digen, oder auch er, oder andere nach sei- nem Exempel, andere beleidiget.
§. 93.
Von der Strafe und dem Recht zu strafen.
Ein natürliches übel (malum physi- cum), welches einem wegen eines sittlichen Uebels von dem zugefügt wird, der das Recht einen zu verbinden hat, nennt man die Strafe(poenam). Dem Menschen kömmt also von Natur das Recht zu denjenigen zu strafen, welcher ihn be- leidiget hat. Und in so weit die Strafe die Absicht hat, das Gemüthe der beleidigenden Person zu ändern, wird sie eine bessernde Strafe(poena emendatrix) genennet; in so fern sie aber andere von Beleidigungen ab- schrecken soll, heist sie eine exemplarische (exemplaris). Da nun die Besserung des Gemüths desjenigen, der einen andern beleidi- get, und die Furcht bey denen zu erwecken, welche der Muthwille zu Beleidigungen rei- tzen könnte, die Absicht des Strafenden sind; die Strafe aber als ein Mittel anzusehen ist, wodurch man diese Absicht erhält; so muß man die Grösse der Strafe aus den vorkommenden Umständen bestimmen (§. 46.).
§. 94.
Vom un- endlichen Rechte.
Ein unendliches Recht(jus infinitum) nennet man dasjenige, dem man überhaupt keine Grentzen setzen kann; sondern dieselben erst aus den Umständen in einem vorkommen- den Falle bestimmen muß. Es ist also so
wohl
I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
digen, oder auch er, oder andere nach ſei- nem Exempel, andere beleidiget.
§. 93.
Von der Strafe und dem Recht zu ſtrafen.
Ein natuͤrliches uͤbel (malum phyſi- cum), welches einem wegen eines ſittlichen Uebels von dem zugefuͤgt wird, der das Recht einen zu verbinden hat, nennt man die Strafe(pœnam). Dem Menſchen koͤmmt alſo von Natur das Recht zu denjenigen zu ſtrafen, welcher ihn be- leidiget hat. Und in ſo weit die Strafe die Abſicht hat, das Gemuͤthe der beleidigenden Perſon zu aͤndern, wird ſie eine beſſernde Strafe(pœna emendatrix) genennet; in ſo fern ſie aber andere von Beleidigungen ab- ſchrecken ſoll, heiſt ſie eine exemplariſche (exemplaris). Da nun die Beſſerung des Gemuͤths desjenigen, der einen andern beleidi- get, und die Furcht bey denen zu erwecken, welche der Muthwille zu Beleidigungen rei- tzen koͤnnte, die Abſicht des Strafenden ſind; die Strafe aber als ein Mittel anzuſehen iſt, wodurch man dieſe Abſicht erhaͤlt; ſo muß man die Groͤſſe der Strafe aus den vorkommenden Umſtaͤnden beſtimmen (§. 46.).
§. 94.
Vom un- endlichen Rechte.
Ein unendliches Recht(jus infinitum) nennet man dasjenige, dem man uͤberhaupt keine Grentzen ſetzen kann; ſondern dieſelben erſt aus den Umſtaͤnden in einem vorkommen- den Falle beſtimmen muß. Es iſt alſo ſo
wohl
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I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
digen, oder auch er, oder andere nach ſei-
nem Exempel, andere beleidiget.
§. 93.
Ein natuͤrliches uͤbel (malum phyſi-
cum), welches einem wegen eines ſittlichen
Uebels von dem zugefuͤgt wird, der das Recht
einen zu verbinden hat, nennt man die
Strafe (pœnam). Dem Menſchen
koͤmmt alſo von Natur das Recht zu
denjenigen zu ſtrafen, welcher ihn be-
leidiget hat. Und in ſo weit die Strafe
die Abſicht hat, das Gemuͤthe der beleidigenden
Perſon zu aͤndern, wird ſie eine beſſernde
Strafe (pœna emendatrix) genennet; in ſo
fern ſie aber andere von Beleidigungen ab-
ſchrecken ſoll, heiſt ſie eine exemplariſche
(exemplaris). Da nun die Beſſerung des
Gemuͤths desjenigen, der einen andern beleidi-
get, und die Furcht bey denen zu erwecken,
welche der Muthwille zu Beleidigungen rei-
tzen koͤnnte, die Abſicht des Strafenden ſind;
die Strafe aber als ein Mittel anzuſehen iſt,
wodurch man dieſe Abſicht erhaͤlt; ſo muß
man die Groͤſſe der Strafe aus den
vorkommenden Umſtaͤnden beſtimmen
(§. 46.).
§. 94.
Ein unendliches Recht (jus infinitum)
nennet man dasjenige, dem man uͤberhaupt
keine Grentzen ſetzen kann; ſondern dieſelben
erſt aus den Umſtaͤnden in einem vorkommen-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/94>, abgerufen am 30.12.2024.
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