Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Th. 6. H. Von der Eröfnung
§. 361.
Was ei-
ne Be-
theurung
und was
ein Eyd
sey.

Wenn jemand zweifelt, ob man die
Wahrheit rede, und es entweder durch
die Sache, von welcher man redet,
oder auf eine andere Weise, z. E.
durch Zeugen, nicht gewiß werden
kann; so kann man es nicht anders be-
weisen, als durch das Gewissen, oder
daß man GOtt zum Zeugen anruft
:
indem niemand unsere Gedancken weiß, als
wir selbst, die wir uns derselben bewust sind,
und Gott. Den Beweis der Wahrheit des-
sen, was wir sagen, durch das Zeugniß des
Gewissens, indem wir nämlich uns auf das
Gewissen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt
man eine Betheurung (asseverationem);
den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes,
indem wir nämlich Gott als den Zeugen der
Wahrheit desjenigen, was wir sagen, und
als den Rächer der Lügen und des Meiney-
des anrufen, einen Eyd oder Eydschwur
(juramentum, jusjurandum). Was der
Meineyd sey, werden wir unten erklären.

§. 362.
Wer
nicht
schwören
kann.

Weil derjenige, welcher schwört, gewiß
seyn muß, daß ein Gott sey, der die Ge-
dancken der Menschen kennt, und die Lügen
und den Meineyd bestraft (§. 361.); so kann
der, welcher leugnet, daß ein Gott sey,
oder daß er die Gedancken der Men-
schen kenne, oder daß er sich wenig

um
II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
§. 361.
Was ei-
ne Be-
theurung
und was
ein Eyd
ſey.

Wenn jemand zweifelt, ob man die
Wahrheit rede, und es entweder durch
die Sache, von welcher man redet,
oder auf eine andere Weiſe, z. E.
durch Zeugen, nicht gewiß werden
kann; ſo kann man es nicht anders be-
weiſen, als durch das Gewiſſen, oder
daß man GOtt zum Zeugen anruft
:
indem niemand unſere Gedancken weiß, als
wir ſelbſt, die wir uns derſelben bewuſt ſind,
und Gott. Den Beweis der Wahrheit deſ-
ſen, was wir ſagen, durch das Zeugniß des
Gewiſſens, indem wir naͤmlich uns auf das
Gewiſſen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt
man eine Betheurung (aſſeverationem);
den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes,
indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der
Wahrheit desjenigen, was wir ſagen, und
als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney-
des anrufen, einen Eyd oder Eydſchwur
(juramentum, jusjurandum). Was der
Meineyd ſey, werden wir unten erklaͤren.

§. 362.
Wer
nicht
ſchwoͤren
kann.

Weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, gewiß
ſeyn muß, daß ein Gott ſey, der die Ge-
dancken der Menſchen kennt, und die Luͤgen
und den Meineyd beſtraft (§. 361.); ſo kann
der, welcher leugnet, daß ein Gott ſey,
oder daß er die Gedancken der Men-
ſchen kenne, oder daß er ſich wenig

um
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0258" n="222"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. 6. H. Von der Ero&#x0364;fnung</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 361.</head><lb/>
              <note place="left">Was ei-<lb/>
ne Be-<lb/>
theurung<lb/>
und was<lb/>
ein Eyd<lb/>
&#x017F;ey.</note>
              <p><hi rendition="#fr">Wenn jemand zweifelt, ob man die<lb/>
Wahrheit rede, und es entweder durch<lb/>
die Sache, von welcher man redet,<lb/>
oder auf eine andere Wei&#x017F;e, z. E.<lb/>
durch Zeugen, nicht gewiß werden<lb/>
kann; &#x017F;o kann man es nicht anders be-<lb/>
wei&#x017F;en, als durch das Gewi&#x017F;&#x017F;en, oder<lb/>
daß man GOtt zum Zeugen anruft</hi>:<lb/>
indem niemand un&#x017F;ere Gedancken weiß, als<lb/>
wir &#x017F;elb&#x017F;t, die wir uns der&#x017F;elben bewu&#x017F;t &#x017F;ind,<lb/>
und Gott. Den Beweis der Wahrheit de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, was wir &#x017F;agen, durch das Zeugniß des<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens, indem wir na&#x0364;mlich uns auf das<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en als auf einen Zeugen, beruffen, nennt<lb/>
man eine <hi rendition="#fr">Betheurung</hi> <hi rendition="#aq">(a&#x017F;&#x017F;everationem);</hi><lb/>
den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes,<lb/>
indem wir na&#x0364;mlich Gott als den Zeugen der<lb/>
Wahrheit desjenigen, was wir &#x017F;agen, und<lb/>
als den Ra&#x0364;cher der Lu&#x0364;gen und des Meiney-<lb/>
des anrufen, einen <hi rendition="#fr">Eyd</hi> oder <hi rendition="#fr">Eyd&#x017F;chwur</hi><lb/><hi rendition="#aq">(juramentum, jusjurandum).</hi> Was der<lb/>
Meineyd &#x017F;ey, werden wir unten erkla&#x0364;ren.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 362.</head><lb/>
              <note place="left">Wer<lb/>
nicht<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;ren<lb/>
kann.</note>
              <p>Weil derjenige, welcher &#x017F;chwo&#x0364;rt, gewiß<lb/>
&#x017F;eyn muß, daß ein Gott &#x017F;ey, der die Ge-<lb/>
dancken der Men&#x017F;chen kennt, und die Lu&#x0364;gen<lb/>
und den Meineyd be&#x017F;traft (§. 361.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o kann<lb/>
der, welcher leugnet, daß ein Gott &#x017F;ey,<lb/>
oder daß er die Gedancken der Men-<lb/>
&#x017F;chen kenne, oder daß er &#x017F;ich wenig</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">um</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0258] II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung §. 361. Wenn jemand zweifelt, ob man die Wahrheit rede, und es entweder durch die Sache, von welcher man redet, oder auf eine andere Weiſe, z. E. durch Zeugen, nicht gewiß werden kann; ſo kann man es nicht anders be- weiſen, als durch das Gewiſſen, oder daß man GOtt zum Zeugen anruft: indem niemand unſere Gedancken weiß, als wir ſelbſt, die wir uns derſelben bewuſt ſind, und Gott. Den Beweis der Wahrheit deſ- ſen, was wir ſagen, durch das Zeugniß des Gewiſſens, indem wir naͤmlich uns auf das Gewiſſen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt man eine Betheurung (aſſeverationem); den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes, indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der Wahrheit desjenigen, was wir ſagen, und als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney- des anrufen, einen Eyd oder Eydſchwur (juramentum, jusjurandum). Was der Meineyd ſey, werden wir unten erklaͤren. §. 362. Weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, gewiß ſeyn muß, daß ein Gott ſey, der die Ge- dancken der Menſchen kennt, und die Luͤgen und den Meineyd beſtraft (§. 361.); ſo kann der, welcher leugnet, daß ein Gott ſey, oder daß er die Gedancken der Men- ſchen kenne, oder daß er ſich wenig um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/258
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/258>, abgerufen am 21.12.2024.