verstohlner weise besitzt einer etwas (clam possidet), welcher, dem Besitzer unwissende, den Besitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne Recht eingenommen hat, und wer dieses thut, von dem sagt man, er kommt verstohlner weise in den Besitz(possessionem furtive ingredi), und der auf solche Weise erhaltene Besitz wird der heimliche oder verstoh- lene Besitz(possessio clandestina) genannt. Denn man achtet einen solchen Besitz einer ge- stohlnen Sache gleich. Es ist aber eben, wie vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt sey, eine Sache verstohlner weise zu besitzen, es mag der Besitzer entweder nicht der Eigenthumsherr seyn, oder, wenn er es ist, doch sein Eigenthum noch nicht bewiesen habe; und daß in sol- chem Falle der Besitz dem vorigen Be- sitzer wieder einzuräumen sey; folglich dieser das Recht habe, nicht zu leiden, daß der andere etwas, was er besessen, verstohlener weise besitze; folglich, wenn er ihm den Besitz nicht wieder ein- räumen will, er ihn mit Gewalt her- auswerfen könne.
§. 291.
Weil die Sache, die einer besitzet, in seinerWie der Besitz er- langet, behalten und ver- lohren werde. Gewalt seyn muß, so daß es möglich ist, nach seinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen, was er will (§. 200.); folglich des Eigen- thums sich zu gebrauchen (§. 195.); so wird der Besitz erlanget(acquiritur),wenn
die
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wegen des Eigenthums.
verſtohlner weiſe beſitzt einer etwas (clam poſſidet), welcher, dem Beſitzer unwiſſende, den Beſitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne Recht eingenommen hat, und wer dieſes thut, von dem ſagt man, er kommt verſtohlner weiſe in den Beſitz(poſſeſſionem furtive ingredi), und der auf ſolche Weiſe erhaltene Beſitz wird der heimliche oder verſtoh- lene Beſitz(poſſeſſio clandeſtina) genannt. Denn man achtet einen ſolchen Beſitz einer ge- ſtohlnen Sache gleich. Es iſt aber eben, wie vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt ſey, eine Sache verſtohlner weiſe zu beſitzen, es mag der Beſitzer entweder nicht der Eigenthumsherr ſeyn, oder, wenn er es iſt, doch ſein Eigenthum noch nicht bewieſen habe; und daß in ſol- chem Falle der Beſitz dem vorigen Be- ſitzer wieder einzuraͤumen ſey; folglich dieſer das Recht habe, nicht zu leiden, daß der andere etwas, was er beſeſſen, verſtohlener weiſe beſitze; folglich, wenn er ihm den Beſitz nicht wieder ein- raͤumen will, er ihn mit Gewalt her- auswerfen koͤnne.
§. 291.
Weil die Sache, die einer beſitzet, in ſeinerWie der Beſitz er- langet, behalten und ver- lohren werde. Gewalt ſeyn muß, ſo daß es moͤglich iſt, nach ſeinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen, was er will (§. 200.); folglich des Eigen- thums ſich zu gebrauchen (§. 195.); ſo wird der Beſitz erlanget(acquiritur),wenn
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wegen des Eigenthums.
verſtohlner weiſe beſitzt einer etwas (clam
poſſidet), welcher, dem Beſitzer unwiſſende,
den Beſitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne
Recht eingenommen hat, und wer dieſes thut,
von dem ſagt man, er kommt verſtohlner
weiſe in den Beſitz (poſſeſſionem furtive
ingredi), und der auf ſolche Weiſe erhaltene
Beſitz wird der heimliche oder verſtoh-
lene Beſitz (poſſeſſio clandeſtina) genannt.
Denn man achtet einen ſolchen Beſitz einer ge-
ſtohlnen Sache gleich. Es iſt aber eben, wie
vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt
ſey, eine Sache verſtohlner weiſe zu
beſitzen, es mag der Beſitzer entweder
nicht der Eigenthumsherr ſeyn, oder,
wenn er es iſt, doch ſein Eigenthum noch
nicht bewieſen habe; und daß in ſol-
chem Falle der Beſitz dem vorigen Be-
ſitzer wieder einzuraͤumen ſey; folglich
dieſer das Recht habe, nicht zu leiden,
daß der andere etwas, was er beſeſſen,
verſtohlener weiſe beſitze; folglich, wenn
er ihm den Beſitz nicht wieder ein-
raͤumen will, er ihn mit Gewalt her-
auswerfen koͤnne.
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Weil die Sache, die einer beſitzet, in ſeiner
Gewalt ſeyn muß, ſo daß es moͤglich iſt, nach
ſeinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen,
was er will (§. 200.); folglich des Eigen-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/217>, abgerufen am 21.11.2024.
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