und gleicherweise giebt es Verbindlichkeiten, welche auf eben die Art allen, mehreren zu- sammen, oder einem allein gehören, welches da- her erhellet, weil die natürliche Verbindlich- keiten alle Menschen angehen (§. 74.), die zugezogenen aber, nur denjenigen, welchen wir, uns insbesondere etwas zu leisten, verbun- den haben (§. 100.); und eben so kommen die angebohrnen Rechte allen Menschen zu, das erworbene Recht aber nur dem, welcher sich einen andern, was gewisses zu leisten, verbun- den hat (§§. cit.). Daher nennen wir das gemeine Recht(jus commune), was al- len ohne Unterschied zukömmt; das eigene (besondere) Recht aber (jus proprium), was nur einem, oder mehreren, im Gegen- satz gegen alle, zukömmt. Auf gleiche Weise versteht man, was eine allgemeine, und was eine besondere, oder eigene Verbindlich- keit sey. Es ist aber klar: daß das eigene Recht, alle andere ausschließt, und wenn mehreren zusammen genommen ein besonderes (eigenes) Recht zu- kömt; so ist unter denselben ein ge- meinschaftliches Recht.
§. 102.
Der natürliche Zustand der Menschen istVom ur- sprüng- lichen u. entstande- nen Zu- stande. entweder der urspringliche(originarius), in so weit derselbe gantz allein durch ange- bohrene Rechte und Verbindlichkeiten bestimt wird; oder der entstandene(adventitius), in so weit derselbe durch die zugezogene Ver-
bindlich-
und dem allgem. Recht der Menſchen.
und gleicherweiſe giebt es Verbindlichkeiten, welche auf eben die Art allen, mehreren zu- ſammen, oder einem allein gehoͤren, welches da- her erhellet, weil die natuͤrliche Verbindlich- keiten alle Menſchen angehen (§. 74.), die zugezogenen aber, nur denjenigen, welchen wir, uns insbeſondere etwas zu leiſten, verbun- den haben (§. 100.); und eben ſo kommen die angebohrnen Rechte allen Menſchen zu, das erworbene Recht aber nur dem, welcher ſich einen andern, was gewiſſes zu leiſten, verbun- den hat (§§. cit.). Daher nennen wir das gemeine Recht(jus commune), was al- len ohne Unterſchied zukoͤmmt; das eigene (beſondere) Recht aber (jus proprium), was nur einem, oder mehreren, im Gegen- ſatz gegen alle, zukoͤmmt. Auf gleiche Weiſe verſteht man, was eine allgemeine, und was eine beſondere, oder eigene Verbindlich- keit ſey. Es iſt aber klar: daß das eigene Recht, alle andere ausſchließt, und wenn mehreren zuſammen genommen ein beſonderes (eigenes) Recht zu- koͤmt; ſo iſt unter denſelben ein ge- meinſchaftliches Recht.
§. 102.
Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſtVom ur- ſpruͤng- lichen u. entſtande- nen Zu- ſtande. entweder der urſpringliche(originarius), in ſo weit derſelbe gantz allein durch ange- bohrene Rechte und Verbindlichkeiten beſtimt wird; oder der entſtandene(adventitius), in ſo weit derſelbe durch die zugezogene Ver-
bindlich-
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und dem allgem. Recht der Menſchen.
und gleicherweiſe giebt es Verbindlichkeiten,
welche auf eben die Art allen, mehreren zu-
ſammen, oder einem allein gehoͤren, welches da-
her erhellet, weil die natuͤrliche Verbindlich-
keiten alle Menſchen angehen (§. 74.), die
zugezogenen aber, nur denjenigen, welchen
wir, uns insbeſondere etwas zu leiſten, verbun-
den haben (§. 100.); und eben ſo kommen die
angebohrnen Rechte allen Menſchen zu, das
erworbene Recht aber nur dem, welcher ſich
einen andern, was gewiſſes zu leiſten, verbun-
den hat (§§. cit.). Daher nennen wir das
gemeine Recht (jus commune), was al-
len ohne Unterſchied zukoͤmmt; das eigene
(beſondere) Recht aber (jus proprium),
was nur einem, oder mehreren, im Gegen-
ſatz gegen alle, zukoͤmmt. Auf gleiche Weiſe
verſteht man, was eine allgemeine, und was
eine beſondere, oder eigene Verbindlich-
keit ſey. Es iſt aber klar: daß das eigene
Recht, alle andere ausſchließt, und
wenn mehreren zuſammen genommen
ein beſonderes (eigenes) Recht zu-
koͤmt; ſo iſt unter denſelben ein ge-
meinſchaftliches Recht.
§. 102.
Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſt
entweder der urſpringliche (originarius),
in ſo weit derſelbe gantz allein durch ange-
bohrene Rechte und Verbindlichkeiten beſtimt
wird; oder der entſtandene (adventitius),
in ſo weit derſelbe durch die zugezogene Ver-
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Vom ur-
ſpruͤng-
lichen u.
entſtande-
nen Zu-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/99>, abgerufen am 21.12.2024.
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