man keine wahrscheinliche Gründe an- bringen kann, warum sein Eigenthum verdächtig seyn solte, durch einen rechtmäßigen Titul erhalten hat, dieselbe mit gutem Gewissen besitze (§. 201.).
§. 456.
Vom rechtmäs- sigen und unrecht- mäßigen Besitz.
Man nennet aber einen rechtmäßigen Besitz(possessionem justam), bey welchem man einen rechtmäßigen Titul und ein gutes Gewissen antrift: wenn aber eines von bey- den fehlet, so ist der Besitz unrechtmäs- sig(possessio injusta). Ein Beyspiel im letz- ten Falle ist dieses: Wenn einer weiß, daß er eine Sache nicht von dem Eigenthums- herrn gekauft habe: im ersten Falle aber, wenn einer glaubt, er habe sie von dem Ei- genthumsherrn gekauft, oder geschenckt be- kommen.
§. 457.
Von der Beförde- rung der Gewiß- heit des Eigen- thums.
Weil wir einen jeden Schaden sowohl von uns, als von andern abwenden sollen (§. 269.); so muß keiner nachläßig, folglich jeder fleißig seyn (§. 21.) nachzuforschen, ob etwan von dem, was ihm gehöret, etwas in eines andern Gtwalt kom- men sey, wie auch nach den Rechten, die ihm zukommen, und sich in acht nehmen, daß unter den Sachen, wel- che er besitzet, keine angetroffen wer- de, die einem andern zugehöret; folg- lich sich bemühen, daß er von dem Ei-
genthu-
II.Th. 8. H. Von der Erſitzung
man keine wahrſcheinliche Gruͤnde an- bringen kann, warum ſein Eigenthum verdaͤchtig ſeyn ſolte, durch einen rechtmaͤßigen Titul erhalten hat, dieſelbe mit gutem Gewiſſen beſitze (§. 201.).
§. 456.
Vom rechtmaͤſ- ſigen und unrecht- maͤßigen Beſitz.
Man nennet aber einen rechtmaͤßigen Beſitz(poſſeſſionem juſtam), bey welchem man einen rechtmaͤßigen Titul und ein gutes Gewiſſen antrift: wenn aber eines von bey- den fehlet, ſo iſt der Beſitz unrechtmaͤſ- ſig(poſſeſſio injuſta). Ein Beyſpiel im letz- ten Falle iſt dieſes: Wenn einer weiß, daß er eine Sache nicht von dem Eigenthums- herrn gekauft habe: im erſten Falle aber, wenn einer glaubt, er habe ſie von dem Ei- genthumsherrn gekauft, oder geſchenckt be- kommen.
§. 457.
Von der Befoͤrde- rung der Gewiß- heit des Eigen- thums.
Weil wir einen jeden Schaden ſowohl von uns, als von andern abwenden ſollen (§. 269.); ſo muß keiner nachlaͤßig, folglich jeder fleißig ſeyn (§. 21.) nachzuforſchen, ob etwan von dem, was ihm gehoͤret, etwas in eines andern Gtwalt kom- men ſey, wie auch nach den Rechten, die ihm zukommen, und ſich in acht nehmen, daß unter den Sachen, wel- che er beſitzet, keine angetroffen wer- de, die einem andern zugehoͤret; folg- lich ſich bemuͤhen, daß er von dem Ei-
genthu-
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II. Th. 8. H. Von der Erſitzung
man keine wahrſcheinliche Gruͤnde an-
bringen kann, warum ſein Eigenthum
verdaͤchtig ſeyn ſolte, durch einen
rechtmaͤßigen Titul erhalten hat,
dieſelbe mit gutem Gewiſſen beſitze
(§. 201.).
§. 456.
Man nennet aber einen rechtmaͤßigen
Beſitz (poſſeſſionem juſtam), bey welchem
man einen rechtmaͤßigen Titul und ein gutes
Gewiſſen antrift: wenn aber eines von bey-
den fehlet, ſo iſt der Beſitz unrechtmaͤſ-
ſig (poſſeſſio injuſta). Ein Beyſpiel im letz-
ten Falle iſt dieſes: Wenn einer weiß, daß
er eine Sache nicht von dem Eigenthums-
herrn gekauft habe: im erſten Falle aber,
wenn einer glaubt, er habe ſie von dem Ei-
genthumsherrn gekauft, oder geſchenckt be-
kommen.
§. 457.
Weil wir einen jeden Schaden ſowohl von
uns, als von andern abwenden ſollen (§. 269.);
ſo muß keiner nachlaͤßig, folglich jeder
fleißig ſeyn (§. 21.) nachzuforſchen,
ob etwan von dem, was ihm gehoͤret,
etwas in eines andern Gtwalt kom-
men ſey, wie auch nach den Rechten,
die ihm zukommen, und ſich in acht
nehmen, daß unter den Sachen, wel-
che er beſitzet, keine angetroffen wer-
de, die einem andern zugehoͤret; folg-
lich ſich bemuͤhen, daß er von dem Ei-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/322>, abgerufen am 21.11.2024.
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