sie übel regieret, Gehorsam leisten: Dies darf keinem hart scheinen, indem es doch besser ist unter einem üblen Regiment, als in dem natürlichen Zustande zu leben (§. 972.). Weil aber niemand von der natürli- chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§. 42.); so ist man dem Oberherrn keinen Gehorsam schuldig, wenn er befehlen sollte, was einem gebietenden, oder verbietenden natürlichen Gesetze ent- gegen stehet, und man muß es gedul- dig leiden, wenn man desfalls gestraft, oder vielmehr mißgehandelt wird. Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas zu befehlen, so wider die Grundgesetze strei- tet (§. 984.); so darf man ihm auch nicht gehorsamen, wenn er etwas wi- der die Grundgesetze befiehlet, ja es ist erlaubt sich dem Regenten zu wi- dersetzen, und ihn im Zaum zu halten, wenn er in das Recht, so dem Volck, oder den vornehmsten vorbehalten ist, einen Eingrif thut (§. 88. 90.).
§. 1080.
Jemand suppliciret, wenn er mit Ehr-Vom Suppli- ciren. erbietigkeit bittet, daß dies und jenes gesche- hen, oder nicht geschehen möge. Jndem nun Bewegungsgründe von nöthen sind, wenn einer etwas wollen, oder nicht wollen soll; so ist dem Supplicanten erlaubt die Gründe, weswegen etwas geschehen, oder nicht geschehen solle, demüthig
vor-
D d d 2
des Oberherrn und der Unterthanen.
ſie uͤbel regieret, Gehorſam leiſten: Dies darf keinem hart ſcheinen, indem es doch beſſer iſt unter einem uͤblen Regiment, als in dem natuͤrlichen Zuſtande zu leben (§. 972.). Weil aber niemand von der natuͤrli- chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§. 42.); ſo iſt man dem Oberherrn keinen Gehorſam ſchuldig, wenn er befehlen ſollte, was einem gebietenden, oder verbietenden natuͤrlichen Geſetze ent- gegen ſtehet, und man muß es gedul- dig leiden, wenn man desfalls geſtraft, oder vielmehr mißgehandelt wird. Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas zu befehlen, ſo wider die Grundgeſetze ſtrei- tet (§. 984.); ſo darf man ihm auch nicht gehorſamen, wenn er etwas wi- der die Grundgeſetze befiehlet, ja es iſt erlaubt ſich dem Regenten zu wi- derſetzen, und ihn im Zaum zu halten, wenn er in das Recht, ſo dem Volck, oder den vornehmſten vorbehalten iſt, einen Eingrif thut (§. 88. 90.).
§. 1080.
Jemand ſuppliciret, wenn er mit Ehr-Vom Suppli- ciren. erbietigkeit bittet, daß dies und jenes geſche- hen, oder nicht geſchehen moͤge. Jndem nun Bewegungsgruͤnde von noͤthen ſind, wenn einer etwas wollen, oder nicht wollen ſoll; ſo iſt dem Supplicanten erlaubt die Gruͤnde, weswegen etwas geſchehen, oder nicht geſchehen ſolle, demuͤthig
vor-
D d d 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0823"n="787"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des Oberherrn und der Unterthanen.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">ſie uͤbel regieret, Gehorſam leiſten</hi>:<lb/>
Dies darf keinem hart ſcheinen, indem es<lb/>
doch beſſer iſt unter einem uͤblen Regiment,<lb/>
als in dem natuͤrlichen Zuſtande zu leben (§.<lb/>
972.). Weil aber niemand von der natuͤrli-<lb/>
chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§.<lb/>
42.); <hirendition="#fr">ſo iſt man dem Oberherrn keinen<lb/>
Gehorſam ſchuldig, wenn er befehlen<lb/>ſollte, was einem gebietenden, oder<lb/>
verbietenden natuͤrlichen Geſetze ent-<lb/>
gegen ſtehet, und man muß es gedul-<lb/>
dig leiden, wenn man desfalls geſtraft,<lb/>
oder vielmehr mißgehandelt wird.</hi><lb/>
Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas<lb/>
zu befehlen, ſo wider die Grundgeſetze ſtrei-<lb/>
tet (§. 984.); <hirendition="#fr">ſo darf man ihm auch<lb/>
nicht gehorſamen, wenn er etwas wi-<lb/>
der die Grundgeſetze befiehlet, ja es<lb/>
iſt erlaubt ſich dem Regenten zu wi-<lb/>
derſetzen, und ihn im Zaum zu halten,<lb/>
wenn er in das Recht, ſo dem Volck,<lb/>
oder den vornehmſten vorbehalten iſt,<lb/>
einen Eingrif thut</hi> (§. 88. 90.).</p></div><lb/><divn="5"><head>§. 1080.</head><lb/><p>Jemand <hirendition="#fr">ſuppliciret,</hi> wenn er mit Ehr-<noteplace="right">Vom<lb/>
Suppli-<lb/>
ciren.</note><lb/>
erbietigkeit bittet, daß dies und jenes geſche-<lb/>
hen, oder nicht geſchehen moͤge. Jndem nun<lb/>
Bewegungsgruͤnde von noͤthen ſind, wenn<lb/>
einer etwas wollen, oder nicht wollen ſoll; <hirendition="#fr">ſo<lb/>
iſt dem Supplicanten erlaubt die<lb/>
Gruͤnde, weswegen etwas geſchehen,<lb/>
oder nicht geſchehen ſolle, demuͤthig</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d d 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">vor-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[787/0823]
des Oberherrn und der Unterthanen.
ſie uͤbel regieret, Gehorſam leiſten:
Dies darf keinem hart ſcheinen, indem es
doch beſſer iſt unter einem uͤblen Regiment,
als in dem natuͤrlichen Zuſtande zu leben (§.
972.). Weil aber niemand von der natuͤrli-
chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§.
42.); ſo iſt man dem Oberherrn keinen
Gehorſam ſchuldig, wenn er befehlen
ſollte, was einem gebietenden, oder
verbietenden natuͤrlichen Geſetze ent-
gegen ſtehet, und man muß es gedul-
dig leiden, wenn man desfalls geſtraft,
oder vielmehr mißgehandelt wird.
Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas
zu befehlen, ſo wider die Grundgeſetze ſtrei-
tet (§. 984.); ſo darf man ihm auch
nicht gehorſamen, wenn er etwas wi-
der die Grundgeſetze befiehlet, ja es
iſt erlaubt ſich dem Regenten zu wi-
derſetzen, und ihn im Zaum zu halten,
wenn er in das Recht, ſo dem Volck,
oder den vornehmſten vorbehalten iſt,
einen Eingrif thut (§. 88. 90.).
§. 1080.
Jemand ſuppliciret, wenn er mit Ehr-
erbietigkeit bittet, daß dies und jenes geſche-
hen, oder nicht geſchehen moͤge. Jndem nun
Bewegungsgruͤnde von noͤthen ſind, wenn
einer etwas wollen, oder nicht wollen ſoll; ſo
iſt dem Supplicanten erlaubt die
Gruͤnde, weswegen etwas geſchehen,
oder nicht geſchehen ſolle, demuͤthig
vor-
Vom
Suppli-
ciren.
D d d 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/823>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.