Weil die Pflichten des Menschen gegenVon der Sorge für des andern Leib. andere mit den Pflichten gegen sich einerley sind (§. 133.); so muß niemand die Glied- massen eines andern auf einige Weise verletzen, oder ihn eines Gliedes be- rauben, oder dasselbe unbrauchbar ma- chen, noch auch der Gesundheit des andern auf einige Weise schaden; son- dern sein Leben und seinen Leib, so viel an ihm ist, erhalten, nicht weni- ger, wenn er kranck ist, sorgen, daß er wieder gesund werde (§. 112.); folg- lich muß er niemanden des Lebens berau- ben, oder ihn tödten (§. 51.), daß solcher- gestalt ein jeder Todtschlag, der vorsetzli- cher Weise, oder aus Versehen begangen wird (§. 17.), wovon jener ein vorsetzlicher, dieser ein unvorsetzlicher genannt wird, von Natur unerlaubt ist (§. 49). Und weil niemand das Recht hat, sich selbst des Lebens zu berauben (§. 112.); so ist es auch nicht er- laubt, einen andern, wenn er es auch haben will, zu tödten.
§. 142.
Aus eben dem Grunde erhellet, daß wirWie man vor den guten Na- men eines andern sorgen soll. auch vor den guten Nahmen eines an- dern Sorge tragen sollen (§. 126. 133.). Da nun ein guter Ruf in der gemeinen Rede der Menschen von der Vollkommenheit ande- rer, und folglich ihrem Thun und Lassen be- stehet (§. 126.); so müssen wir nicht al-
lein
des Menſchen gegen andere.
§. 141.
Weil die Pflichten des Menſchen gegenVon der Sorge fuͤr des andern Leib. andere mit den Pflichten gegen ſich einerley ſind (§. 133.); ſo muß niemand die Glied- maſſen eines andern auf einige Weiſe verletzen, oder ihn eines Gliedes be- rauben, oder daſſelbe unbrauchbar ma- chen, noch auch der Geſundheit des andern auf einige Weiſe ſchaden; ſon- dern ſein Leben und ſeinen Leib, ſo viel an ihm iſt, erhalten, nicht weni- ger, wenn er kranck iſt, ſorgen, daß er wieder geſund werde (§. 112.); folg- lich muß er niemanden des Lebens berau- ben, oder ihn toͤdten (§. 51.), daß ſolcher- geſtalt ein jeder Todtſchlag, der vorſetzli- cher Weiſe, oder aus Verſehen begangen wird (§. 17.), wovon jener ein vorſetzlicher, dieſer ein unvorſetzlicher genannt wird, von Natur unerlaubt iſt (§. 49). Und weil niemand das Recht hat, ſich ſelbſt des Lebens zu berauben (§. 112.); ſo iſt es auch nicht er- laubt, einen andern, wenn er es auch haben will, zu toͤdten.
§. 142.
Aus eben dem Grunde erhellet, daß wirWie man vor den guten Na- men eines andern ſorgen ſoll. auch vor den guten Nahmen eines an- dern Sorge tragen ſollen (§. 126. 133.). Da nun ein guter Ruf in der gemeinen Rede der Menſchen von der Vollkommenheit ande- rer, und folglich ihrem Thun und Laſſen be- ſtehet (§. 126.); ſo muͤſſen wir nicht al-
lein
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des Menſchen gegen andere.
§. 141.
Weil die Pflichten des Menſchen gegen
andere mit den Pflichten gegen ſich einerley
ſind (§. 133.); ſo muß niemand die Glied-
maſſen eines andern auf einige Weiſe
verletzen, oder ihn eines Gliedes be-
rauben, oder daſſelbe unbrauchbar ma-
chen, noch auch der Geſundheit des
andern auf einige Weiſe ſchaden; ſon-
dern ſein Leben und ſeinen Leib, ſo
viel an ihm iſt, erhalten, nicht weni-
ger, wenn er kranck iſt, ſorgen, daß
er wieder geſund werde (§. 112.); folg-
lich muß er niemanden des Lebens berau-
ben, oder ihn toͤdten (§. 51.), daß ſolcher-
geſtalt ein jeder Todtſchlag, der vorſetzli-
cher Weiſe, oder aus Verſehen begangen
wird (§. 17.), wovon jener ein vorſetzlicher,
dieſer ein unvorſetzlicher genannt wird,
von Natur unerlaubt iſt (§. 49). Und weil
niemand das Recht hat, ſich ſelbſt des Lebens zu
berauben (§. 112.); ſo iſt es auch nicht er-
laubt, einen andern, wenn er es auch
haben will, zu toͤdten.
Von der
Sorge
fuͤr des
andern
Leib.
§. 142.
Aus eben dem Grunde erhellet, daß wir
auch vor den guten Nahmen eines an-
dern Sorge tragen ſollen (§. 126. 133.).
Da nun ein guter Ruf in der gemeinen Rede
der Menſchen von der Vollkommenheit ande-
rer, und folglich ihrem Thun und Laſſen be-
ſtehet (§. 126.); ſo muͤſſen wir nicht al-
lein
Wie man
vor den
guten Na-
men eines
andern
ſorgen
ſoll.
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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