beipflichtenden Aeußerungen<lb/>
griechi&#x017F;cher Väter wie P&#x017F;eudo-Ba&#x017F;ilius (<hi rendition="#aq">De Paradiso</hi>) und Johannes<lb/>
von Damaskus. Auch Augu&#x017F;tin hat die&#x017F;er Meinung &#x017F;ich vorzugs-<lb/>
wei&#x017F;e geneigt ausge&#x017F;prochen; deßgleichen Gregor der Große; von<lb/>
Späteren z. B. der Je&#x017F;uit Pererius, welcher Letztere mit eben&#x017F;o<lb/>
gelehrtem als &#x017F;ubtilem Rä&#x017F;onnement und unter Zu&#x017F;timmung auch<lb/>
einiger Evangeli&#x017F;cher wie Ur&#x017F;inus, Philipp Nicolai &#xA75B;c. zu zeigen<lb/>
&#x017F;uchte, der Aufenthalt im Paradie&#x017F;e mü&#x017F;&#x017F;e wohl genau acht Tage,<lb/>
nämlich vom Schöpfungsfreitag bis zum Sündenfallsfreitag gewährt<lb/>
haben. Anders der berühmte Chronologe Erzbi&#x017F;chof U&#x017F;her, der<lb/>
Adam und Eva er&#x017F;t drei Tage nach ihrer Er&#x017F;chaffung, am 10.<lb/>
Tage nach Beginn der Welt&#x017F;chöpfung, in&#x2019;s Paradies ver&#x017F;etzt werden,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0047] I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung. niſten, auch von Dante, laut C. 26 ſeines „Paradieſes‟, (V. 139 ff.), wo er den Adam berichten läßt: „Auf jenem Berge, der am höchſten ſteigt Hab ich, rein und befleckt, mich ſieben Stunden Von früh bis wieder ſich die Sonne neigt, Wenn ſie im zweiten Viertel ſteht, befunden‟. Daß Luther dieſer Meinung zwar nicht unbedingt beipflichtete, aber ihr doch ganz nahe ſtand, zeigt eine Stelle ſeines großen lat. Commentars zur Geneſis, wo er es für das Wahrſcheinlichſte er- klärt, daß Adam am ſechsten Tage geſchaffen worden ſei, gegen den Abend dieſes Tages die Eva zur Lebensgefährtin erhalten habe und mit derſelben bis zum Nachmittage des ſiebenten Tags oder Sab- baths, wo das göttliche Verbot von ihnen übertreten ward, im Paradieſe verweilt ſei. 1) — Daß ferner auch jene Joſephusſche An- nahme von einem zwar nicht genau beſtimmten, aber jedeufalls mehrtägigen Paradieſes-Aufenthalte der Stammeltern Liebhaber in der Kirche fand, ergibt ſich aus den ihr beipflichtenden Aeußerungen griechiſcher Väter wie Pſeudo-Baſilius (De Paradiso) und Johannes von Damaskus. Auch Auguſtin hat dieſer Meinung ſich vorzugs- weiſe geneigt ausgeſprochen; deßgleichen Gregor der Große; von Späteren z. B. der Jeſuit Pererius, welcher Letztere mit ebenſo gelehrtem als ſubtilem Räſonnement und unter Zuſtimmung auch einiger Evangeliſcher wie Urſinus, Philipp Nicolai ꝛc. zu zeigen ſuchte, der Aufenthalt im Paradieſe müſſe wohl genau acht Tage, nämlich vom Schöpfungsfreitag bis zum Sündenfallsfreitag gewährt haben. Anders der berühmte Chronologe Erzbiſchof Uſher, der Adam und Eva erſt drei Tage nach ihrer Erſchaffung, am 10. Tage nach Beginn der Weltſchöpfung, in’s Paradies verſetzt werden, 1) Luther, in Genes. 2, 2. (Ed. Erlang. I, p. 102). Der Gewährs- mann, dem Luther hier folgt, iſt Alfr. Toſtatutus (Quaestt. in Genes. cap. XIII, qu. 606. 607); vgl. Bened. Pererius Comment. in Genes., Colon. 1606, p. 226.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/47
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/47>, abgerufen am 26.04.2024.