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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Die zweite periode der textkritik.
dadurch, dass bei einer zu zwei stellen anderer dramen angemerkten diffe-
renz zwischen dem texte und der inscenirung einmal Aristophanes namhaft
gemacht wird 64). es wird also kein vorschneller schluss sein, wenn wir
annehmen, dass Aristophanes in das schauspielhaus gegangen ist, um die
tradition der bühne für die exegese des textes nutzbar zu machen 65). es
ist begreiflich, dass der erste erklärer das tat: die folgezeit hat eine be-
lebung der anschauung durch die bühne so wenig gekannt wie eine fort-
gesetzte textverderbnis durch dieselbe 65a). auch hieran sieht man so recht,
dass Aristophanes eine neue periode eröffnet.

Diese zweite periode der textgeschichte umfasst etwa drei jahrhunderte,Die zweite
periode der
textkritik.

spruch hervor und stellt die sichere vermutung auf, die drei verse wären von den
schauspielern eingelegt oitines ina me kakopathosin apo ton basileion domon
kathallomenoi, paranoixantes ekporeuontai to tou Phrugos ekhontes skhema kai pro-
sopon. eine ähnliche interessante schauspielerinterpolation ist Aisch. Eum. 405.
Aischylos in seiner einfachheit liess Athene von der Troas nach Athen durch die
luft fliegen, ohne fittiche, aber so dass sich fittichgleich die Aegis blähte, pteron
ater Roibdousa kolpon aigidos. das genügte dem bedürfnis nach sinnenreiz nicht
mehr, das die spätere zeit zu befriedigen wusste, und schien wol auch der göttin
nicht würdig. so fuhr Athene auf ihrem streitwagen durch die luft auf die bühne,
und dafür ward der vers eingefügt polois akmaiois tond epizeuxas okhon.
64) Hipp. 172 touto sesemeiotai to Aristophanei, oti kaitoi to ekkuklemati
khromenos to ekkomizousa prosetheke perissos. Alk. 234 ouk eu; kata gar ten
upothesin os eso prattomena dei tauta theoreisthai. die form dieser notiz ist
entstellt, ähnlich wie die geringeren fassungen des Hippolytosscholions. die sache
verhält sich so. man stellte die scenen so dar, dass das ekkyklema zur anwendung
kam, also die kranke Phaidra und die sterbende Alkestis im zimmer blieben. das
ist der sache eigentlich allein angemessen, und deshalb glaubte Aristophanes den
dichter tadeln zu müssen, der trotzdem beide male ausdrücklich angibt, dass die
kranken ins freie gebracht würden. wir werden natürlich umgekehrt urteilen, dass
Euripides ein ekkyklema nicht beabsichtigt hat und sich wol oder übel mit den
verhältnissen seiner bühne beholfen hat. aber ein heutiger regisseur würde gut tun
lieber dem antiken collegen zu folgen als dem dichter. es liegt nahe die anweisungen
für das spiel, die vereinzelt gegeben werden (Hipp. 215 tout d' accord avec madame
Rachel
, fügt Weil hinzu) auch auf Aristophanes zurückzuführen. natürlich nicht solche,
wo der grammatiker durch ein isos selbst eingesteht, dass für ihn das drama nicht
mehr auf der bühne existirt, schol. Soph. OT. 41. 80. 1297. auch wenn über das
umcostümiren geredet wird, ist die verkehrtheit der bemerkung beweis genug, dass
das am schreibtisch ausgedacht ist, schol. Soph. OT. 147, E. Phoen. 93.
65) Über die bühnenwirksamkeit urteilt er in den hypothesen zu Orestes und
Phoenissen ganz unbefangen, ohne seine gesunde kritik der dichtung dem gegenüber
zu verleugnen.
65a) Leo verweist mit recht auf den Donatcommentar zu Terenz, wo die rück-
sicht auf die bühne noch viel deutlicher hervortritt. natürlich geht das auf sehr
viel ältere erklärer zurück; Leo vermutet, auf Probus.

Die zweite periode der textkritik.
dadurch, daſs bei einer zu zwei stellen anderer dramen angemerkten diffe-
renz zwischen dem texte und der inscenirung einmal Aristophanes namhaft
gemacht wird 64). es wird also kein vorschneller schluſs sein, wenn wir
annehmen, daſs Aristophanes in das schauspielhaus gegangen ist, um die
tradition der bühne für die exegese des textes nutzbar zu machen 65). es
ist begreiflich, daſs der erste erklärer das tat: die folgezeit hat eine be-
lebung der anschauung durch die bühne so wenig gekannt wie eine fort-
gesetzte textverderbnis durch dieselbe 65a). auch hieran sieht man so recht,
daſs Aristophanes eine neue periode eröffnet.

Diese zweite periode der textgeschichte umfaſst etwa drei jahrhunderte,Die zweite
periode der
textkritik.

spruch hervor und stellt die sichere vermutung auf, die drei verse wären von den
schauspielern eingelegt οἴτινες ἵνα μὴ κακοπαϑῶσιν ἀπὀ τῶν βασιλείων δόμων
καϑαλλόμενοι, παρανοίξαντες ἐκπορεύονται τὸ τοῦ Φρυγὸς ἔχοντες σχῆμα καὶ πρό-
σωπον. eine ähnliche interessante schauspielerinterpolation ist Aisch. Eum. 405.
Aischylos in seiner einfachheit lieſs Athene von der Troas nach Athen durch die
luft fliegen, ohne fittiche, aber so daſs sich fittichgleich die Aegis blähte, πτερῶν
ἄτερ ῥοιβδοῦσα κόλπον αἰγίδος. das genügte dem bedürfnis nach sinnenreiz nicht
mehr, das die spätere zeit zu befriedigen wuſste, und schien wol auch der göttin
nicht würdig. so fuhr Athene auf ihrem streitwagen durch die luft auf die bühne,
und dafür ward der vers eingefügt πώλοις ἀκμαίοις τόνδ̕ ἐπιζεύξασ̕ ὄχον.
64) Hipp. 172 τοῦτο σεσημείωται τῷ Ἀριστοφάνει, ὅτι καίτοι τῷ ἐκκυκλήματι
χρώμενος τὸ ἐκκομίζουσα προσέϑηκε περισσῶς. Alk. 234 οὐκ εὖ· κατὰ γὰρ τὴν
ὑπόϑεσιν ὡς ἔσω πραττόμενα δεῖ ταῦτα ϑεωρεῖσϑαι. die form dieser notiz ist
entstellt, ähnlich wie die geringeren fassungen des Hippolytosscholions. die sache
verhält sich so. man stellte die scenen so dar, daſs das ekkyklema zur anwendung
kam, also die kranke Phaidra und die sterbende Alkestis im zimmer blieben. das
ist der sache eigentlich allein angemessen, und deshalb glaubte Aristophanes den
dichter tadeln zu müssen, der trotzdem beide male ausdrücklich angibt, daſs die
kranken ins freie gebracht würden. wir werden natürlich umgekehrt urteilen, daſs
Euripides ein ekkyklema nicht beabsichtigt hat und sich wol oder übel mit den
verhältnissen seiner bühne beholfen hat. aber ein heutiger regisseur würde gut tun
lieber dem antiken collegen zu folgen als dem dichter. es liegt nahe die anweisungen
für das spiel, die vereinzelt gegeben werden (Hipp. 215 tout d’ accord avec madame
Rachel
, fügt Weil hinzu) auch auf Aristophanes zurückzuführen. natürlich nicht solche,
wo der grammatiker durch ein ἴσως selbst eingesteht, daſs für ihn das drama nicht
mehr auf der bühne existirt, schol. Soph. OT. 41. 80. 1297. auch wenn über das
umcostümiren geredet wird, ist die verkehrtheit der bemerkung beweis genug, daſs
das am schreibtisch ausgedacht ist, schol. Soph. OT. 147, E. Phoen. 93.
65) Über die bühnenwirksamkeit urteilt er in den hypothesen zu Orestes und
Phoenissen ganz unbefangen, ohne seine gesunde kritik der dichtung dem gegenüber
zu verleugnen.
65a) Leo verweist mit recht auf den Donatcommentar zu Terenz, wo die rück-
sicht auf die bühne noch viel deutlicher hervortritt. natürlich geht das auf sehr
viel ältere erklärer zurück; Leo vermutet, auf Probus.
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[153/0173] Die zweite periode der textkritik. dadurch, daſs bei einer zu zwei stellen anderer dramen angemerkten diffe- renz zwischen dem texte und der inscenirung einmal Aristophanes namhaft gemacht wird 64). es wird also kein vorschneller schluſs sein, wenn wir annehmen, daſs Aristophanes in das schauspielhaus gegangen ist, um die tradition der bühne für die exegese des textes nutzbar zu machen 65). es ist begreiflich, daſs der erste erklärer das tat: die folgezeit hat eine be- lebung der anschauung durch die bühne so wenig gekannt wie eine fort- gesetzte textverderbnis durch dieselbe 65a). auch hieran sieht man so recht, daſs Aristophanes eine neue periode eröffnet. Diese zweite periode der textgeschichte umfaſst etwa drei jahrhunderte, 63) Die zweite periode der textkritik. 64) Hipp. 172 τοῦτο σεσημείωται τῷ Ἀριστοφάνει, ὅτι καίτοι τῷ ἐκκυκλήματι χρώμενος τὸ ἐκκομίζουσα προσέϑηκε περισσῶς. Alk. 234 οὐκ εὖ· κατὰ γὰρ τὴν ὑπόϑεσιν ὡς ἔσω πραττόμενα δεῖ ταῦτα ϑεωρεῖσϑαι. die form dieser notiz ist entstellt, ähnlich wie die geringeren fassungen des Hippolytosscholions. die sache verhält sich so. man stellte die scenen so dar, daſs das ekkyklema zur anwendung kam, also die kranke Phaidra und die sterbende Alkestis im zimmer blieben. das ist der sache eigentlich allein angemessen, und deshalb glaubte Aristophanes den dichter tadeln zu müssen, der trotzdem beide male ausdrücklich angibt, daſs die kranken ins freie gebracht würden. wir werden natürlich umgekehrt urteilen, daſs Euripides ein ekkyklema nicht beabsichtigt hat und sich wol oder übel mit den verhältnissen seiner bühne beholfen hat. aber ein heutiger regisseur würde gut tun lieber dem antiken collegen zu folgen als dem dichter. es liegt nahe die anweisungen für das spiel, die vereinzelt gegeben werden (Hipp. 215 tout d’ accord avec madame Rachel, fügt Weil hinzu) auch auf Aristophanes zurückzuführen. natürlich nicht solche, wo der grammatiker durch ein ἴσως selbst eingesteht, daſs für ihn das drama nicht mehr auf der bühne existirt, schol. Soph. OT. 41. 80. 1297. auch wenn über das umcostümiren geredet wird, ist die verkehrtheit der bemerkung beweis genug, daſs das am schreibtisch ausgedacht ist, schol. Soph. OT. 147, E. Phoen. 93. 65) Über die bühnenwirksamkeit urteilt er in den hypothesen zu Orestes und Phoenissen ganz unbefangen, ohne seine gesunde kritik der dichtung dem gegenüber zu verleugnen. 65a) Leo verweist mit recht auf den Donatcommentar zu Terenz, wo die rück- sicht auf die bühne noch viel deutlicher hervortritt. natürlich geht das auf sehr viel ältere erklärer zurück; Leo vermutet, auf Probus. 63) spruch hervor und stellt die sichere vermutung auf, die drei verse wären von den schauspielern eingelegt οἴτινες ἵνα μὴ κακοπαϑῶσιν ἀπὀ τῶν βασιλείων δόμων καϑαλλόμενοι, παρανοίξαντες ἐκπορεύονται τὸ τοῦ Φρυγὸς ἔχοντες σχῆμα καὶ πρό- σωπον. eine ähnliche interessante schauspielerinterpolation ist Aisch. Eum. 405. Aischylos in seiner einfachheit lieſs Athene von der Troas nach Athen durch die luft fliegen, ohne fittiche, aber so daſs sich fittichgleich die Aegis blähte, πτερῶν ἄτερ ῥοιβδοῦσα κόλπον αἰγίδος. das genügte dem bedürfnis nach sinnenreiz nicht mehr, das die spätere zeit zu befriedigen wuſste, und schien wol auch der göttin nicht würdig. so fuhr Athene auf ihrem streitwagen durch die luft auf die bühne, und dafür ward der vers eingefügt πώλοις ἀκμαίοις τόνδ̕ ἐπιζεύξασ̕ ὄχον.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/173>, abgerufen am 26.04.2024.