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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Geschichte des tragikertextes.
auch nicht mit C stimmend: folglich stand ihm eine andere zur sippe C
gehörige handschrift dieser dramen zur verfügung 177).

Recensio
und emen-
datio in den
tragödien
der aus-
wahl.

Sämmtliche 19 dramen dürfen also hier als gemeinsam überliefert
angesehen werden; aber sie zerfallen in zwei reihen. die eine wird durch
die ehedem commentirte sylloge gebildet, auf deren archetypus sie mithin
zurückgeht, so dass von zwei ganz gesonderten familien zu reden wider-
sinnig ist; auch zeigt C einen text, der keinesweges überwiegend MVA
gegenüber etwas besonderes hat, vielmehr stehen neben solchen, aller-
dings nicht seltenen, fällen, eben so zahlreiche, wo das verhältnis MC: VA,
VC : MA, auch AC : MV (dies am seltensten) ist, und auch M hat ja
viel eigentümliches 178). folglich ist die zu grunde liegende recension
zwar dieselbe, was auch die scholien oft bestätigen; aber sehr früh hat
sich die tradition C von den anderen abgezweigt, so dass er allerdings als
ein verwandter von anderer linie als die übrigen erscheint. wann aber
die abzweigung erfolgt ist, darüber belehrt die reihe dramen von Helene
bis Iphigeneia. nach den anfangsbuchstaben ist sie geordnet, die mit H
beginnenden dramen stehen alle darin, vorhergeht noch eines mit E, es
folgen vier mit I; eins mit K ist, wie die ordnung selbst zeigt, hinein
verschlagen. es liegt auf der hand, dass wir den rest einer gesammt-
ausgabe besitzen, und dass Th fehlt, erklärt sich aus der oben er-
läuterten einteilung in bände: wirklich stehen die dramen mit Th auf
dem oben s. 150 citirten steine zwischen S und D. verführerisch ist
es, die vier dramen von I, die drei von H sammt dem Kyklops für
je einen band zu halten. also die ausgabe, auf welche diese neun
stücke zurückgehn, ist ohne den grammatischen schutz geblieben, dafür
ist es aber auch eine über die christliche aera zurückreichende. diese
stücke sind uns allerdings durch einen zufall erhalten, oder vielmehr
deshalb, weil die euripideischen dramen noch häufiger im publicum ver-
breitet waren, gelesen, kann man nicht mehr sagen, aber doch in den
bücherschränken bewahrt und zuweilen auch noch abgeschrieben. dass
dem so war, beweisen uns ja auch die unmittelbar erhaltenen bruch-
stücke antiker bücher, der Melanippe und des Phaethon. da ist denn

177) Da die Bakchen in C und P abweichen, ist der ausweg verschlossen,
C seine vorlage unvollständig abschreiben zu lassen. dass es auch sonst noch hand-
schriften der Troerinnen dieser classe gab, zeigt Harl. 5743, der wenigstens ein stück
der Troerinnen aus dieser recension enthält, übrigens neben V und P entbehrlich ist.
178) Deutlich kann das nur eine ausgabe mit übersichtlichem apparat machen:
ich werde, so bald ich irgend kann, den Hippolytos vorlegen, der dazu am ge-
eignetsten ist.

Geschichte des tragikertextes.
auch nicht mit C stimmend: folglich stand ihm eine andere zur sippe C
gehörige handschrift dieser dramen zur verfügung 177).

Recensio
und emen-
datio in den
tragödien
der aus-
wahl.

Sämmtliche 19 dramen dürfen also hier als gemeinsam überliefert
angesehen werden; aber sie zerfallen in zwei reihen. die eine wird durch
die ehedem commentirte sylloge gebildet, auf deren archetypus sie mithin
zurückgeht, so daſs von zwei ganz gesonderten familien zu reden wider-
sinnig ist; auch zeigt C einen text, der keinesweges überwiegend MVA
gegenüber etwas besonderes hat, vielmehr stehen neben solchen, aller-
dings nicht seltenen, fällen, eben so zahlreiche, wo das verhältnis MC: VA,
VC : MA, auch AC : MV (dies am seltensten) ist, und auch M hat ja
viel eigentümliches 178). folglich ist die zu grunde liegende recension
zwar dieselbe, was auch die scholien oft bestätigen; aber sehr früh hat
sich die tradition C von den anderen abgezweigt, so daſs er allerdings als
ein verwandter von anderer linie als die übrigen erscheint. wann aber
die abzweigung erfolgt ist, darüber belehrt die reihe dramen von Helene
bis Iphigeneia. nach den anfangsbuchstaben ist sie geordnet, die mit H
beginnenden dramen stehen alle darin, vorhergeht noch eines mit E, es
folgen vier mit I; eins mit K ist, wie die ordnung selbst zeigt, hinein
verschlagen. es liegt auf der hand, daſs wir den rest einer gesammt-
ausgabe besitzen, und daſs Θ fehlt, erklärt sich aus der oben er-
läuterten einteilung in bände: wirklich stehen die dramen mit Θ auf
dem oben s. 150 citirten steine zwischen Σ und Δ. verführerisch ist
es, die vier dramen von I, die drei von H sammt dem Kyklops für
je einen band zu halten. also die ausgabe, auf welche diese neun
stücke zurückgehn, ist ohne den grammatischen schutz geblieben, dafür
ist es aber auch eine über die christliche aera zurückreichende. diese
stücke sind uns allerdings durch einen zufall erhalten, oder vielmehr
deshalb, weil die euripideischen dramen noch häufiger im publicum ver-
breitet waren, gelesen, kann man nicht mehr sagen, aber doch in den
bücherschränken bewahrt und zuweilen auch noch abgeschrieben. daſs
dem so war, beweisen uns ja auch die unmittelbar erhaltenen bruch-
stücke antiker bücher, der Melanippe und des Phaethon. da ist denn

177) Da die Bakchen in C und P abweichen, ist der ausweg verschlossen,
C seine vorlage unvollständig abschreiben zu lassen. daſs es auch sonst noch hand-
schriften der Troerinnen dieser classe gab, zeigt Harl. 5743, der wenigstens ein stück
der Troerinnen aus dieser recension enthält, übrigens neben V und P entbehrlich ist.
178) Deutlich kann das nur eine ausgabe mit übersichtlichem apparat machen:
ich werde, so bald ich irgend kann, den Hippolytos vorlegen, der dazu am ge-
eignetsten ist.
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[210/0230] Geschichte des tragikertextes. auch nicht mit C stimmend: folglich stand ihm eine andere zur sippe C gehörige handschrift dieser dramen zur verfügung 177). Sämmtliche 19 dramen dürfen also hier als gemeinsam überliefert angesehen werden; aber sie zerfallen in zwei reihen. die eine wird durch die ehedem commentirte sylloge gebildet, auf deren archetypus sie mithin zurückgeht, so daſs von zwei ganz gesonderten familien zu reden wider- sinnig ist; auch zeigt C einen text, der keinesweges überwiegend MVA gegenüber etwas besonderes hat, vielmehr stehen neben solchen, aller- dings nicht seltenen, fällen, eben so zahlreiche, wo das verhältnis MC: VA, VC : MA, auch AC : MV (dies am seltensten) ist, und auch M hat ja viel eigentümliches 178). folglich ist die zu grunde liegende recension zwar dieselbe, was auch die scholien oft bestätigen; aber sehr früh hat sich die tradition C von den anderen abgezweigt, so daſs er allerdings als ein verwandter von anderer linie als die übrigen erscheint. wann aber die abzweigung erfolgt ist, darüber belehrt die reihe dramen von Helene bis Iphigeneia. nach den anfangsbuchstaben ist sie geordnet, die mit H beginnenden dramen stehen alle darin, vorhergeht noch eines mit E, es folgen vier mit I; eins mit K ist, wie die ordnung selbst zeigt, hinein verschlagen. es liegt auf der hand, daſs wir den rest einer gesammt- ausgabe besitzen, und daſs Θ fehlt, erklärt sich aus der oben er- läuterten einteilung in bände: wirklich stehen die dramen mit Θ auf dem oben s. 150 citirten steine zwischen Σ und Δ. verführerisch ist es, die vier dramen von I, die drei von H sammt dem Kyklops für je einen band zu halten. also die ausgabe, auf welche diese neun stücke zurückgehn, ist ohne den grammatischen schutz geblieben, dafür ist es aber auch eine über die christliche aera zurückreichende. diese stücke sind uns allerdings durch einen zufall erhalten, oder vielmehr deshalb, weil die euripideischen dramen noch häufiger im publicum ver- breitet waren, gelesen, kann man nicht mehr sagen, aber doch in den bücherschränken bewahrt und zuweilen auch noch abgeschrieben. daſs dem so war, beweisen uns ja auch die unmittelbar erhaltenen bruch- stücke antiker bücher, der Melanippe und des Phaethon. da ist denn 177) Da die Bakchen in C und P abweichen, ist der ausweg verschlossen, C seine vorlage unvollständig abschreiben zu lassen. daſs es auch sonst noch hand- schriften der Troerinnen dieser classe gab, zeigt Harl. 5743, der wenigstens ein stück der Troerinnen aus dieser recension enthält, übrigens neben V und P entbehrlich ist. 178) Deutlich kann das nur eine ausgabe mit übersichtlichem apparat machen: ich werde, so bald ich irgend kann, den Hippolytos vorlegen, der dazu am ge- eignetsten ist.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/230>, abgerufen am 26.04.2024.