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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 7. Die verfassung.

Das folgende wird zusammengefasst als cooperation des rates mit den
anderen beamten (47. 48). und so steht denn hier eine lichtvolle über-
sicht der finanzverwaltung. die schatzmeister der göttin45) übernehmen
die ihnen unterstellten schätze in gegenwart des rates; poleten und apo-
dekten walten ihres amtes ebenfalls unter seiner controlle, zumeist im
rathause, und das geld kommt unter seine augen, sowol wenn es
ein wie wenn es ausgeht, so dass er seine controlle (krinein, wenn
nötig katagignoskein) wirksam ausüben kann. die rechnungen fast
aller behörden überhaupt führt eine ratscommission, und eine andere
ist an der rechnungsablage der beamten beteiligt.46) das hängt auf das
trefflichste zusammen.47)

Auch in dem folgenden abschnitte (49) erkennt man den leitenden
gesichtspunkt; er behandelt die dokimasien die dem rate zustehn. zuerst
steht die der cavalleriepferde, der equi publici, deren besitzer verpflegungs-
gelder erhielten, so dass in der pferdehaltung ihre hauptpflicht lag.48)
dann die prüfung der für den cavalleriedienst ausgehobenen leute, bei
der es auch vornehmlich auf das vermögen ankam.49) dann die prüfung

oder lange danach wirksame remedur geschafft, indem die ordensverleihung dem
nächsten rate zu beantragen überlassen ist. Aristoteles redet offenbar im hinblick
auf den früheren zustand.
45) Aristoteles kennt die schatzmeister der andern götter nicht mehr, die nicht
vor dem ende der vierziger jahre abgeschafft sind, wenn CIA II 702 mit recht auf sie
bezogen ist, was auch nach Lehner (über die athenischen schatzverzeichnisse Bonn
1890, 119) unsicher bleibt. dagegen erwähnt er als hauptstücke des heiligen inventars
die goldenen Niken, die erst seit 335 wieder beschafft sind, CIA II 162 mit add. 739 ffg.
erwähnt wird von ihm nur die übergabe des schatzes, dasselbe was unsere in-
schriften bezeugen, weil dabei die assistenz des rates statt hat. die verwaltung
des schatzes, d. h. die vermögensverwaltung der göttin und der andern götter (so
weit es nicht immobiliarvermögen war, wo sie dem könige zustand) sieht er als eine
provincia an, die den tamiai durch ihre namen zufiel. in wie weit auch dabei
der rat mitwirkte, steht dahin.
46) Vgl. das capitel Logos und Euthyna.
47) Eine wichtige aufgabe der apodekten, die jurisdiction in sachen der
steuerpächter, ist hier fortgelassen, weil sie mit dem rate nichts zu tun hatte, und
nach 52, 3 versetzt, weil dort die eisagogeis abgehandelt werden, die mit den apo-
dekten die schleunige jurisdiction, innerhalb eines monats, teilen.
48) In diesem stücke ist die ähnlichkeit mit der altrömischen verfassung nur
noch deutlicher geworden, Mommsen St. R. III 253.
49) Die vom volke eingesetzte aushebungscommission setzt eine liste der
pflichtigen auf. aber es bedarf nur der eidlichen erklärung vor dem rate, dass man
nicht befähigt oder nicht vermögend genug wäre, den dienst zu leisten, so kommt
man frei, und dann mustert der rat seinerseits aus, wer ihm aus dem einen oder
I. 7. Die verfassung.

Das folgende wird zusammengefaſst als cooperation des rates mit den
anderen beamten (47. 48). und so steht denn hier eine lichtvolle über-
sicht der finanzverwaltung. die schatzmeister der göttin45) übernehmen
die ihnen unterstellten schätze in gegenwart des rates; poleten und apo-
dekten walten ihres amtes ebenfalls unter seiner controlle, zumeist im
rathause, und das geld kommt unter seine augen, sowol wenn es
ein wie wenn es ausgeht, so daſs er seine controlle (κϱίνειν, wenn
nötig καταγιγνώσκειν) wirksam ausüben kann. die rechnungen fast
aller behörden überhaupt führt eine ratscommission, und eine andere
ist an der rechnungsablage der beamten beteiligt.46) das hängt auf das
trefflichste zusammen.47)

Auch in dem folgenden abschnitte (49) erkennt man den leitenden
gesichtspunkt; er behandelt die dokimasien die dem rate zustehn. zuerst
steht die der cavalleriepferde, der equi publici, deren besitzer verpflegungs-
gelder erhielten, so daſs in der pferdehaltung ihre hauptpflicht lag.48)
dann die prüfung der für den cavalleriedienst ausgehobenen leute, bei
der es auch vornehmlich auf das vermögen ankam.49) dann die prüfung

oder lange danach wirksame remedur geschafft, indem die ordensverleihung dem
nächsten rate zu beantragen überlassen ist. Aristoteles redet offenbar im hinblick
auf den früheren zustand.
45) Aristoteles kennt die schatzmeister der andern götter nicht mehr, die nicht
vor dem ende der vierziger jahre abgeschafft sind, wenn CIA II 702 mit recht auf sie
bezogen ist, was auch nach Lehner (über die athenischen schatzverzeichnisse Bonn
1890, 119) unsicher bleibt. dagegen erwähnt er als hauptstücke des heiligen inventars
die goldenen Niken, die erst seit 335 wieder beschafft sind, CIA II 162 mit add. 739 ffg.
erwähnt wird von ihm nur die übergabe des schatzes, dasselbe was unsere in-
schriften bezeugen, weil dabei die assistenz des rates statt hat. die verwaltung
des schatzes, d. h. die vermögensverwaltung der göttin und der andern götter (so
weit es nicht immobiliarvermögen war, wo sie dem könige zustand) sieht er als eine
provincia an, die den ταμίαι durch ihre namen zufiel. in wie weit auch dabei
der rat mitwirkte, steht dahin.
46) Vgl. das capitel Logos und Euthyna.
47) Eine wichtige aufgabe der apodekten, die jurisdiction in sachen der
steuerpächter, ist hier fortgelassen, weil sie mit dem rate nichts zu tun hatte, und
nach 52, 3 versetzt, weil dort die εἰσαγωγεῖς abgehandelt werden, die mit den apo-
dekten die schleunige jurisdiction, innerhalb eines monats, teilen.
48) In diesem stücke ist die ähnlichkeit mit der altrömischen verfassung nur
noch deutlicher geworden, Mommsen St. R. III 253.
49) Die vom volke eingesetzte aushebungscommission setzt eine liste der
pflichtigen auf. aber es bedarf nur der eidlichen erklärung vor dem rate, daſs man
nicht befähigt oder nicht vermögend genug wäre, den dienst zu leisten, so kommt
man frei, und dann mustert der rat seinerseits aus, wer ihm aus dem einen oder
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[212/0226] I. 7. Die verfassung. Das folgende wird zusammengefaſst als cooperation des rates mit den anderen beamten (47. 48). und so steht denn hier eine lichtvolle über- sicht der finanzverwaltung. die schatzmeister der göttin 45) übernehmen die ihnen unterstellten schätze in gegenwart des rates; poleten und apo- dekten walten ihres amtes ebenfalls unter seiner controlle, zumeist im rathause, und das geld kommt unter seine augen, sowol wenn es ein wie wenn es ausgeht, so daſs er seine controlle (κϱίνειν, wenn nötig καταγιγνώσκειν) wirksam ausüben kann. die rechnungen fast aller behörden überhaupt führt eine ratscommission, und eine andere ist an der rechnungsablage der beamten beteiligt. 46) das hängt auf das trefflichste zusammen. 47) Auch in dem folgenden abschnitte (49) erkennt man den leitenden gesichtspunkt; er behandelt die dokimasien die dem rate zustehn. zuerst steht die der cavalleriepferde, der equi publici, deren besitzer verpflegungs- gelder erhielten, so daſs in der pferdehaltung ihre hauptpflicht lag. 48) dann die prüfung der für den cavalleriedienst ausgehobenen leute, bei der es auch vornehmlich auf das vermögen ankam. 49) dann die prüfung 44) 45) Aristoteles kennt die schatzmeister der andern götter nicht mehr, die nicht vor dem ende der vierziger jahre abgeschafft sind, wenn CIA II 702 mit recht auf sie bezogen ist, was auch nach Lehner (über die athenischen schatzverzeichnisse Bonn 1890, 119) unsicher bleibt. dagegen erwähnt er als hauptstücke des heiligen inventars die goldenen Niken, die erst seit 335 wieder beschafft sind, CIA II 162 mit add. 739 ffg. erwähnt wird von ihm nur die übergabe des schatzes, dasselbe was unsere in- schriften bezeugen, weil dabei die assistenz des rates statt hat. die verwaltung des schatzes, d. h. die vermögensverwaltung der göttin und der andern götter (so weit es nicht immobiliarvermögen war, wo sie dem könige zustand) sieht er als eine provincia an, die den ταμίαι durch ihre namen zufiel. in wie weit auch dabei der rat mitwirkte, steht dahin. 46) Vgl. das capitel Logos und Euthyna. 47) Eine wichtige aufgabe der apodekten, die jurisdiction in sachen der steuerpächter, ist hier fortgelassen, weil sie mit dem rate nichts zu tun hatte, und nach 52, 3 versetzt, weil dort die εἰσαγωγεῖς abgehandelt werden, die mit den apo- dekten die schleunige jurisdiction, innerhalb eines monats, teilen. 48) In diesem stücke ist die ähnlichkeit mit der altrömischen verfassung nur noch deutlicher geworden, Mommsen St. R. III 253. 49) Die vom volke eingesetzte aushebungscommission setzt eine liste der pflichtigen auf. aber es bedarf nur der eidlichen erklärung vor dem rate, daſs man nicht befähigt oder nicht vermögend genug wäre, den dienst zu leisten, so kommt man frei, und dann mustert der rat seinerseits aus, wer ihm aus dem einen oder 44) oder lange danach wirksame remedur geschafft, indem die ordensverleihung dem nächsten rate zu beantragen überlassen ist. Aristoteles redet offenbar im hinblick auf den früheren zustand.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/226>, abgerufen am 27.04.2024.