Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

W. S. G. E.: Curieuse und sehr wunderbare Relation, von denen sich neuer Dingen in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs. 1732.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 3.

Wie? wenn einer gedächte, es könte sich
dergleichen etwas auch in Servien begeben?
Die unbändige und ungehaltene Einwohner
dorten könten aus Verlangen, Verdruß, Liebe,
Zorn, Rachgierigkeit, Unversöhnlichkeit, und
dergleichen Affecten kranck werden? in der
Kranckheit könten sie sich einbilden, die ge-
liebten, oder die beleidigten Personen kämen zu
ihnen, und embrassirten sie, es seye, aus wel-
chem Affect es wolle? Das sagen die Patienten
aus; der aberglaubische und schon praeoccu-
pi
rte Pöbel glaubet es Himmel-feste; die An-
verwandten fürchten sich, und erkrancken auch;
die Nachbarn erschrecken, und vor Schrecken
stirbt einer nach dem andern dahin. Wer
denn so von einem vermeynten Vampyr gestor-
ben ist, wird auch ein Vampyr, dadurch sich
das Ubel in kurtzer Zeit fast ins unendliche auß-
breiten kan. Wie leicht können schlaue Köpfe,
deren es auch unter der Bauerschafft nicht we-
nige gibt, solcher persuasion, die einmal unter
einem Volck herrschet, zu allerhand bösen Ab-
sichten mißbrauchen! Es kan leicht Hanß ein
Körbgen von der Gretha empfangen haben, so
kan er sich nach Art des dortigen rachgierigen
Volcks fürnehmen, solche verschmähte Liebe
aufs empfindlichste zu rächen!

§. 3.

Wie? wenn einer gedaͤchte, es koͤnte sich
dergleichen etwas auch in Servien begeben?
Die unbaͤndige und ungehaltene Einwohner
dorten koͤnten aus Verlangen, Verdruß, Liebe,
Zorn, Rachgierigkeit, Unversoͤhnlichkeit, und
dergleichen Affecten kranck werden? in der
Kranckheit koͤnten sie sich einbilden, die ge-
liebten, oder die beleidigten Personen kaͤmen zu
ihnen, und embrassirten sie, es seye, aus wel-
chem Affect es wolle? Das sagen die Patienten
aus; der aberglaubische und schon præoccu-
pi
rte Poͤbel glaubet es Himmel-feste; die An-
verwandten fuͤrchten sich, und erkrancken auch;
die Nachbarn erschrecken, und vor Schrecken
stirbt einer nach dem andern dahin. Wer
denn so von einem vermeynten Vampyr gestor-
ben ist, wird auch ein Vampyr, dadurch sich
das Ubel in kurtzer Zeit fast ins unendliche auß-
breiten kan. Wie leicht koͤnnen schlaue Koͤpfe,
deren es auch unter der Bauerschafft nicht we-
nige gibt, solcher persuasion, die einmal unter
einem Volck herrschet, zu allerhand boͤsen Ab-
sichten mißbrauchen! Es kan leicht Hanß ein
Koͤrbgen von der Gretha empfangen haben, so
kan er sich nach Art des dortigen rachgierigen
Volcks fuͤrnehmen, solche verschmaͤhte Liebe
aufs empfindlichste zu raͤchen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0054" n="54"/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.</head>
            <p>Wie? wenn einer geda&#x0364;chte, es ko&#x0364;nte sich<lb/>
dergleichen etwas auch in <hi rendition="#aq">Servien</hi> begeben?<lb/>
Die unba&#x0364;ndige und ungehaltene Einwohner<lb/>
dorten ko&#x0364;nten aus Verlangen, Verdruß, Liebe,<lb/>
Zorn, Rachgierigkeit, Unverso&#x0364;hnlichkeit, und<lb/>
dergleichen <hi rendition="#aq">Affect</hi>en kranck werden? in der<lb/>
Kranckheit ko&#x0364;nten sie sich einbilden, die ge-<lb/>
liebten, oder die beleidigten Personen ka&#x0364;men zu<lb/>
ihnen, und <hi rendition="#aq">embrassi</hi>rten sie, es seye, aus wel-<lb/>
chem <hi rendition="#aq">Affect</hi> es wolle? Das sagen die <hi rendition="#aq">Patient</hi>en<lb/>
aus; der aberglaubische und schon <hi rendition="#aq">præoccu-<lb/>
pi</hi>rte Po&#x0364;bel glaubet es Himmel-feste; die An-<lb/>
verwandten fu&#x0364;rchten sich, und erkrancken auch;<lb/>
die Nachbarn erschrecken, und vor Schrecken<lb/>
stirbt einer nach dem andern dahin. Wer<lb/>
denn so von einem vermeynten <hi rendition="#aq">Vampyr</hi> gestor-<lb/>
ben ist, wird auch ein <hi rendition="#aq">Vampyr</hi>, dadurch sich<lb/>
das Ubel in kurtzer Zeit fast ins unendliche auß-<lb/>
breiten kan. Wie leicht ko&#x0364;nnen schlaue Ko&#x0364;pfe,<lb/>
deren es auch unter der Bauerschafft nicht we-<lb/>
nige gibt, solcher <hi rendition="#aq">persuasion</hi>, die einmal unter<lb/>
einem Volck herrschet, zu allerhand bo&#x0364;sen Ab-<lb/>
sichten mißbrauchen! Es kan leicht Hanß ein<lb/>
Ko&#x0364;rbgen von der Gretha empfangen haben, so<lb/>
kan er sich nach Art des dortigen rachgierigen<lb/>
Volcks fu&#x0364;rnehmen, solche verschma&#x0364;hte Liebe<lb/>
aufs empfindlichste zu ra&#x0364;chen!</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0054] §. 3. Wie? wenn einer gedaͤchte, es koͤnte sich dergleichen etwas auch in Servien begeben? Die unbaͤndige und ungehaltene Einwohner dorten koͤnten aus Verlangen, Verdruß, Liebe, Zorn, Rachgierigkeit, Unversoͤhnlichkeit, und dergleichen Affecten kranck werden? in der Kranckheit koͤnten sie sich einbilden, die ge- liebten, oder die beleidigten Personen kaͤmen zu ihnen, und embrassirten sie, es seye, aus wel- chem Affect es wolle? Das sagen die Patienten aus; der aberglaubische und schon præoccu- pirte Poͤbel glaubet es Himmel-feste; die An- verwandten fuͤrchten sich, und erkrancken auch; die Nachbarn erschrecken, und vor Schrecken stirbt einer nach dem andern dahin. Wer denn so von einem vermeynten Vampyr gestor- ben ist, wird auch ein Vampyr, dadurch sich das Ubel in kurtzer Zeit fast ins unendliche auß- breiten kan. Wie leicht koͤnnen schlaue Koͤpfe, deren es auch unter der Bauerschafft nicht we- nige gibt, solcher persuasion, die einmal unter einem Volck herrschet, zu allerhand boͤsen Ab- sichten mißbrauchen! Es kan leicht Hanß ein Koͤrbgen von der Gretha empfangen haben, so kan er sich nach Art des dortigen rachgierigen Volcks fuͤrnehmen, solche verschmaͤhte Liebe aufs empfindlichste zu raͤchen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Virgeln werden als Komma wiedergegeben.
  • Reklamanten bleiben unberücksichtigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wsge_vampyr_1732
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wsge_vampyr_1732/54
Zitationshilfe: W. S. G. E.: Curieuse und sehr wunderbare Relation, von denen sich neuer Dingen in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs. 1732, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wsge_vampyr_1732/54>, abgerufen am 21.12.2024.