Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Streitigkeiten zu endigen.
Schuld, wenn es dem Gläubiger ge-
fällt, entweder gantz, oder zum Theil
erlassen werden, oder er kann auf das,
wozu er Recht hat, entweder gantz, oder
zum Theil Verzicht thun.
Dieses Er-
lassen der Schuld und dieser Verzicht aber ist
kein Vertrag in der Güte, auch kein Ver-
gleich; weil in diesen beyden ein ungewisses
Recht erlassen, oder darauf Verzicht gethan
wird. Daher erhellet, daß der Vertrag
in der Güte,
woferne man der Bedeutung
der Worte nicht Gewalt anthun will, nicht
anders, als bey streitigen Schulden
statt findet.

§. 767.

Nach der natürlichen Freyheit kommtsWas
Rechtens
ist, wenn
die
Schuld
streitig
ist.

allein auf den Willen der Hadernden
an, ob sie sich in der Güte vertragen,
oder mit einander vergleichen wollen,
oder nicht
(§. 78.). Da aber niemand
sich durch, oder aus eines andern Sache be-
reichern darf (§. 271.); so muß man sich
bemühen, daß das, was streitig ist,
unstreitig gemacht, oder ausgemacht
werde.
Weil es aber doch nothwendig ist,
daß der Hader ein Ende gewinne; so muß
durchs Loos ausgemacht werden, wem
die streitige Sache zugehören soll.
Wofern es
aber unmöglich seyn sollte,
daß das, was streitig ist, unstreitig ge-
macht werden kann, es aber nicht
rathsam zu seyn scheinet, den Streit

durch

Streitigkeiten zu endigen.
Schuld, wenn es dem Glaͤubiger ge-
faͤllt, entweder gantz, oder zum Theil
erlaſſen werden, oder er kann auf das,
wozu er Recht hat, entweder gantz, oder
zum Theil Verzicht thun.
Dieſes Er-
laſſen der Schuld und dieſer Verzicht aber iſt
kein Vertrag in der Guͤte, auch kein Ver-
gleich; weil in dieſen beyden ein ungewiſſes
Recht erlaſſen, oder darauf Verzicht gethan
wird. Daher erhellet, daß der Vertrag
in der Guͤte,
woferne man der Bedeutung
der Worte nicht Gewalt anthun will, nicht
anders, als bey ſtreitigen Schulden
ſtatt findet.

§. 767.

Nach der natuͤrlichen Freyheit kommtsWas
Rechtens
iſt, wenn
die
Schuld
ſtreitig
iſt.

allein auf den Willen der Hadernden
an, ob ſie ſich in der Guͤte vertragen,
oder mit einander vergleichen wollen,
oder nicht
(§. 78.). Da aber niemand
ſich durch, oder aus eines andern Sache be-
reichern darf (§. 271.); ſo muß man ſich
bemuͤhen, daß das, was ſtreitig iſt,
unſtreitig gemacht, oder ausgemacht
werde.
Weil es aber doch nothwendig iſt,
daß der Hader ein Ende gewinne; ſo muß
durchs Loos ausgemacht werden, wem
die ſtreitige Sache zugehoͤren ſoll.
Wofern es
aber unmoͤglich ſeyn ſollte,
daß das, was ſtreitig iſt, unſtreitig ge-
macht werden kann, es aber nicht
rathſam zu ſeyn ſcheinet, den Streit

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0593" n="557"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Streitigkeiten zu endigen.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Schuld, wenn es dem Gla&#x0364;ubiger ge-<lb/>
fa&#x0364;llt, entweder gantz, oder zum Theil<lb/>
erla&#x017F;&#x017F;en werden, oder er kann auf das,<lb/>
wozu er Recht hat, entweder gantz, oder<lb/>
zum Theil Verzicht thun.</hi> Die&#x017F;es Er-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en der Schuld und die&#x017F;er Verzicht aber i&#x017F;t<lb/>
kein Vertrag in der Gu&#x0364;te, auch kein Ver-<lb/>
gleich; weil in die&#x017F;en beyden ein ungewi&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Recht erla&#x017F;&#x017F;en, oder darauf Verzicht gethan<lb/>
wird. Daher erhellet, daß <hi rendition="#fr">der Vertrag<lb/>
in der Gu&#x0364;te,</hi> woferne man der Bedeutung<lb/>
der Worte nicht Gewalt anthun will, <hi rendition="#fr">nicht<lb/>
anders, als bey &#x017F;treitigen Schulden<lb/>
&#x017F;tatt findet.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 767.</head><lb/>
              <p>Nach der natu&#x0364;rlichen Freyheit <hi rendition="#fr">kommts</hi><note place="right">Was<lb/>
Rechtens<lb/>
i&#x017F;t, wenn<lb/>
die<lb/>
Schuld<lb/>
&#x017F;treitig<lb/>
i&#x017F;t.</note><lb/><hi rendition="#fr">allein auf den Willen der Hadernden<lb/>
an, ob &#x017F;ie &#x017F;ich in der Gu&#x0364;te vertragen,<lb/>
oder mit einander vergleichen wollen,<lb/>
oder nicht</hi> (§. 78.). Da aber niemand<lb/>
&#x017F;ich durch, oder aus eines andern Sache be-<lb/>
reichern darf (§. 271.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß man &#x017F;ich<lb/>
bemu&#x0364;hen, daß das, was &#x017F;treitig i&#x017F;t,<lb/>
un&#x017F;treitig gemacht, oder ausgemacht<lb/>
werde.</hi> Weil es aber doch nothwendig i&#x017F;t,<lb/>
daß der Hader ein Ende gewinne; <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß<lb/>
durchs Loos ausgemacht werden, wem<lb/>
die &#x017F;treitige Sache zugeho&#x0364;ren &#x017F;oll.<lb/>
Wofern es</hi> aber <hi rendition="#fr">unmo&#x0364;glich &#x017F;eyn &#x017F;ollte,<lb/>
daß das, was &#x017F;treitig i&#x017F;t, un&#x017F;treitig ge-<lb/>
macht werden kann, es aber nicht<lb/>
rath&#x017F;am zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet, den Streit</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">durch</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[557/0593] Streitigkeiten zu endigen. Schuld, wenn es dem Glaͤubiger ge- faͤllt, entweder gantz, oder zum Theil erlaſſen werden, oder er kann auf das, wozu er Recht hat, entweder gantz, oder zum Theil Verzicht thun. Dieſes Er- laſſen der Schuld und dieſer Verzicht aber iſt kein Vertrag in der Guͤte, auch kein Ver- gleich; weil in dieſen beyden ein ungewiſſes Recht erlaſſen, oder darauf Verzicht gethan wird. Daher erhellet, daß der Vertrag in der Guͤte, woferne man der Bedeutung der Worte nicht Gewalt anthun will, nicht anders, als bey ſtreitigen Schulden ſtatt findet. §. 767. Nach der natuͤrlichen Freyheit kommts allein auf den Willen der Hadernden an, ob ſie ſich in der Guͤte vertragen, oder mit einander vergleichen wollen, oder nicht (§. 78.). Da aber niemand ſich durch, oder aus eines andern Sache be- reichern darf (§. 271.); ſo muß man ſich bemuͤhen, daß das, was ſtreitig iſt, unſtreitig gemacht, oder ausgemacht werde. Weil es aber doch nothwendig iſt, daß der Hader ein Ende gewinne; ſo muß durchs Loos ausgemacht werden, wem die ſtreitige Sache zugehoͤren ſoll. Wofern es aber unmoͤglich ſeyn ſollte, daß das, was ſtreitig iſt, unſtreitig ge- macht werden kann, es aber nicht rathſam zu ſeyn ſcheinet, den Streit durch Was Rechtens iſt, wenn die Schuld ſtreitig iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/593
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/593>, abgerufen am 21.11.2024.