Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Vom Rechte des Krieges der Völcker.
sich iemand vertheidiget wider den, der ihn
mit Kriege überfällt. Eine Art von dem
Kriege zum Angrif ist der Strafkrieg (pu-
nitivum), in welchem iemand den andern zur
Strafe zieht, und der Wiederzueignungs-
krieg (vindicativum), wodurch wir unser
Recht, und das, was man uns schuldig ist,
zu erhalten trachten.

§. 1170.

Da es keine rechtmäßige Ursache zum Krie-Wenn
ehr der
aufallen-
de Straf-
krieg und
auch der
Verthei-
digungs-
krieg er-
laubet
sey.
ge giebt ausser nur das zugefügte, oder noch
zuzufügende Unrecht (§. 98.); so ist ein
Krieg zum Angrif, er mag ein Straf-
oder ein Wiederzueignungskrieg seyn,
erlaubt, wenn unser Recht gewiß ist,
der andere aber uns eines offenbaren
unersetzlichen Unrechts wegen nicht
genug thun will, und wir es auf kei-
ne andere Art erhalten können, des-
gleichen auch wenn er in einer zweifel-
haften Sache deswegen geführet wird,
daß der andere zum Vergleich genö-
thiget werden soll (§. 1158.). Hinge-
gen ist der Krieg zur Vertheidigung er-
laubt, wenn man sich wider einen, der
uns ungerechter weise bekrieget, ver-
theidiget (§. 1089.).

§. 1171.

So ist also der alleinige Nutzen keineVon den
Kriegen,
die bloß
des Nu-
tzens we-
rechtmäßige Ursache zum Kriege (§.
1170.). Derowegen da man es Anra-
thungsgründe (rationes suasorias) nennet,

welche
H h h 4

Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker.
ſich iemand vertheidiget wider den, der ihn
mit Kriege uͤberfaͤllt. Eine Art von dem
Kriege zum Angrif iſt der Strafkrieg (pu-
nitivum), in welchem iemand den andern zur
Strafe zieht, und der Wiederzueignungs-
krieg (vindicativum), wodurch wir unſer
Recht, und das, was man uns ſchuldig iſt,
zu erhalten trachten.

§. 1170.

Da es keine rechtmaͤßige Urſache zum Krie-Wenn
ehr der
aufallen-
de Straf-
krieg und
auch der
Verthei-
digungs-
krieg er-
laubet
ſey.
ge giebt auſſer nur das zugefuͤgte, oder noch
zuzufuͤgende Unrecht (§. 98.); ſo iſt ein
Krieg zum Angrif, er mag ein Straf-
oder ein Wiederzueignungskrieg ſeyn,
erlaubt, wenn unſer Recht gewiß iſt,
der andere aber uns eines offenbaren
unerſetzlichen Unrechts wegen nicht
genug thun will, und wir es auf kei-
ne andere Art erhalten koͤnnen, des-
gleichen auch wenn er in einer zweifel-
haften Sache deswegen gefuͤhret wird,
daß der andere zum Vergleich genoͤ-
thiget werden ſoll (§. 1158.). Hinge-
gen iſt der Krieg zur Vertheidigung er-
laubt, wenn man ſich wider einen, der
uns ungerechter weiſe bekrieget, ver-
theidiget (§. 1089.).

§. 1171.

So iſt alſo der alleinige Nutzen keineVon den
Kriegen,
die bloß
des Nu-
tzens we-
rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§.
1170.). Derowegen da man es Anra-
thungsgruͤnde (rationes ſuaſorias) nennet,

welche
H h h 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0891" n="855"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Rechte des Krieges der Vo&#x0364;lcker.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ich iemand vertheidiget wider den, der ihn<lb/>
mit Kriege u&#x0364;berfa&#x0364;llt. Eine Art von dem<lb/>
Kriege zum Angrif i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Strafkrieg</hi> <hi rendition="#aq">(pu-<lb/>
nitivum),</hi> in welchem iemand den andern zur<lb/>
Strafe zieht, und <hi rendition="#fr">der Wiederzueignungs-<lb/>
krieg</hi> <hi rendition="#aq">(vindicativum),</hi> wodurch wir un&#x017F;er<lb/>
Recht, und das, was man uns &#x017F;chuldig i&#x017F;t,<lb/>
zu erhalten trachten.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 1170.</head><lb/>
              <p>Da es keine rechtma&#x0364;ßige Ur&#x017F;ache zum Krie-<note place="right">Wenn<lb/>
ehr der<lb/>
aufallen-<lb/>
de Straf-<lb/>
krieg und<lb/>
auch der<lb/>
Verthei-<lb/>
digungs-<lb/>
krieg er-<lb/>
laubet<lb/>
&#x017F;ey.</note><lb/>
ge giebt au&#x017F;&#x017F;er nur das zugefu&#x0364;gte, oder noch<lb/>
zuzufu&#x0364;gende Unrecht (§. 98.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t ein<lb/>
Krieg zum Angrif, er mag ein Straf-<lb/>
oder ein Wiederzueignungskrieg &#x017F;eyn,<lb/>
erlaubt, wenn un&#x017F;er Recht gewiß i&#x017F;t,<lb/>
der andere aber uns eines offenbaren<lb/>
uner&#x017F;etzlichen Unrechts wegen nicht<lb/>
genug thun will, und wir es auf kei-<lb/>
ne andere Art erhalten ko&#x0364;nnen, des-<lb/>
gleichen auch wenn er in einer zweifel-<lb/>
haften Sache deswegen gefu&#x0364;hret wird,<lb/>
daß der andere zum Vergleich geno&#x0364;-<lb/>
thiget werden &#x017F;oll</hi> (§. 1158.). Hinge-<lb/>
gen <hi rendition="#fr">i&#x017F;t der Krieg zur Vertheidigung er-<lb/>
laubt, wenn man &#x017F;ich wider einen, der<lb/>
uns ungerechter wei&#x017F;e bekrieget, ver-<lb/>
theidiget</hi> (§. 1089.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 1171.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">So i&#x017F;t</hi> al&#x017F;o <hi rendition="#fr">der alleinige Nutzen keine</hi><note place="right">Von den<lb/>
Kriegen,<lb/>
die bloß<lb/>
des Nu-<lb/>
tzens we-</note><lb/><hi rendition="#fr">rechtma&#x0364;ßige Ur&#x017F;ache zum Kriege</hi> (§.<lb/>
1170.). Derowegen da man es <hi rendition="#fr">Anra-<lb/>
thungsgru&#x0364;nde</hi> <hi rendition="#aq">(rationes &#x017F;ua&#x017F;orias)</hi> nennet,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h h 4</fw><fw place="bottom" type="catch">welche</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[855/0891] Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. ſich iemand vertheidiget wider den, der ihn mit Kriege uͤberfaͤllt. Eine Art von dem Kriege zum Angrif iſt der Strafkrieg (pu- nitivum), in welchem iemand den andern zur Strafe zieht, und der Wiederzueignungs- krieg (vindicativum), wodurch wir unſer Recht, und das, was man uns ſchuldig iſt, zu erhalten trachten. §. 1170. Da es keine rechtmaͤßige Urſache zum Krie- ge giebt auſſer nur das zugefuͤgte, oder noch zuzufuͤgende Unrecht (§. 98.); ſo iſt ein Krieg zum Angrif, er mag ein Straf- oder ein Wiederzueignungskrieg ſeyn, erlaubt, wenn unſer Recht gewiß iſt, der andere aber uns eines offenbaren unerſetzlichen Unrechts wegen nicht genug thun will, und wir es auf kei- ne andere Art erhalten koͤnnen, des- gleichen auch wenn er in einer zweifel- haften Sache deswegen gefuͤhret wird, daß der andere zum Vergleich genoͤ- thiget werden ſoll (§. 1158.). Hinge- gen iſt der Krieg zur Vertheidigung er- laubt, wenn man ſich wider einen, der uns ungerechter weiſe bekrieget, ver- theidiget (§. 1089.). Wenn ehr der aufallen- de Straf- krieg und auch der Verthei- digungs- krieg er- laubet ſey. §. 1171. So iſt alſo der alleinige Nutzen keine rechtmaͤßige Urſache zum Kriege (§. 1170.). Derowegen da man es Anra- thungsgruͤnde (rationes ſuaſorias) nennet, welche Von den Kriegen, die bloß des Nu- tzens we- H h h 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/891
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 855. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/891>, abgerufen am 21.11.2024.