Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Von der Ehe.
ersten Beyschlafe verlohren wird. Es
erhellet also, daß, wenn eine Jungfer
genothzüchtiget wird, sie ihrer Jung-
ferschaft mit Gewalt beraubet; wenn
aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge-
nothzüchtiget wird, ihre Schamhaf-
tigkeit verletzt wird; folglich hat eine
Jungfer das Recht ihre Jungferschaft,
eine Wittwe und Ehefrau das Recht
ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen
(§. 46. 90.), und zwar ein an sich un-
eingeschräncktes Recht (§. 94.); folglich
ist es erlaubt daß sie denjenigen, der sie
nothzüchtigen will, tödten kann, wo-
fern sie der Gefahr anders nicht ent-
gehen kann.

§. 863.

Weil die Ehe durch einen Vertrag gemachtWie die
Ehe zu
stande
gebracht
wird.
wird (§. 856. 836.); so wird sie durch
die beyderseitige Einwilligung der
Manns- und Weibsperson nach der
Natur zu stande gebracht (§. 438.);
folglich kann auf die beyderseitige Er-
klärung der Einwilligung der fleischli-
che Vermischung (copula carnalis), wel-
ches die Verbindung der Leiber der Manns-
und Weibsperson ist, die zu Erzeugung der
Kinder erfordert wird, gleich hinzukom-
men.

§. 864.

Das Versprechen einander zu heyrathenVon der
Verlöb-
niß.
wird die Verlöbniß (sponsalia) genannt;

und
R r 5

Von der Ehe.
erſten Beyſchlafe verlohren wird. Es
erhellet alſo, daß, wenn eine Jungfer
genothzuͤchtiget wird, ſie ihrer Jung-
ferſchaft mit Gewalt beraubet; wenn
aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge-
nothzuͤchtiget wird, ihre Schamhaf-
tigkeit verletzt wird; folglich hat eine
Jungfer das Recht ihre Jungferſchaft,
eine Wittwe und Ehefrau das Recht
ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen
(§. 46. 90.), und zwar ein an ſich un-
eingeſchraͤncktes Recht (§. 94.); folglich
iſt es erlaubt daß ſie denjenigen, der ſie
nothzuͤchtigen will, toͤdten kann, wo-
fern ſie der Gefahr anders nicht ent-
gehen kann.

§. 863.

Weil die Ehe durch einen Vertrag gemachtWie die
Ehe zu
ſtande
gebracht
wird.
wird (§. 856. 836.); ſo wird ſie durch
die beyderſeitige Einwilligung der
Manns- und Weibsperſon nach der
Natur zu ſtande gebracht (§. 438.);
folglich kann auf die beyderſeitige Er-
klaͤrung der Einwilligung der fleiſchli-
che Vermiſchung (copula carnalis), wel-
ches die Verbindung der Leiber der Manns-
und Weibsperſon iſt, die zu Erzeugung der
Kinder erfordert wird, gleich hinzukom-
men.

§. 864.

Das Verſprechen einander zu heyrathenVon der
Verloͤb-
niß.
wird die Verloͤbniß (ſponſalia) genannt;

und
R r 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0669" n="633"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Ehe.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">er&#x017F;ten Bey&#x017F;chlafe verlohren wird.</hi> Es<lb/>
erhellet al&#x017F;o, <hi rendition="#fr">daß, wenn eine Jungfer<lb/>
genothzu&#x0364;chtiget wird, &#x017F;ie ihrer Jung-<lb/>
fer&#x017F;chaft mit Gewalt beraubet; wenn<lb/>
aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge-<lb/>
nothzu&#x0364;chtiget wird, ihre Schamhaf-<lb/>
tigkeit verletzt wird;</hi> folglich <hi rendition="#fr">hat eine<lb/>
Jungfer das Recht ihre Jungfer&#x017F;chaft,<lb/>
eine Wittwe und Ehefrau das Recht<lb/>
ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen<lb/>
(§. 46. 90.), und zwar ein an &#x017F;ich un-<lb/>
einge&#x017F;chra&#x0364;ncktes Recht</hi> (§. 94.); folglich<lb/><hi rendition="#fr">i&#x017F;t es erlaubt daß &#x017F;ie denjenigen, der &#x017F;ie<lb/>
nothzu&#x0364;chtigen will, to&#x0364;dten kann, wo-<lb/>
fern &#x017F;ie der Gefahr anders nicht ent-<lb/>
gehen kann.</hi></p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 863.</head><lb/>
                <p>Weil die Ehe durch einen Vertrag gemacht<note place="right">Wie die<lb/>
Ehe zu<lb/>
&#x017F;tande<lb/>
gebracht<lb/>
wird.</note><lb/>
wird (§. 856. 836.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o wird &#x017F;ie durch<lb/>
die beyder&#x017F;eitige Einwilligung der<lb/>
Manns- und Weibsper&#x017F;on nach der<lb/>
Natur zu &#x017F;tande gebracht</hi> (§. 438.);<lb/>
folglich <hi rendition="#fr">kann auf die beyder&#x017F;eitige Er-<lb/>
kla&#x0364;rung der Einwilligung der flei&#x017F;chli-<lb/>
che Vermi&#x017F;chung</hi> <hi rendition="#aq">(copula carnalis),</hi> wel-<lb/>
ches die Verbindung der Leiber der Manns-<lb/>
und Weibsper&#x017F;on i&#x017F;t, die zu Erzeugung der<lb/>
Kinder erfordert wird, <hi rendition="#fr">gleich hinzukom-<lb/>
men.</hi></p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 864.</head><lb/>
                <p>Das Ver&#x017F;prechen einander zu heyrathen<note place="right">Von der<lb/>
Verlo&#x0364;b-<lb/>
niß.</note><lb/>
wird die <hi rendition="#fr">Verlo&#x0364;bniß</hi> <hi rendition="#aq">(&#x017F;pon&#x017F;alia)</hi> genannt;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r 5</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[633/0669] Von der Ehe. erſten Beyſchlafe verlohren wird. Es erhellet alſo, daß, wenn eine Jungfer genothzuͤchtiget wird, ſie ihrer Jung- ferſchaft mit Gewalt beraubet; wenn aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge- nothzuͤchtiget wird, ihre Schamhaf- tigkeit verletzt wird; folglich hat eine Jungfer das Recht ihre Jungferſchaft, eine Wittwe und Ehefrau das Recht ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen (§. 46. 90.), und zwar ein an ſich un- eingeſchraͤncktes Recht (§. 94.); folglich iſt es erlaubt daß ſie denjenigen, der ſie nothzuͤchtigen will, toͤdten kann, wo- fern ſie der Gefahr anders nicht ent- gehen kann. §. 863. Weil die Ehe durch einen Vertrag gemacht wird (§. 856. 836.); ſo wird ſie durch die beyderſeitige Einwilligung der Manns- und Weibsperſon nach der Natur zu ſtande gebracht (§. 438.); folglich kann auf die beyderſeitige Er- klaͤrung der Einwilligung der fleiſchli- che Vermiſchung (copula carnalis), wel- ches die Verbindung der Leiber der Manns- und Weibsperſon iſt, die zu Erzeugung der Kinder erfordert wird, gleich hinzukom- men. Wie die Ehe zu ſtande gebracht wird. §. 864. Das Verſprechen einander zu heyrathen wird die Verloͤbniß (ſponſalia) genannt; und Von der Verloͤb- niß. R r 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/669
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/669>, abgerufen am 21.12.2024.