Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710.Anfangs-Gründe Glaß dergestalt gegen das Loch in dem Fenster-Ladendes verfinsterten Zimmers/ daß der Sonnenstrahl/ so dadurch hinein fället/ mit der Axe des Glases einen rechten Winckel machet. Denn wendet er das Glaß auf- und niederwarts/ biß daß Bild von dem Loche bald auf/ bald nieder steiget. Wenn es zwieschen diesen beyden Bewegungen stille stehet/ hält er das Glaß fe- ste/ weil alsdenn der Strahl im Eingange in das Glaß eben so viel als im Ausgange gebrochen wird. Da nun das Loch rundt aussehen sollte/ wenn die Strah- len alle auf gleiche Art gebrochen würden/ daß nemlich der Sinus des Einfalls-Winckels zu dem Sinu des Re- fractions-Winckels stets einerley Verhältnis hätte/ wie insgemein gelehret wird; so siehet es oval aus/ und ist die Länge grösser als die Breite. Der am meisten gebrochene Theil ist der purpurfarbene/ der am wenig- sten gebrochene aber der rothe. Jhr könnet aber hier- aus abnehmen/ daß sich die Sache an diesem Orte auf gehörige Weise nicht ausführen lässet. Der 2. Zusatz. 64. Daß demnach die Cörper verschiede- Die 3. Anmerckung. 65. Nach der Newtonianischen Theorie siehet ein schie-
Anfangs-Gruͤnde Glaß dergeſtalt gegen das Loch in dem Fenſter-Ladendes verfinſterten Zimmers/ daß der Sonnenſtrahl/ ſo dadurch hinein faͤllet/ mit der Axe des Glaſes einen rechten Winckel machet. Denn wendet er das Glaß auf- und niederwarts/ biß daß Bild von dem Loche bald auf/ bald nieder ſteiget. Wenn es zwieſchen dieſen beyden Bewegungen ſtille ſtehet/ haͤlt er das Glaß fe- ſte/ weil alsdenn der Strahl im Eingange in das Glaß eben ſo viel als im Ausgange gebrochen wird. Da nun das Loch rundt ausſehen ſollte/ wenn die Strah- len alle auf gleiche Art gebrochen wuͤrden/ daß nemlich der Sinus des Einfalls-Winckels zu dem Sinu des Re- fractions-Winckels ſtets einerley Verhaͤltnis haͤtte/ wie insgemein gelehret wird; ſo ſiehet es oval aus/ und iſt die Laͤnge groͤſſer als die Breite. Der am meiſten gebrochene Theil iſt der purpurfarbene/ der am wenig- ſten gebrochene aber der rothe. Jhr koͤnnet aber hier- aus abnehmen/ daß ſich die Sache an dieſem Orte auf gehoͤrige Weiſe nicht ausfuͤhren laͤſſet. Der 2. Zuſatz. 64. Daß demnach die Coͤrper verſchiede- Die 3. Anmerckung. 65. Nach der Newtonianiſchen Theorie ſiehet ein ſchie-
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Anfangs-Gruͤnde
Glaß dergeſtalt gegen das Loch in dem Fenſter-Laden
des verfinſterten Zimmers/ daß der Sonnenſtrahl/ ſo
dadurch hinein faͤllet/ mit der Axe des Glaſes einen
rechten Winckel machet. Denn wendet er das Glaß
auf- und niederwarts/ biß daß Bild von dem Loche bald
auf/ bald nieder ſteiget. Wenn es zwieſchen dieſen
beyden Bewegungen ſtille ſtehet/ haͤlt er das Glaß fe-
ſte/ weil alsdenn der Strahl im Eingange in das Glaß
eben ſo viel als im Ausgange gebrochen wird. Da
nun das Loch rundt ausſehen ſollte/ wenn die Strah-
len alle auf gleiche Art gebrochen wuͤrden/ daß nemlich
der Sinus des Einfalls-Winckels zu dem Sinu des Re-
fractions-Winckels ſtets einerley Verhaͤltnis haͤtte/
wie insgemein gelehret wird; ſo ſiehet es oval aus/ und
iſt die Laͤnge groͤſſer als die Breite. Der am meiſten
gebrochene Theil iſt der purpurfarbene/ der am wenig-
ſten gebrochene aber der rothe. Jhr koͤnnet aber hier-
aus abnehmen/ daß ſich die Sache an dieſem Orte auf
gehoͤrige Weiſe nicht ausfuͤhren laͤſſet.
Der 2. Zuſatz.
64. Daß demnach die Coͤrper verſchiede-
ne Farben haben/ kommet einig und allein
daher/ daß ſie die Farben auf verſchiedene
Art reflectiren. Dieſes aber geſchiehet/
weil die kleinen Theilgen an den Flaͤchen der
Coͤrper nicht einerley Lage haben.
Die 3. Anmerckung.
65. Nach der Newtonianiſchen Theorie ſiehet ein
Coͤrper roth aus/ wenn er lauter rothmachende Strah-
len reflectiret; gruͤne/ wenn er nur gruͤnmachende zu-
ruͤcke wierfet u. ſ w. Gleich wie aber aus der Mah-
ler-Kunſt erhellet/ daß aus Vermieſchung weniger ein-
fachen Farben unzehlich viel andere entſtehen; allſo
koͤnnen auch die Coͤrper gar verſchiedene Farben ha-
ben/ nachdem durch die Reflexion Strahlen von ver-
ſchie-
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710. , S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/34>, abgerufen am 22.02.2025. |