sollen (§. 106.), bestehet, wovon jene die Tugen- den des Verstandes(virtutes intellectuales), diese die sittliche Tugenden(virtutes mo- rales), oder auch, ohne Zusatz, die Tugen- den genannt werden; so bringet nichts als die Tugenden des Verstandes und die sittliche Tugenden, welche durch un- sere Wercke und Worte angezeiget werden, folglich das Gute der Seele (§. 104.), ei- ne wahre Hochachtung, Lob und Eh- re zuwege; das Gute des Leibes und die Güter des Glücks aber bringen die- selben nicht zuwege, als nur in so weit, als dieselbe durch die Tugenden erlan- get worden. Und demnach sind sie nur ei- ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und Ehre.
§. 126.
Vom Ruf.
Der Ruf(fama) ist die gemeine Rede der Menschen von der Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit eines Menschen; folglich von den Worten und Wercken, welche die- selben anzeigen. Also ist der Ruf entweder gut oder böse. Weil der Mensch sich im- mer vollkommener machen soll (§. 43.), und in allem seinem Thun recht verfahren (§. 52.); so muß er sich bemühen einen guten Nahmen, oder Ruf zu haben, und zwar mit Recht, auch denselben be- ständig zu erhalten suchen, das ist, sich sorgfältig in Acht nehmen, daß er denselben nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf in
einen
I. Th. 4. H. Von den Pflichten
ſollen (§. 106.), beſtehet, wovon jene die Tugen- den des Verſtandes(virtutes intellectuales), dieſe die ſittliche Tugenden(virtutes mo- rales), oder auch, ohne Zuſatz, die Tugen- den genannt werden; ſo bringet nichts als die Tugenden des Verſtandes und die ſittliche Tugenden, welche durch un- ſere Wercke und Worte angezeiget werden, folglich das Gute der Seele (§. 104.), ei- ne wahre Hochachtung, Lob und Eh- re zuwege; das Gute des Leibes und die Guͤter des Gluͤcks aber bringen die- ſelben nicht zuwege, als nur in ſo weit, als dieſelbe durch die Tugenden erlan- get worden. Und demnach ſind ſie nur ei- ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und Ehre.
§. 126.
Vom Ruf.
Der Ruf(fama) iſt die gemeine Rede der Menſchen von der Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit eines Menſchen; folglich von den Worten und Wercken, welche die- ſelben anzeigen. Alſo iſt der Ruf entweder gut oder boͤſe. Weil der Menſch ſich im- mer vollkommener machen ſoll (§. 43.), und in allem ſeinem Thun recht verfahren (§. 52.); ſo muß er ſich bemuͤhen einen guten Nahmen, oder Ruf zu haben, und zwar mit Recht, auch denſelben be- ſtaͤndig zu erhalten ſuchen, das iſt, ſich ſorgfaͤltig in Acht nehmen, daß er denſelben nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf in
einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0118"n="82"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Th. 4. H. Von den Pflichten</hi></fw><lb/>ſollen (§. 106.), beſtehet, wovon jene die <hirendition="#fr">Tugen-<lb/>
den des Verſtandes</hi><hirendition="#aq">(virtutes intellectuales),</hi><lb/>
dieſe die <hirendition="#fr">ſittliche Tugenden</hi><hirendition="#aq">(virtutes mo-<lb/>
rales),</hi> oder auch, ohne Zuſatz, die <hirendition="#fr">Tugen-<lb/>
den</hi> genannt werden; <hirendition="#fr">ſo bringet nichts<lb/>
als die Tugenden des Verſtandes und<lb/>
die ſittliche Tugenden,</hi> welche durch un-<lb/>ſere Wercke und Worte angezeiget werden,<lb/>
folglich das <hirendition="#fr">Gute der Seele (§. 104.), ei-<lb/>
ne wahre Hochachtung, Lob und Eh-<lb/>
re zuwege; das Gute des Leibes und<lb/>
die Guͤter des Gluͤcks aber bringen die-<lb/>ſelben nicht zuwege, als nur in ſo weit,<lb/>
als dieſelbe durch die Tugenden erlan-<lb/>
get worden.</hi> Und demnach ſind ſie nur ei-<lb/>
ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und<lb/>
Ehre.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 126.</head><lb/><noteplace="left">Vom<lb/>
Ruf.</note><p><hirendition="#fr">Der Ruf</hi><hirendition="#aq">(fama)</hi> iſt die gemeine Rede<lb/>
der Menſchen von der Vollkommenheit, oder<lb/>
Unvollkommenheit eines Menſchen; folglich<lb/>
von den Worten und Wercken, welche die-<lb/>ſelben anzeigen. Alſo iſt der Ruf entweder<lb/><hirendition="#fr">gut</hi> oder <hirendition="#fr">boͤſe.</hi> Weil der Menſch ſich im-<lb/>
mer vollkommener machen ſoll (§. 43.), und<lb/>
in allem ſeinem Thun recht verfahren (§. 52.);<lb/><hirendition="#fr">ſo muß er ſich bemuͤhen einen guten<lb/>
Nahmen, oder Ruf zu haben, und<lb/>
zwar mit Recht,</hi> auch <hirendition="#fr">denſelben be-<lb/>ſtaͤndig zu erhalten ſuchen,</hi> das iſt, ſich<lb/>ſorgfaͤltig in Acht nehmen, daß er denſelben<lb/>
nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einen</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[82/0118]
I. Th. 4. H. Von den Pflichten
ſollen (§. 106.), beſtehet, wovon jene die Tugen-
den des Verſtandes (virtutes intellectuales),
dieſe die ſittliche Tugenden (virtutes mo-
rales), oder auch, ohne Zuſatz, die Tugen-
den genannt werden; ſo bringet nichts
als die Tugenden des Verſtandes und
die ſittliche Tugenden, welche durch un-
ſere Wercke und Worte angezeiget werden,
folglich das Gute der Seele (§. 104.), ei-
ne wahre Hochachtung, Lob und Eh-
re zuwege; das Gute des Leibes und
die Guͤter des Gluͤcks aber bringen die-
ſelben nicht zuwege, als nur in ſo weit,
als dieſelbe durch die Tugenden erlan-
get worden. Und demnach ſind ſie nur ei-
ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und
Ehre.
§. 126.
Der Ruf (fama) iſt die gemeine Rede
der Menſchen von der Vollkommenheit, oder
Unvollkommenheit eines Menſchen; folglich
von den Worten und Wercken, welche die-
ſelben anzeigen. Alſo iſt der Ruf entweder
gut oder boͤſe. Weil der Menſch ſich im-
mer vollkommener machen ſoll (§. 43.), und
in allem ſeinem Thun recht verfahren (§. 52.);
ſo muß er ſich bemuͤhen einen guten
Nahmen, oder Ruf zu haben, und
zwar mit Recht, auch denſelben be-
ſtaͤndig zu erhalten ſuchen, das iſt, ſich
ſorgfaͤltig in Acht nehmen, daß er denſelben
nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf in
einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/118>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.